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Die Gegner einer verbindlichen Ganztagschule an der Marbacher Grundschule formieren sich. Sie wünschen sich auch ein Angebot für Kinder, die früher nach Hause sollen.

Marbach - Sollte die verbindliche Ganztagsschule womöglich bereits im Schuljahr 2016/2017 in der Marbacher Grundschule eingeführt werden (wir berichteten), hat Annabell Annoff einen Plan. „Dann suchen wir für unsere Tochter, die in zwei Jahren eingeschult wird, eine Alternative.“ Die ältere Tochter wird bis dahin bereits die vierte Klasse besuchen.

Vor allem aber in den ersten beiden Grundschulklassen sei ein bis zu achtstündiger Schultag, viermal wöchentlich, für die Kinder zu lang, sagt die Mutter. Zumal es in Marbach an Räumlichkeiten fehle, wohin sich die Schüler zurückziehen könnten. Der bereits jetzt stattfindende Ganztagesbetrieb werde in ganz gewöhnlichen Klassenzimmern abgehalten. Der Lärmpegel sei so hoch, dass gerade die Jüngeren sich unwohl fühlten. Aus Annabell Annoffs Sicht verschärft sich das Problem, wenn für alle Schüler verbindlich auch am Nachmittag Anwesenheitspflicht herrscht.

Aber eigentlich hofft die Elternbeirätin, die auch in der Schulkonferenz mit am Tisch sitzt, dass es gar nicht so weit kommt. Mit einer Online-Petition will sie das verbindliche Modell noch abwenden. Wohlgemerkt nur dieses, „denn dass es ein Ganztagsangebot braucht, ist doch selbstverständlich“.

Seit einer Gesetzesnovelle vom 1. August 2014 haben die Schulen die Möglichkeit, sich zwischen der verbindlichen Ganztagsschule und der sogenannten Wahlform zu entscheiden. Die Landesregierung hat damit den Ausbau der Schulen zu Ganztagsschulen auf der Prioritätenliste ganz nach vorne gesetzt. Kritik kam seinerzeit vor allem von Vertretern der CDU und FDP im Landtag, die bemängelten, dass sich die Schüler dem Ganztagsbetrieb nicht entziehen könnten und es somit kein freiwilliges Angebot sei.

Diese Verbindlichkeit ist auch Annabell Annoff gegenüber immer wieder missbilligt worden. Beispielsweise von Alleinerziehenden oder von Familien, die auf ein doppeltes Einkommen angewiesen sind – mit Eltern also, die von dem Plus an Betreuung abhängig sind. „Selbst diejenigen sagen, die Verpflichtung finden sie nicht gut.“

Die meisten allerdings, die Annabell Annoff anspricht, schweigen. „Weil sie einfach noch nichts davon gehört haben, dass in Marbach über eine verbindliche Ganztagsschule nachgedacht wird.“ Und genau hier setzt ihre Kritik an: An der aus ihrer Sicht mangelhaften Informationspolitik über das Vorhaben. Der Kreis der Eingeweihten bestehe im Prinzip lediglich aus der Schulkonferenz, sprich, aus sechs Eltern und ebenso vielen Lehrern, aus der Stadtverwaltung und neuerdings aus Vertretern aus der Lokalpolitik. Am 5. März habe es eine Schulkonferenz mit Mitgliedern des Gemeinderates gegeben, die über die Pläne informiert wurde. Das Gremium habe zwar letztendlich über die Einführung des Schulmodells zu entscheiden, an der Meinungsbildung sollten aber vor allem die betroffenen Eltern beteiligt sein, wünscht sich Annoff.

Zumal derzeit nur rund 50  Prozent der Schüler die bereits existierende Ganztagsschule im Schulversuch besuchen. Für Annoff ein klares Zeichen, dass die andere Hälfte der Elternschaft ihre Kinder nicht ganztags unterrichten lassen möchte. Darüber hinaus nähmen rund 100 Eltern lieber Geld für die Kernzeitbetreuung in die Hand, als dass sie ihr Kind für den Ganztagsbetrieb anmelden. Auch das wertet die Elternbeirätin entsprechend.

Laut Annabell Annoff sollte schon wegen dieser Fakten über Alternativen nachgedacht werden. Vorstellbar seien etwa drei Ganztags- und drei Halbtagsklassen. „Das wäre dann wie eine Schule in der Schule“, kompliziert zwar, aber ihrer Einschätzung nach nicht unmöglich.

Diese sogenannte vertikale Lösung ist laut Schulleiter Wolfgang Röslin „auch eine jener Möglichkeiten, die in Betracht kommen“. Er sieht die Umwandlung der bisherigen Ganztagsschule als Schulversuch in eine gesetzliche Form „als ergebnisoffen, ohne Eile, weil wir keinen Zeitdruck haben“. Vorsichtig deutet er damit an, dass sich der Prozess über das Schuljahr 2016/2017 hinweg hinausziehen könnte. Der Antrag müsste dann nämlich bis zum 1. Oktober bei den Staatlichen Schulämtern und bis zum 1. November beim Regierungspräsidium gestellt werden. Das Thema soll aber erst nach dem Schulfest am 8.  Mai wieder auf die Agenda.

Solange der Prozess allerdings am Anfang steht, hält die Schulleitung die Eltern absichtlich außen vor. „Erst, wenn wir ein Stück weiter sind, und ich das Vorhaben mehr präzisieren kann als momentan, ergibt das einen Sinn“, sagt Röslin. Der aber auch die Elternvertreter in der Pflicht sieht. Denn dass die Diskussion über die Zukunft der Ganztagsschule in Marbach angekommen sei, „darüber müssen die gewählten Vertreter, etwa in den Klassenpflegschaftsabenden, informieren“.