Ob mit Wasserfarben, Schere oder Stift – die Schüler können die mitgebrachten Bücher nach Herzenlust verändern. Foto: Julia Amrhein

Im Rahmen der Kulturakademie der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg beschäftigen sich 20 Schüler eine Woche lang im Deutschen Literaturarchiv näher mit dem Medium Buch. Die Hauptaufgabe ist es, ein Werk, das den Jugendlichen nicht gefallen hat, zu verändern.

Marbach - Ich brauche nur noch Schleifpapier, dann bin ich mit meinem Buch fertig“, verkündet Till, 14 Jahre alt. Das hört sich im ersten Moment komisch an, macht aber viel Sinn, wenn der Nachwuchsliterat seine Idee vom „gemobbten Buch“ erklärt. Ein Geschichte, die sich um das Thema Mobbing dreht, könne doch auch äußerlich entsprechend „schikaniert“ aussehen?

Gemeinsam mit 19 anderen Schülern aus sechsten bis achten Klassen nimmt Till derzeit an der Kulturakademie der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg teil. Die Jugendlichen verbringen eine Woche im Deutschen Literaturarchiv (DLA), um sich dort mit dem Medium Buch zu beschäftigen. Seit sechs Jahren gibt es die Akademie für schreibbegabte und literaturbegeisterte Jugendliche bereits. Die Bewerbung für einen Platz erfolgt über eine Aufgabe und Empfehlung durch einen Lehrer. „Dieses Mal kommen Teilnehmer sowohl von nebenan, als auch aus dem tiefsten Schwarzwald angereist“, erklärt Silke Scheuermann. Die Autorin leitet gemeinsam mit Schriftsteller Matthias Göritz die Kulturakademie.

Dabei fungieren sie nicht nur als Lehrer, die ihren Schützlingen das Schreiben näher bringen, sondern werden oft lebenslang zu Mentoren. „Man hält schon Kontakt, auch nach der Akademie“, so Scheuermann. Eine ehemalige Teilnehmerin habe etwa kürzlich bei Carlsen einen eigenen Roman veröffentlicht. „Die meisten bleiben an der Literatur dran“, so Matthias Göritz.

Für den aktuellen Jahrgang steht aber erst die Woche im Literaturarchiv an. Am Montag sind sie angereist, dann wurde die momentane Ausstellung besucht. „Wir wollen bei der Hauptaufgabe immer einen thematischen Bezug herstellen“, erklärt Scheuermann. Daher sollten alle Schüler ein Buch mitbringen, das ihnen in Teilen nicht gefallen hat. „Und diese Stellen sollen sie ändern“, führt Matthias Göritz aus. Dabei lasse man den Jugendlichen freie Hand. „So entsteht aus dem Material Buch ein neues Objekt“, sagt Sandra Potsch, die im DLA arbeitet und die Kinder durch die Ausstellung „Das bewegte Buch“ geführt hat.

Dabei gab es zu Beginn Skrupel, geben die Schüler zu. „Man hat Respekt vor den Büchern. So was macht man ja sonst nicht“, meint der 13-jährige Nick, dessen Buch mit Kunstblut verziert ist. „Ich habe noch nie vorher ein Buch schlecht behandelt“, stimmt Till zu. Ist die Hemmung gefallen, toben sich die Jugendlichen aber kreativ aus. Besonders rigoros geht Jakob, 13 Jahre, vor. „Ich fand den Mittelteil blöd, also habe ich ihn rausgenommen.“ Stattdessen klafft nun ein Loch im Buch, im Buchrücken steckt ein Schild , dass die fehlenden Seiten in einem Satz zusammenfasst. Mareike hat „langweilige Kapitel“ zur Blume gefaltet.

Ein spezielle Wahl, was das Buch angeht, hat die 15-jährige Hannah getroffen. Sie hat die Bibel mitgebracht. Sie achte aber darauf, respektvoll mit dem Text umzugehen. Ihre Kommentare und Änderungen schreibe sie daher auf separate Zettel, die sie dann in die Bibel legen will. „Manche Geschichten schreibe ich als Tagebucheinträge um.“

Doch dann werden die Scheren einmal kurz zur Seite gelegt. Eine Schülerin liest einen eigenen Text vor – ein Kapitel, das auch der Anfang eines Buchs sein könnte und gespannt macht auf all das, was diese jungen Autoren in Zukunft noch bewegen werden. Das Potenzial ist definitiv da.