Die Tänzerinnen stellen pantomimisch eine Diskussion im Klassenzimmer dar. Foto: Michael Raubold

Die Schüler des „Ballett Atelier Boos“ haben bei der Durchlaufprobe ein buntes Tanzspektakel gezeigt

Marbach - Sportler tummeln sich an diesem Samstagnachmittag in der Karl-Nusser-Halle, die dort einer völlig anderen Disziplin frönen, als dies normalerweise der Fall ist. Die Stadionhalle nämlich ist zum Ballettsaal umfunktioniert und dient den anmutigen Eleven des Marbacher „Ballett Atelier Boos“ als große Bühne, bevor es - eine Woche später - sonntags zur Aufführung im Ludwigsburger Forum kommt.

Hölzerne Kegel begrenzen den Bühnenraum für die rund 300 Tänzer aus allen Tanzsparten des Ballett-Ateliers, die zur Durchlaufprobe gekommen sind. Denn ein Gefühl für Raum und Größe muss trainiert werden, damit im Ernstfall niemand von der Bühne stürzt. Ein buntes Treiben herrscht drumherum: Betreuer kümmern sich um die kleineren Tänzer und helfen beim Umziehen. Andere sind mit einer Vielzahl an Organisatorischem oder dem punktgenauen Einsatz der Musik beschäftigt. An den Stangen der Barren im Geräteraum hängen diverse Kostüme: Seidene Kittel für die Samurai-Kämpfer etwa. Luftig leichte Schirmchen, die für den Tanz der Geishas gedacht sind, liegen am Boden verstreut. Einige müssen noch ausgebessert werden.

Die Halle selbst ist in eine Mond- und eine Sonnenseite aufgeteilt – eine Orientierungshilfe für die Ab- und Zugänge auf der realen Bühne. „Das haben wir lange geübt“, ruft Susanne Boos ihren Schützlingen zu und blickt konzentriert auf die erste Szene, wo sich Schüler mit ihrem Lehrer (Maximilian Ermisch) über das Ziel ihrer Klassenfahrt unterhalten. Freilich nur pantomimisch, denn im Ballett wir nicht gesprochen. Trotzdem gelingt es den darstellenden Tänzern mit ausdrucksvollen Gebärden, eine typische Klassenatmosphäre zu erzeugen, bevor sie mit der Musik von „La vie parisienne“ ordentlich ins Schwitzen geraten. Auch ohne die teils sehr wärmenden Kostüme wird es zunehmend heiß und drückend in der Halle.

Die Suche nach dem geeigneten Klassenziel bringt die Schüler zu verschiedenen Nationen, die wiederum mit entsprechenden Tänzen und attraktiven Kostümen verdeutlicht werden. Mit klobigen Holzschuhen treten zarte Eleven auf, weil sich die Schüler ein Bild von Holland machen sollen. Effektvoll klackern die Schuhe bei der speziellen Choreografie: Die Tänzer schlagen mit den Fersen laut zusammen. Doch auch dieses Land wird verworfen. Österreich, Ungarn, Italien oder Ägypten folgen und mit ihnen zahlreiche Ballettschüler, schwungvolle Musik und ausgetüftelte Schrittfolgen. Kleine Zuckerbäcker präsentieren eine spritzige Nummer. „Passt auf Eure Torten auf“, ruft Diana Gantner, die mit der Schauspielunterstützung beauftragt ist, in die Runde. Es gibt viel zu berücksichtigen, auch wenn die Torte nur aus Pappe ist, muss sie während des Tanzens wirkungsvoll getragen werden.

„Beeilt Euch“, ist eine andere energische Stimme zu hören, die ermahnt, dass die Takte der Musik leicht vorauseilen. Doch nicht nur die Kleinen erkennen die Tücken. Solistin Marleen Stengel etwa tanzt an diesem Nachmittag nicht auf Spitze. Der Hallenboden ist zu rutschig und manches kann von den Tänzern nicht sauber ausgetanzt werden.

Auch die Kleidung sorgt bei der Probe für Stirnrunzeln: Leiterin Susanne Boos gefällt es gar nicht, dass manche Kinder keine einheitliche Strumpfhosenfarbe tragen. Die aber ist obligatorisch – auf die optische Wirkung kommt es eben an. Das Fest der Stoffe und Farben geht indessen weiter: Tamborine ertönen mit ihren Schellen. Tänzerisch geht es nun pikant zu, denn Paprika haben die Darsteller förmlich im Blut, wenn es um Ungarn geht.

Kurzerhand wird zwischendurch mal ein Kind auf die richtige Stelle geschoben und los geht es mit den wogenden, berauschenden oder zarten Tanz-Formationen, die in fremde Länder entführen. Ein Pharao beeindruckt dabei im goldglitzernden Gewand. Modern Dance ist die gewählte Tanzform dazu. Jazz-Dance ist in jene Choreografie integriert, die auch an Cheerleader-Mädchen erinnert. Klar, dass es dabei um die USA geht.

Der Fantasie sind im Ballett keine Grenzen gesetzt. Und auch im Zweiten Akt soll sie inspirierend und wunderschön eingesetzt werden. Die Schüler nämlich haben sich für die Klassenfahrt letztendlich das Land der Fantasie ausgesucht. Doch bevor Irrlichter, Drachen, Seiltänzer oder Gestalten aus dem Gruselkabinett zum Leben erweckt werden, müssen die gesamten Darsteller noch das vorgezogene Finale proben. Danach kann ein Teil der Kinder nach Hause gehen. Die kleine Tänzerin Lena, die mit ihrem niedlichen Zuckerwatte-Tutu kurz vorher diszipliniert am Boden saß, hat für die Durchlaufprobe sogar ihre Geburtstagsfeier verschoben. Die jetzt Siebenjährige feiert mit ihren Gästen einfach einen Tag später.