Gunnar Schwarm spielt Dr. B., Leah Wewoda schlüpft in die Rolle des Schachweltmeisters Mirko Czentovic. Foto: Werner Kuhnle

Bei den Proben zur Schachnovelle geht es akribisch, kreativ und fleißig zu.

Marbach - Laut Regisseur Philipp Wolpert wird es „eine psychische Odyssee“, die der Zuschauer mit der Aufführung der „Schachnovelle“ erleben soll. Stefan Zweig hat sie während des Zweiten Weltkriegs geschrieben. Der 23-jährige Medienstudent Tobias Frühauf hat die Bühnenfassung dazu kreiert, die im September im Schlosskeller uraufgeführt wird. „Durch sie wird das Publikum mittels kontrastreicher „Hoch und Tiefs, durch Tragik und Komik aus dem Alltag gerissen“, mutmaßt der Jungregisseur. Er bringt das Stück mit den Schauspielern Leah Wewoda, Thomas Feyer-abend, Uwe Petruschka, Jan Schneider sowie Gunnar Schwarm auf die Bühne. Als Sprecher fungiert Fabian Egli, der einzige Profischauspieler innerhalb der Gruppe.

Gunnar Schwarm wiederum ist Lehrer am Herzog-Christoph-Gymnasium in Beilstein und setzt sich dort auch als Theaterpädagoge für seine Schüler ein. Doch schon mit der Theaterinszenierung von Krabat wechselte er das Lager und wirkte da, vor gut einem Jahr, in der Rolle des Lyschko mit. „Ich war froh, als ich ihn los war“ sagt Schwarm heute zu der nachhaltigen Wirkung der Charakterrolle. In Stefan Zweigs Schachnovelle spielt er den Dr. B., ein Mann mit inneren Dämonen und psychischen Störungen, der sich durch Gestapo-Verhöre und Einzelhaft vom Wahnsinn bedroht sieht. Ein anspruchsvoller Charakter, der den Mimen herausfordert. „Schließlich gilt es immer wieder, den emotionalen Trigger zu finden“, beschreibt Schwarm das Kunststück, in die Emotionalität eines anderen zu schlüpfen, den man nicht kennt und dessen Denkstrukturen in einem selbst, so nicht immer angelegt sind. „Es gilt, das alles irgendwie aus mir herauszukitzeln“, so Schwarm, der beim Spielen aber auch festgestellt hat, „dass der Wahnsinn manchmal auch in einem selbst steckt“. Mit bedrohlichen und unangenehmen Gefühlen umzugehen, das fordert nämlich seine Rolle von ihm, der als Dr. B. von Gestapo-Leuten mitunter brutal verhört wird. „Ich stelle mir dann vor, ich sei beim Zahnarzt“, erklärt Schwarm, wenn er sich auf der Bühne entsprechend konditionieren will; so, dass „jede Zelle meines Körpers auf Fluchtreflex gebürstet ist“. Das jedenfalls helfe ihm schon, um authentisch spielen zu können.

Auch Schwarms ehemalige Schülerin Leah Wewoda steht vor schwierigen Aufgaben. In der Rolle als Schachweltmeister Mirko Czentovic und Kontrahent von Dr. B. am Schachbrett, ist für sie die Körperlichkeit die besondere Aufgabenstellung, weil weniger über den Text läuft. „Es passiert bei ihm viel über den Körper, ohne was zu sagen“, markiert sie ihre Rolle als Czentovic, den sie als habgierig, plump und arrogant kennzeichnet. „Kein sympathischer Kerl, aber eben an der Spitze“, lautet das Fazit ihres Rollenpsychogramms. „Ich liebe es, mich auszuprobieren“, deutet sie den Umstand, immer noch ein wenig auf der Suche zu sein, wie sie den Mann signifikant darstellt. Bei dieser Suche seien sogar schon Ohrfeigen gefallen. „Doch die haben wir nicht übernommen“, sagt sie schmunzelnd und verweist mit Gunnar Schwarm auf das große Durchhaltevermögen des Teams. „Wir haben an den Schachpartien immens gefeilt und bis aufs Kleinste geprobt. Darin find ich uns ziemlich stark“, ergänzt Schwarm. Und der fügt hinzu: „Jeder persönlich hat hier den Anspruch, sich das Mögliche abzuverlangen. Das wächst mit jeder Woche und ist das, was nachher auch das Niveau ausmacht. Regisseur Philipp Wolpert setzt obendrauf: „Ich habe hier lauter glaubhafte Figuren auf der Bühne. Das ist es, wofür ich diese Gruppe liebe.“