Der farbenprächtige Regenbogen ist ein Hoffnungssymbol für mehr Toleranz. Foto: Fotolia

Heinz-Werner Neudorfer, Dekan des Evangelischen Kirchenbezirks Marbach, will keine Homo-Ehen segnen.

Marbach - Der Deutsche Bundestag hat die Ehe für alle legitimiert. Damit wird die Lebenspartnerschaft von gleichgeschlechtlichen Paare auf die Stufe der Ehe von Mann und Frau gestellt. Das wird inzwischen auch in den Kirchen kontrovers diskutiert. Wir haben uns über das Thema mit Heinz-Werner Neudorfer, dem Dekan des Evangelischen Kirchenbezirks Marbach, unterhalten.

Was halten Sie persönlich vom Beschluss des Bundestags?
Zunächst wundere ich mich: Noch in den 80er Jahren haben sich dieselben Personengruppen, die heute „Ehe für alle“ fordern, dezidiert gegen jede Form von Ehe ausgesprochen – auch in der Kirche. Ich selbst halte die Entscheidung für fatal im wahrsten Sinn des Wortes. Der Staat verabschiedet sich damit endgültig von der christlichen Tradition, die ihn fast 1500 Jahre geprägt hat. Aus meiner Sicht ist das ein Verlust.
Schließen Sie eine kirchliche Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren aus?
Unsere Landeskirche debattiert gerade über diesen Punkt und will demnächst darüber entscheiden. Dabei sollen allerdings die Gemeinden vor Ort offenbar nicht gehört werden. Das finde ich schlecht, denn dort wird man die Folgen zu spüren bekommen. Für mich selbst kann ich sagen: Ja, ich schließe das als Möglichkeit aus und werde solche Trauungen oder Segnungen weder durchführen noch als Dekan genehmigen.
Könnte man nicht auch die gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften als Bereitschaft deuten, füreinander Verantwortung zu übernehmen – etwa wenn es einem der Partner nicht gut geht oder er in Not gerät – und deshalb dies aus christlicher Sicht gutheißen?
Füreinander Verantwortung zu übernehmen ist auch anders möglich. Gegenseitige Verantwortung ist zudem nur ein Teil dessen, was eine Ehe ausmacht, allerdings ein wichtiger. Zur Ehe gehört nach christlichem Verständnis immer auch die grundsätzliche Bereitschaft für das Weiterbestehen der Menschheit zu sorgen. Das ist meines Erachtens in solchen Gemeinschaften nicht möglich. Gott hat nicht umsonst zwei Geschlechter geschaffen. Die brauchen einander in vielerlei Hinsicht. Auch Kinder brauchen beide Elemente als Gegenüber.
Wie können die Kirchengemeinden damit umgehen, dass die „Ehe für alle“ jetzt endgültig legitimiert ist und es Menschen gibt, die auf dieser Basis auch kirchlich heiraten möchten?
Wir haben die „hinkende“ Trennung von Staat und Kirche. Insofern haben die Kirchen das Recht, staatlichen Entwicklungen nicht zu folgen. Das würde ich meiner Landeskirche empfehlen.
Wie werden Sie als Dekan den Prozess steuern? Inwiefern überlassen Sie es den Kirchengemeinden, dafür Lösungen zu finden?
Wir sind eine lutherische Kirche. Das bedeutet: Die Kirchenleitung gibt Ordnungen vor, die das Leben in ihr regeln. Es gibt für mich also keine Notwendigkeit zu steuern, solange unsere Ordnungen mit Bibel und Bekenntnis übereinstimmen.
Welche Handlungsalternativen können den Kirchengemeinden an die Hand gegeben werden. Ist eine Segnung möglich?
Hier sind die Pfarrer und Pfarrerinnen gefragt, nicht die Gemeinden. Nach meiner Meinung kann es sich nur um eine seelsorgliche Begleitung und Beratung handeln, nicht um einen Ritus.
Für wie wichtig halten Sie, dass kein Unfrieden in den Kirchengemeinden entsteht?
Für sehr wichtig! Dieser Konflikt trägt das Potenzial für eine Kirchenspaltung in sich, die niemand einen Vorteil bringen würde. Es geht im Kern ja auch nicht „nur“ um eine ethische Frage, sondern darum, welches Gewicht Gottes Wort im Jahr des Reformationsjubiläums in unserer Kirche tatsächlich und konkret noch hat. Ob evangelisches Profil gesellschaftlich nur zugelassen wird, sofern es den aktuellen Mainstream unterstützt, oder auch, wenn es ihn in Frage stellt. Dahinter wiederum steht die Frage, ob es Gott überhaupt gibt und wenn es ihn gibt, ob er nur ein „Weltprinzip“ ist oder eine Person, die auch einen Willen hat. Ist das so, dann müssen die Kirchen auch in den komplexen und sensiblen Fragen der Gegenwart vor allem eins tun: für sich klären, was Gott will, und das auch sagen, weil die Menschen das brauchen.