Rainer Haas Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Landrat Rainer Haas weist Kritik des Marbacher Gemeinderats an den Plänen von sich

Marbach - Das Aus für das Marbacher Krankenhaus in seiner bisherigen Form und der frühzeitige Abzug von Geriatrie und Innerer hat beim Gemeinderat zu harscher Kritik an der Klinikleitung geführt (wir berichteten). Vor allem stört das Gremium, dass der Neubau der Belegklinik noch nicht in trockenen Tüchern ist und eine Entscheidung darüber erst 2020 fallen soll. Der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas kann zwar die Enttäuschung in der Schillerstadt ein Stück weit nachvollziehen, einige Aussagen sind ihm aber auch sauer aufgestoßen.

Die Vertreter der Kliniken-Holding um den Geschäftsführer Jörg Martin haben jetzt im Marbacher Gemeinderat die Pläne für den Gesundheitscampus auf dem Krankenhausgelände in der Schillerstadt vorgestellt und die jüngsten Entscheidungen zur Zukunft des Standorts erläutert. Dabei mussten sie harsche Kritik einstecken. Können Sie den Unmut nachvollziehen?
Ich kann verstehen, dass man den Wunsch hatte, das Krankenhaus in seiner bisherigen Form weiterzuführen und auf einen ähnlichen Standard wie die Häuser in Ludwigsburg und Bietigheim zu bringen. Allerdings war das nicht möglich. Wir alle müssen akzeptieren, dass so kleine Krankenhäuser wie das in Marbach in der heutigen Zeit nicht mehr wirtschaftlich zu führen sind und deshalb keine Perspektive haben. Enttäuscht bin ich über den Vorwurf, dass wir kaum etwas von dem erreicht hätten, was möglich gewesen wäre.
Sie sehen das anders?
Natürlich. Wir haben für den Marbacher Gesundheitscampus ein sehr erfreuliches Paket geschnürt. Der Aufsichtsrat hat beschlossen, in die Planung einer neuen Belegklinik und einer Privatklinik für Psychosomatik mit den dazu notwendigen Einrichtungen einzusteigen. Sowohl die Belegklinik als auch die Psychosomatik würden wir selbst bauen und finanzieren. Außerdem sind verschiedene Pflegeeinrichtungen auf dem Gelände vorgesehen. Das würde den Standort strukturell stärken – man hätte dann drei Bausteine und nicht nur ein Krankenhaus, das nicht konkurrenzfähig ist. Das ist doch eine gute und schöne Perspektive.
Eine private Reha gehört hingegen vorerst nicht mehr zum Konzept. Das konnte der Gemeinderat nicht nachvollziehen, zumal es dafür sogar einen Interessenten gab.
Die Pläne für die Reha habe ich von Anfang an nicht unterstützt. Wir haben die Grundstücke auf dem Campus nur mühsam und nach teilweise schwierigen Verhandlungen über die Jahre hinweg erworben. Jetzt haben wir sie endlich alle beisammen. Wir haben all diese Anstrengung nicht unternommen, um nun einen großen Teil des Geländes einem privaten Investor zu überlassen. Stattdessen wollen wir die Grundstücke als Reservefläche bereithalten, um uns für die Zukunft keine Entwicklungsmöglichkeiten zu verbauen.
Sie sind also nicht vor der Lobbyarbeit der ambulanten Reha-Betreiber Siegele und Hess eingeknickt, wie Ihnen recht unverblümt unterstellt wurde?
Davon kann keine Rede sein. Ich habe zwar alle Argumente gehört und gelesen, aber entscheidend waren andere Punkte. Es gibt unterschiedliche Meinungen dazu, ob sich eine weitere Reha-Einrichtung dieser Größe perspektivisch überhaupt tragen würde. Der Träger könnte in Konkurs gehen. Dann würden wir auf dem Gebäude sitzen, weil wir das Gelände ohnehin nicht verkauft, sondern in Erbpacht bereitgestellt hätten. Warum sollten wir ein solches Abenteuer eingehen? Wir reden hier schließlich auch von Steuergeldern.
Das Argument, wonach der potenzielle Reha-Betreiber doch selbst am besten wissen muss, ob sich ein Engagement für ihn rechnet oder nicht, greift also nicht?
Das eine widerspricht dem anderen nicht. Auch hier gilt die Entscheidung des freien Markts. Der Investor muss für sich überlegen, ob sich eine Reha-Klinik lohnt. Wenn ja, kann er bauen, wo und wann er will. Aber warum soll unsere gemeinnützige Kliniken gGmbH einem privaten Investor den Steigbügel halten, zumal wir die Reserveflächen für uns bereithalten wollen?
Wäre es nicht sinnvoll gewesen, diese Argumente den Räten persönlich mitzuteilen? Es wurde Ihnen angekreidet, dass Sie nicht zu der Gemeinderatssitzung am 26. April gekommen sind.
Unabhängig davon, dass ich an diesem Abend zeitlich anderweitig gebunden war: Es wäre ungewöhnlich gewesen, wenn ich als Landrat in eine Gemeinderatssitzung gekommen wäre. Vorsitzender des Gemeinderats und dessen Ansprechpartner ist der Bürgermeister. Dazu müssten schon ganz gravierende Umstände vorliegen. Das war hier sicher nicht der Fall. Die Entscheidungen sind gefallen, die Argumente ausgetauscht.
Konnten Sie deshalb auch nicht persönlich mit dem Sozialminister Manfred Lucha wegen der Fördermöglichkeiten für die Belegklinik sprechen? Ein Punkt, den Ihnen speziell Dr. Michael Herzog von den Freien Wählern in der Gemeinderatssitzung übel genommen hat.
In dieser Sache war ich ständig im Kontakt mit dem Ministerium und auch mit Herrn Lucha selbst. Lediglich bei dem letzten Gespräch konnte ich nicht dabei sein, weil ich mich auf einer dienstlichen Auslandsreise befand. Dafür hat Prof. Dr. Jörg Martin, der Kliniken-Geschäftsführer, mit dem Minister gesprochen und unseren Standpunkt dargelegt. Darüber hinaus ist Herr Martin nicht mein Stellvertreter, wie in der Sitzung behauptet wurde. Ich bin auch nicht seiner. Herr Martin ist als Geschäftsführer der Kliniken-Holding ein hochkompetenter Ansprechpartner. Insofern war ich schon irritiert über die eine oder andere Aussage, die in der Sitzung gefallen ist.
Was meinen Sie?
Ich musste mich schon wundern, dass sich ein Arzt kritisch über die Entscheidungen zum Krankenhaus äußert. Gerade er müsste wissen, dass die kleinen Häuser nicht mehr zu halten sind. Darüber hinaus ist die Behauptung, wir hätten Versprechungen abgegeben, die wir nun nicht halten würden, schlichtweg falsch. Wir haben versprochen, uns im Interesse unserer Kliniken, aber auch im Interesse der Stadt Marbach einzusetzen. Das haben wir getan. Weitere Versprechungen waren auch gar nicht möglich, weil die Entscheidung nicht alleine in unseren Händen lag. Wir haben mit dem Sozialministerium verhandelt. Und die Beschlüsse fassen ohnehin die zuständigen Gremien.
Bei einer Infoveranstaltung in Marbach in der Stadthalle haben Sie aber versichert, dass die Planungen für die Belegklinik und das Zentrum für Altersmedizin in Bietigheim zeitgleich vorangetrieben werden.
Das geschieht doch auch. Es stand jedoch von Anfang an fest, dass zuerst in Bietigheim gebaut werden muss. Wir brauchen schließlich die Räumlichkeiten, damit die Geriatrie aus Marbach dorthin ziehen kann. Das geht von der zeitlichen Abfolge nicht anders.
Warum fällt der Beschluss für den Neubau der Belegklinik erst 2020? Man hätte doch früher Nägel mit Köpfen machen können.
Nein, weil damit zu rechnen ist, dass es durch die neue Bundesregierung Änderungen in der Krankenhausfinanzierung und bei den Rahmenbedingungen für Belegkliniken geben wird. Dazu zählen beispielsweise Mindestmengen, Qualitätszuschläge und -abschläge sowie Anforderungen an die Klinikstruktur. Diese Änderungen sind noch nicht bekannt und müssen erst noch abgewartet werden. Ungeachtet dessen wird die Gesamtkonzeption gemäß der Beschlussfassung vorangetrieben und den Gremien immer wieder vorgestellt.
Was der Landkreis ebenfalls nicht hat, ist die Gestaltungsfreiheit über den für das Areal geltenden Bebauungsplan. Im Gegensatz zu der Stadt, die über diesen Kanal ein gewichtiges Wörtchen beim Gesundheitscampus mitzureden hat. Einige Räte haben durch die Blume auch schon angedeutet, dass sie diese Karte spielen könnten und die Kliniken-Holding irgendwann auf die Stadt angewiesen sein wird.
Tatsächlich hat die Stadt das Heft des Handelns in der Hand, was die angedachten Pflegeeinrichtungen anbelangt. Aber die Kommune würde sich doch ins eigene Fleisch schneiden, wenn sie die Pläne durchkreuzen würde. Immerhin würde durch die neuen Angebote ein attraktives Umfeld für das Ärztehaus geschaffen und damit der Standort insgesamt gestärkt.