Karin Götz Foto: Marbacher Zeitung


Die Nachricht über eine schwere Erkrankung
kann den Blick für das Wesentliche schärfen

Marbach - Wir alle wissen, dass unser Leben von einem Moment auf den anderen ins Wanken geraten kann. Gerade noch gelacht und unbeschwert durch das Auf und Ab des Alltags gesteuert, stürzen uns Nachrichten, die uns selbst oder Menschen aus unserem engsten Zirkel betreffen, plötzlich in die Tiefe. „Sie haben einen Tumor“ ist so ein Satz, der im eigenen Lebensgebäude keinen Stein mehr auf dem anderen lässt. Auch wenn der Tumor gutartig und operabel ist. Ein stundenlanger Eingriff – dazuhin im Kopf – birgt große Risiken. Nichts könnte danach mehr so sein wie es vor der Diagnose gewesen ist.

Wer selbst nicht schon einmal in der Situation gewesen ist, in die Jan Trost vor zwei Wochen geworfen wurde, kann nur erahnen, wir er und seine Frau sich gefühlt und was sie durchgemacht haben. Und wie groß die Dankbarkeit und Erleichterung sein muss, dass alles gut verlaufen ist und der Ehemann und Papa wieder daheim mit am Esstisch sitzt und schon wieder ungeduldig mit den Hufen scharrt, weil er möglichst schnell wieder den Job machen möchte, den er so gerne macht. Dass sein Team im Marbacher Rathaus ihm den Rücken freihält und die Geschäfte wie gewohnt geräuschlos weiterlaufen, auch wenn der Chef noch ein paar Wochen fehlt, ist die beste Unterstützung in der Rekonvaleszenz, die man sich wünschen kann.

Die Geschichte des Marbacher Rathauschefs ist eine von vielen. Tagtäglich wird Menschen durch medizinische Hiobsbotschaften der Boden unter ihren Füßen weggerissen. Jeder geht anders mit Krisen um. Die einen werden völlig aus der Bahn geworfen und brauchen lange, um wieder so etwas wie Optimismus zu spüren. Die anderen schauen auf das halb volle Wasserglas statt auf das halb leere Glas.

Ich habe bei meinem Besuch im Hause Trost einen Menschen erlebt, der mit viel positiver Energie nach vorn schaut und beeindruckend offen mit dem Erlebten umgeht. Die Familie gab ihm Kraft. Ebenso wie die Freude auf die Rückkehr in seine Arbeit. Das ist zu spüren. Mir hat die Begegnung einmal mehr bewusst gemacht, wie wichtig es ist, im Hier und Jetzt zu leben und jeden Tag bewusst zu erleben. Mit den Menschen an seiner Seite, die einem wichtig sind.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle noch eine Anmerkung in eigener Sache. Ja, wir wussten, dass Jan Trost einen Hirntumor hat. Schon vor der Operation. Wir haben uns aber bewusst gegen eine Berichterstattung entschieden und lediglich berichtet, dass der Rathauschef erkrankt ist – bis er selbst das Gespräch mit uns sucht. Der Mann an der Spitze der Stadt ist eine Person des öffentlichen Lebens. In erster Linie ist er aber ein Mensch, mit einem Recht auf Privatsphäre – gerade in solch einer Situation . Das mag aus der Sicht des ein oder anderen vielleicht die falsche Entscheidung gewesen sein – aus unsrer Sicht war es die richtige.