Schwarm begeistert es, die zu spielende Figur mit seinen eigenen Ideen zu erarbeiten. Foto: Werner Kuhnle

Schwarm reizen in erster Linie die Figuren, nicht die Stücke oder der Text.

Marbach - Mit einem Marinelli-Bart erscheint Gunnar Schwarm zum Interview. „Nur für kurze Zeit“, sagt der Lehrer schmunzelnd, der sich den Bart extra für seine Rolle in Emilia Galotti hat stehen lassen. „Und der korrupte Financier kommt eben nicht geleckt, sondern ein bisschen ungepflegt daher“ erläutert er die Rolle, an der er kräftig modelliert.

Es ist die dritte Rolle für den Pädagogen, der am Beilsteiner Herzog-Christoph-Gymnasium Deutsch und Französisch unterrichtet und dort, als Orchideenfach, zwei Literatur- und Theaterkurse anbietet. Außerdem leitet er gemeinsam mit seiner Kollegin Heike Weigelt, „von der ich selbst viel gelernt habe“, die Theater-AG an der Schule. Berechtigt dürfte da die Frage sein, weshalb ein Mensch bei einem ohnehin stressigen Beruf auch noch Theater spielt?

Die Antwort von Schwarm ist nachdenklich und überzeugend: „Mich reizen in erster Linie die Figuren, nicht die Stücke oder der Text“, hebt er hervor und fügt hinzu: „Ich nehme Rollen nur an, wenn ich die Figur, die ich spielen soll, wirklich interessant finde“. Schließlich habe er inzwischen feststellen können, wie anstrengend das Theaterspielen neben dem Beruf doch sei und wie es ihn in die Pflicht nehme, bestmöglich zu organisieren. „Und es ist verpflichtend und verbindlich: „Ich muss mir nicht nur die Zeit dafür freihalten, sondern darf ja auch nicht krank sein“.

Beim letzten Punkt spricht Schwarm seine Rolle in der Schachnovelle an, in der er eine der Hauptfiguren, den Dr. B., gab. In der Endphase hatte er sich privat schwer am Kopf verletzt und hätte gar nicht spielen dürfen, zumal die Rolle einen extremen körperlichen Einsatz gefordert hat. „Ich hatte überall blaue Flecken und musste wie ein Irrer am Boden rumwuseln“, erinnert sich Gunnar Schwarm und lacht verwegen. Doch mit „etwas weniger körperlichem Einsatz“ war es dem Schauspieler dennoch geglückt, die letzten drei Aufführungen durchzustehen.

Es gibt aber noch anderes, das Gunnar Schwarm das Schauspiel-Hobby so kostbar macht: „Es ist einfach toll, wenn ich im geschützten, fiktiven Raum vieles ausprobieren kann. Es fördert die ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung und ich erfahre, über den Umweg anderer Lebensentwürfe, auch viel über mich selbst. Das alles bringt mich weiter“. Auswirkungen der Bühnenaktivitäten auf sein Leben sieht Schwarm auch darin: „Ich erkenne, wie ich auf andere wirke oder wie weit ich gehen kann. Außerdem erfahre ich viel über meine eigene Körperlichkeit und wie belastbar ich bin. Das alles reizt mich“.

Für Schwarm stellt es sich faszinierend dar, die zu spielende Figur mit seinen eigenen Ideen zu erarbeiten. „Das ist wie eine lebende Skulptur aus Fleisch und Blut zu gestalten“, schwärmt der Lehrer, der nicht nur einen 27-Stunden-Lehrauftrag hat, sondern auch als SMV-Verbindungslehrer fungiert. Dass er darüber hinaus die Grundlagen der Theaterpädagogik gelernt hat, hilft dem Pädagogen in seinem Alltagsgeschäft. „Das war genau mein Ding. Seither bin ich jährlich auf mindestens fünf Fortbildungen zu dem Thema“, sagt Schwarm und spricht gleich darauf mit großer Anerkennung von seinem Chef Jochen Bär. „Unser Schulleiter unterstützt uns Lehrer stark und hält uns für diese Dinge den Rücken frei“. Etwas, das er nicht als selbstverständlich ansehe.

„Auch was den Theaterbetrieb an der Schule anbetrifft, steht unser Rektor voll dahinter“, freut sich der 36-Jährige, der stolz auf die Leistungen seiner Schüler ist. „Die Theater-AG muss sich keineswegs verstecken“, lobt Schwarm, der weiß, dass einige Talente aus der Beilsteiner Mimen-Schmiede „gefördert und auch zu dem Theaterlabel ,Tacheles und Tarantismus’ weitergereicht wurden“. Es macht ihn glücklich, wenn seine Schüler dadurch das Sprungbrett für eine persönliche Karriere bekommen. So übernimmt etwa Leah Wewoda die Regie für den Kleinen Prinzen bei den Marbacher Theaterfestspielen, Magdalena Kolar die Regieassistenz bei Emilia Galotti, wo Lara Totsche und Jan Schneider auch als Schauspieler auftreten. Mit einigen der Genannten ist Schwarm gemeinsam auf der Bühne zu sehen gewesen. Nicht nur in der Schachnovelle, sondern auch in Krabat, wo er als Lyschko „gleich mit einem Fiesling“ in die Schauspielerei eingestiegen ist. „Das war nicht leicht“, kommentiert der Pädagoge heute, der jedoch erfahren hat, dass seine eigene Bühnenaktivität gut für das Standing bei den Schülern ist. „Das ist Autorität durch Kompetenz“, bringt Schwarm die Tatsache auf den Nenner, dass er aus dem eigenen Erfahrungsschatz schöpfen und somit handwerklich überzeugender vermitteln kann.

Eine gute Beziehung zu seinen Schülern ist dem Lehrer wichtig. „Bindung kommt vor Bildung“, betont Schwarm, der dieses Prinzip auch auf der Bühne anwendet, wo die Respektsperson plötzlich zum Schauspielkollegen wird. „Doch die Schüler sind professionell genug, das richtig einzuordnen“, hat Schwarm mittlerweile erkannt.

Die Theaterfestpiele und die Serie

Das Theaterfestival findet von Donnerstag, 28. Juni, bis Sonntag, 22. Juli, statt. Gespielt wird auf dem Burgplatz und im Schlosskeller. Vier Stücke werden insgesamt gezeigt. Karten gibt es online auf www.reservix.de. Reservix-Vorverkaufsstellen sind in Marbach: Schilleria, Markstraße 15, Beran, Marktstraße 32, und Euli-Service in Rielingshausen. Über die Tourismusgemeinschaft Marbach-Bottwartal sind auch Pauschalarrangements mit Ticket, Programmheft, Übernachtung und Blick hinter die Kulissen erhältlich. Kontakt unter Telefon 0 71 44 / 10 22 97 und -2 50 oder per E-Mail an touristik@schillerstadt-marbach.de.
In einer achtteiligen Serie führen wir auf die Festspiele hin, stellen Stücke und Protagonisten vor.