Die Wahlhelfer haben auch mit der Briefwahl alle Hände voll zu tun. Foto: dpa

Der ehemalige Grünen-Bundestagskandidat Andreas Roll hat die Briefwahl-Unterlagen nicht rechtzeitig bekommen und wird an der Urne abgewiesen.

Marbach - W

er zu spät kommt, den bestraft das Leben. Diese viel zitierten Worte von Michail Gorbatschow an Erich Honecker treffen auch auf Andreas Roll zu. Der ehemalige Grünen-Bundestagskandidat wollte mit seiner Frau Andrea per Brief an der Bundestagswahl teilnehmen, hatte aber Pech. Zwar beantragte er rechtzeitig am Donnerstag vor der Wahl um 10.20 Uhr online bei der Stadt die nötigen Wahlscheine, die Stadt versendete die Unterlagen auch, doch sie kamen erst am Montag an. Als Roll am Sonntag das Wahllokal betrat, durfte er nicht wählen. Er habe ein „W“ hinter seinem Namen auf der Wählerliste, erklärte ihm ein Mitarbeiter der Stadt. Für Roll ging dieses Nein noch in Ordnung. Schließlich werde, so räumt er ein, eine „missbräuchliche Möglichkeit zur doppelten Wahl“ vermieden.

Nicht in Ordnung ist nach Meinung Andreas Rolls jedoch, dass er an dem Sonntag keine Chance mehr bekam, trotzdem seine Stimme abzugeben. Er rief beim Wahlleiter an und traf sich sogar im Rathaus mit ihm zum Gespräch. „Schließlich handelt es sich um ein Grundrecht, ich wollte das nicht so stehen lassen“, erklärt der ehemalige Grünen-Ortsvorsitzende von Marbach. Er sieht die Stadt in der Pflicht. Sie hätte im Wahlbenachrichtigungsschreiben erwähnen müssen, was in einem solchen Fall zu tun ist. Er sieht in der mangelnden Information einen Formfehler. Es hätte beschrieben werden müssen, argumentiert Roll, „dass die Frist, sich einen Wahlschein zu holen, um 12  Uhr des Wahlvortages abläuft“. Er selbst habe erst am Samstagabend sicher gewusst, dass kein Wahlschein mehr mit der Post eintrifft.

Einem Nachbar sei es mit seinem Antrag auf Briefwahlunterlagen ähnlich ergangen, berichtet Roll. Die drei Wochen vor der Wahl bestellten Unterlagen seien nicht eingetroffen. Der Nachbar habe drei Tage vor der Wahl erfahren, dass sie noch nicht versandt worden waren. In diesem Fall sei es noch mal gutgegangen, weil der Nachbar sich bei der Stadt erkundigte. Roll regt an, die Frist bis Samstag um 12 Uhr vor der Wahl im Falle eines Verlustes oder einer verspäteten Zustellung der Briefwahlunterlagen in der Wahlbenachrichtigung anzugeben. Er vermutet zudem, die Verwaltung sei mit der Fülle an Anträgen auf Briefwahl überlastet. Rechtspopulisten würden so unfreiwillig unterstützt.

Anders bewertet Andreas Seiberling, Ordnungsamtsleiter der Stadt Marbach, den Vorgang. Tatsächlich habe die Stadt die Briefwahlunterlagen am gleichen Tag verschickt, nachdem der Antrag der Rolls am Donnerstag „relativ knapp vor der Wahl“ eingegangen war. Die Stadt gehe davon aus, dass die Post Wahlunterlagen „vordringlich“ übermittele. Dennoch gebe es dafür keine Garantie. Das heißt, der Wähler sei selbst dafür verantwortlich, dass er bei Nichteintreffen von Briefwahlunterlagen dennoch an einen Wahlschein komme, um die Sperrung im Wahllokal am Sonntag zu vermeiden. „Wir haben dafür extra am Samstag das Rathaus bis 12 Uhr geöffnet“, sagt Seiberling. Wenn Andreas Roll in dieser Zeit gekommen wäre, hätte er sogar gleich wählen können.

Den Vorwurf, die Stadt habe nicht darüber informiert, was zu tun ist, wenn Briefwahlunterlagen nicht rechtzeitig eintreffen, weist der Ordnungsamtsleiter zurück. „Was man machen kann, wenn Briefwahlunterlagen nicht ankommen, steht in der amtlichen Wahlbekanntmachung.“ Diese Regelungen seien Ende August in den Tageszeitungen, aber auch auf der Internetseite der Stadt und in Aushängen veröffentlicht worden. Es sei also bekannt gewesen, dass sich die Bürger bis zu einem Tag vor der Wahl um einen Ersatzwahlschein bemühen könnten. „Einen Tag vorher ist es noch möglich, die Identität zu klären – am Wahltag stehen diese Kommunikationswege nicht mehr offen: Wir können dann im Wahllokal nicht mehr erkennen, ob jemand gekommen ist, um doppelt zu wählen“, rechtfertigt Seiberling diese Regelung. Eine Ausnahme gebe es für den Sonntag jedoch noch: Wer plötzlich erkrankt, kann zwischen 10  und 12 Uhr einen Ersatzwahlschein beantragen und jemanden beauftragen, der für ihn die Stimme abgibt. „Dann wird der alte Wahlschein für ungültig erklärt.“

Das Landratsamt Ludwigsburg bestätigt auf Anfrage unserer Zeitung, dass in allen Wahlbenachrichtigungen bundesweit ein Hinweis darauf fehlt, bis wann ein neuer Wahlschein abgeholt werden kann, falls die beantragten Briefwahl-Unterlagen nicht rechtzeitig eintreffen. Bei der Bekanntmachung der Gemeindebehörde werde aber unter Punkt 5.2 c) erläutert, bis wann eine persönliche Abholung des Wahlscheins im Falle eines Verlusts auf dem Postweg möglich ist.