Toni Carneiro Foto: Dominik Thewes

Toni Carneiro macht es nichts aus, in der zweiten Reihe zu stehen. Wichtig sind dem Interimstrainer des FC Marbach andere Dinge.

Marbach -

Als Toni Carneiro das Eiscafé in Marbach betritt, schaut er sich erst einmal interessiert um. Kurz darauf nimmt er Platz. Eine Getränkekarte braucht er nicht, er hat sich schnell entschieden. Für einen Pfefferminztee. „Kaffee trinke ich nur selten“, sagt er. „Lieber mag ich Kakao oder Tee“, fügt er schmunzelnd hinzu. Die Liebe zum Kakao hat er durch seine vierjährige Tochter wiederentdeckt. Mit ihr gönnt er sich regelmäßig ein schokoladiges Heißgetränk. Jetzt gibt es aber Tee. Mit Zucker versteht sich. Nach seiner Bestellung lehnt sich Antonino, von allen Toni genannt, zurück, lächelt und strahlt eine innere Gelassenheit aus, wie sie nur wenige Personen verströmen. Es ist die ruhige Art, die einem an Toni Carneiro als erstes auffällt. Auch, wenn man ihn auf dem Sportplatz und nicht im Café trifft. Der 38-Jährige agiert meist im Hintergrund, nimmt sich stets zurück, anstatt sich in den Vordergrund zu stellen. Bei Interviews macht er sich meist schnell vom Acker, lässt anderen den Vortritt. Spricht man mit ihm, merkt man jedoch sofort: Seine Aussagen wählt er mit Bedacht, nicht vorschnell. Das, was er sagt, hat Hand und Fuß. Zudem kristallisiert sich bei fast jedem seiner Sätze eines heraus: Toni Carneiro ist ein echter Teamplayer. Einer, der stets die Mannschaft, den Verein, das große Ganze hervorhebt. Nicht sich selbst, seine Leistung und sein Fachwissen. Er ist kein Selbstdarsteller. Dabei hat er in seiner Fußballerkarriere schon einiges erlebt, viele Erfahrungen gesammelt und könnte durchaus in der ersten Reihe stehen, als Cheftrainer beim FC Marbach agieren. Nicht nur interimsmäßig, wie der momentane Plan lautet. „Ich traue mir das durchaus zu“, sagt er, fügt aber auch an: „Es ist mir nicht wichtig, Cheftrainer zu sein. Es geht mir nicht um meine Person. Ich fühle mich in meiner bisherigen Rolle als Co-Trainer sehr wohl. Denn es ist nicht schwer, in der zweiten Reihe zu stehen.“

Mit Matteo Battista war der Portugiese vergangene Saison in der Winterpause von der SpVgg 07 Ludwigsburg zum FC Marbach gewechselt. Als Battista sein Engagement nach der Saison beendete, blieb Carneiro dem Verein treu, wurde Co-Trainer von Manuel Wengert. „Mit beiden war es sehr einfach. Sie haben mir nie das Gefühl gegeben, in der zweiten Reihe zu stehen. Ich konnte stets meine Meinung sagen, meine Ideen einbringen und war auch im Training von allen akzeptiert“, berichtet er. Alles andere hätte dem Familienvater auch keinen Spaß gemacht. „Ich bin kein Hütchenträger“, macht er klar. Vielmehr möchte er Kumpel und Autoritätsperson zugleich sein. „Als Cheftrainer muss man etwas Distanz zu den Spielern wahren. Als Co-Trainer kann ich näher dran sein“, sagt er. Und genau das ist es, was Toni Carneiro an dieser Aufgabe so sehr reizt. So oft wie möglich sucht er deshalb das Gespräch mit den Spielern. Vor allem mit denjenigen, die nicht ganz so oft zum Einsatz kommen. „Sie sind für den Erfolg einer Mannschaft genauso wichtig wie die, die auf dem Feld stehen“, sagt er und erklärt: „Ohne sie hätten wir nämlich keinen Konkurrenzkampf im Kader. Sie bringen ihre Klasse mit ein, und das bringt alle nach vorne“, sagt er. Carneiros Devise: „Erfolg kann man nur gemeinsam haben und wenn man sich wohlfühlt.“ Er selbst fühlt sich pudelwohl beim FC, wiegelt deshalb gerade alle Angebote ab. Ob als Co- oder als Cheftrainer. Das macht ihn geradlinig, sympathisch und zeigt: Carneiro ist zufrieden mit dem, was er hat. Er ist keiner, der auf Teufel komm raus nach oben strebt. Wenn er einen Platz gefunden hat, an dem er sich wohlfühlt und an dem er Spaß hat, „warum sollte ich dann was verändern?“, meint er und erklärt: „Da, wo man sich wohlfühlt, kann man doch seine beste Leistung bringen.“ Verschließen tut sich der 38-Jährige vor einmaligen Chancen aber auch nicht. Er sagt: „Was die Zukunft bringt, sieht man. Ich könnte mir schon vorstellen, auch einmal eine Jugendmannschaft in einer höheren Liga zu trainieren.“ Was sich der Portugiese aber gar nicht vorstellen kann, ist, Trainer einer zweiten Mannschaft zu sein. „Wenn ich irgendwo arbeite, dann immer bei der ersten Mannschaft“, sagt er und trinkt einen großen Schluck von seinem inzwischen lauwarmen Pfefferminztee.

Diese Linie fährt der gebürtige Markgröninger nicht erst seit gestern. Bereits als Spieler hat Toni Carneiro stets nur in der ersten Mannschaft agiert. Angefangen mit dem Fußball hat er in der E-Jugend beim FV Markgröningen, ehe er in der A-Jugend zum SGV Freiberg wechselte. Neun Jahre blieb er dort, war in dieser Zeit bei drei Aufstiegen mit dabei. „Von der Landesliga bis in die Oberliga habe ich dort alles mitgemacht“, erinnert er sich gerne an diese Zeit zurück. Nicht nur, weil er in jener Phase gemeinsam mit seinem Bruder José Carneiro von seinem Lieblingsverein FC Porto zum Sichtungstraining eingeladen wurde. Sondern auch, weil er auf Matteo Battista traf, mit dem er im vergangenen Jahr ja nach Marbach kam. „Matteo hat beim VfB Stuttgart gespielt und wir hatten oft Spiele gegeneinander. Da haben wir uns angefreundet“, erzählt der ehemalige Offensivakteur. Von Freiberg führte ihn sein Weg weiter zum TSV Schwieberdingen (Landesliga), zum TSV Münchingen (Landesliga), zum SV Poppenweiler (Kreisliga) und zum TSV Affalterbach (Bezirksliga).

In Poppenweiler stand Toni Carneiro nicht nur als Spieler und spielender Co-Trainer auf dem Feld, er agierte auch drei Jahre lang als Cheftrainer der ersten Mannschaft. „Außerdem war ich mal kommisarisch Abteilungsleiter“, erzählt er. Diese Zeit hat ihn geprägt. „Da habe ich gesehen, wie wichtig jede einzelne Funktion in einem Verein ist. Das eine geht ohne das andere nicht“, ergänzt der Mann, der im kaufmännischen Bereich bei der Firma Olymp in Bietigheim arbeitet. Auch dort wurde ihm klar: „Erfolg kann man nur haben, wenn man gemeinsam an einem Strang zieht.“ Wenn man sich selbst nicht in den Vordergrund stellt, sondern die Mannschaft. Nach diesem Motto handelt Carneiro auch heute noch – und würde es auch weiterhin gerne beim FC Marbach tun. Als Co-Trainer versteht sich. Wer auf den gekündigten Cheftrainer Manuel Wengert folgt, ist noch unklar. Sicher ist nur: Bis diese Entscheidung gefallen ist, hat Carneiro das Sagen. Und diese Aufgabe geht er an wie alles andere bisher auch: gelassen, ruhig und mit einem Plan im Kopf.

Pläne hat er auch nach seinem Pfefferminztee und dem Besuch im Eiscafé. Er will in die Stadt. Etwas Zeit mit seiner Familie verbringen, verrät er. Und vielleicht noch einen Kakao mit seiner kleinen Tochter trinken.