Gisela Hack-Molitor hat schon lange Interesse am Thema „Digitale Welten“. Foto: Dominik Thewes

Erstmals findet das Marbacher Forum Zeitgeschehen statt. Dabei wird es um die Digitalisierung gehen.

Marbach - Mit den Akademietagen hat die Schiller-VHS in Bietigheim einen Volltreffer gelandet. Nun überträgt die Volkshochschule mit ihrem Leiter Jürgen Schmiedel an der Spitze das Konzept auf die Schillerstadt. Dort firmiert die mehrtägige Veranstaltung unter dem Namen Marbacher Forum Zeitgeschehen. Jürgen Schmiedel sowie die Organisatoren Gisela Hack-Molitor, Horst Engelmann und Armin Hüttermann erklären im Interview, worum es geht und welchem Thema man sich zur Premiere widmen wird.

Herr Schmiedel, das erste Marbacher Forum Zeitgeschichte steht vor der Tür. Wie ist das Projekt entstanden?
Schmiedel: Die VHS bietet mit den Akademietagen in Bietigheim-Bissingen schon eine ähnliche Veranstaltung an. Dort habe ich mich umgeschaut und gesehen, dass auch Horst Engelmann teilnimmt, der aus Erdmannhausen kommt und den ich kannte. Ich fragte ihn, ob er sich vorstellen kann, so etwas auch in Marbach aufzuziehen.
Und er hat gleich Ja gesagt?
Schmiedel: Genau. Dann haben wir uns überlegt, wen wir darüber hinaus einbinden könnten. So kamen nach und nach Hans Martin Gündner, Gisela Hack-Molitor, Armin Hüttermann und von der Stadt der Hauptamtsleiter Thomas Storkenmaier mit ins Boot.
Allesamt Personen, die sich ohnehin schon ehrenamtlich einbringen.
Hüttermann: Das ist immer so. Wir sind aber – bis auf Frau Hack-Molitor – auch schon im Ruhestand, wissen also nicht, was wir mit unserer Zeit anfangen sollen (lacht).
Lag es nahe, ein Wissensforum in Marbach zu etablieren?
Schmiedel: Ich denke schon. Der Anteil an Bildungsbürgern in Marbach und Umgebung ist relativ hoch. Insofern müsste es sich auch hier tragen.
Das Einzugsgebiet geht folglich über Marbach hinaus?

Schmiedel: Absolut. Das soll schon ausstrahlen. Wir sprechen auch Interessenten in Ludwigsburg oder Remseck an. Da setzen wir keine Grenzen. Das Forum Zeitgeschehen wird bewusst auch mit einem halbjährigen Abstand zu Bietigheim auf die Beine gestellt, sodass Besucher gut an beiden Veranstaltungen teilnehmen können. Hüttermann: Man muss zudem sehen, dass auch jeweils andere Themen im Fokus stehen. Es können also durchaus dieselben Leute zu uns kommen, die auch nach Bietigheim gehen.

Schmiedel: Selbst wenn es bei einem Thema mal Überschneidungen geben sollte, wären doch die Referenten andere.
Welche Themen wurden bis jetzt in Bietigheim beleuchtet?
Schmiedel: Unter anderem ging es um Weltregionen, die Globalisierung oder auch die Macht der Medien. Also ein sehr vielfältiges Spektrum.
In Marbach greift man zur Premiere hingegen die „Digitalen Welten“ auf und was damit zusammenhängt. Wessen Vorschlag war das?

Hüttermann: Da haben wir hin und her diskutiert, und auf einmal war es da. Hack-Molitor: Ich habe diesen Komplex favorisiert. Das ist ein Thema, das mich schon lange interessiert. Ich glaube, dass es auch vielen anderen so geht, weil es die Leute unmittelbar berührt – sowohl in ihrer Arbeitswelt als auch privat. Man muss nur an die Angst vor dem Datenklau denken. Oder den Aspekt der künstlichen Intelligenz mitsamt dem Einsatz von Robotern. Und wie verhält es sich mit selbst fahrenden Autos? Was passiert da? Die Entwicklung schreitet so schnell voran, dass hier wohl jeder Anknüpfungspunkte findet. Dabei schafft es keiner so recht, auf den aktuellen Stand der Dinge zu kommen.

Engelmann: Außerdem haben wir uns um ein neues Thema bemüht, das nicht schon von Bietigheim abgedeckt worden war. Wichtig war für uns auch die Kooperation mit dem Friedrich-Schiller-Gymnasium. Wir haben ja auch einen Programmpunkt, der sich dem Lernen in der digitalen Welt widmet.
Wie hat man sich die Kooperation mit dem FSG in der Praxis vorzustellen?

Engelmann: Zum einen gibt es einen Vortrag von Lehrerinnen aus dem FSG. Zum anderen haben wir uns gedacht, dass auch Schüler in die Kurse zu uns kommen. Hack-Molitor: Dahinter steckt auch die Idee, dass Marbach eine Schulstadt ist mit dem größten Gymnasium in Baden-Württemberg. Da passieren so viele fortschrittliche Dinge. Das Thema Digitalisierung ist in vielen Fächern enorm wichtig. Speziell im Kunstprofil Intermediale Kommunikation, kurz Kimko. Und genau jene beiden jungen und engagierten Lehrerinnen, die Kimko leiten, haben wir für einen Vortrag gewonnen. Im Idealfall sind auch Schüler dabei, die erzählen, wie es funktioniert. Auf diese Weise erfahren die Teilnehmer, wie Kinder und Jugendliche heute ticken und wie sich Schule verändert. Man will ja nicht den Anschluss verlieren.

Hüttermann: Ergänzen sollte man, dass wir das Ganze auch etwas anders aufziehen als Bietigheim. Wir bieten neben Vorträgen als Ergänzung auch zwei Führungen an. Zum einen bei Hainbuch, wo erläutert wird welche Rolle die Digitalisierung im Unternehmen spielt. Zum anderen im Literaturarchiv, das die Auswirkungen der Digitalisierung aus seiner Warte darstellen wird. So kann man vor Ort mal mit den Leuten sprechen, die direkt betroffen sind.
Wie ist das alles zeitlich getaktet?

Schmiedel: Besagte Führungen sind am 31. März und am 4. April, Vortragstage sind der 29. und 30. März. Eine Auftaktveranstaltung wird es am 13. März in der Stadthalle geben. Hack-Molitor: Yvonne Hofstetter wird an diesem Abend über das Thema ihres Buchs „Das Ende der Demokratie. Wie künstliche Intelligenz die Politik übernimmt und uns entmündigt?“ sprechen. Sie ist eine Geschäftsfrau, die mit ihrem Unternehmen in der Nähe von München Systeme aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz herstellt. Sie ist auch aus Talkshows im Fernsehen bekannt und erfolgreiche Buchautorin, war mit ihrem Buch „Sie wissen alles“ auf der Spiegel-Bestsellerliste. Wer, wenn nicht so jemand kann Auskunft geben über die Gefahren, die in der Technik lauern? Außerdem ist eine Gesprächsrunde geplant, die ich moderieren werde. An diesem Abend wirkt Herr Schneider von der Buchhandlung Taube als Kooperationspartner mit. Hüttermann: Die Auftaktveranstaltung soll Appetit machen auf das weitere Programm, das dann zwei Wochen später startet. Wir hoffen, dass möglichst viele Leute kommen und anschließend die Vorträge buchen.

Schmiedel: Die Auftaktveranstaltung ist kostenlos, eine Anmeldung ist auch nicht erforderlich. Für die weiteren Angebote wird ein Betrag von insgesamt 50 Euro erhoben. 13 Anmeldungen liegen bislang vor.
Auf wie viele Teilnehmer hoffen Sie?
Schmiedel: 80 wären sehr gut, 100 super. In Bietigheim ging es mit 80 Besuchern los. Inzwischen interessieren sich für die Akademietage um die 200 Leute. Es wäre natürlich schön, wenn wir diese Zahl irgendwann auch in Marbach erreichen würden.
Dort geht es nach dem Auftakt am 29. und 30. März mit jeweils drei Vorträgen weiter.

Schmiedel: Richtig. Wobei nach jedem Referat eine Pause angedacht ist, in der man sich über das Gehörte austauschen, aber auch etwas essen und trinken kann.

Hack-Molitor: Als Referentin am 29. März wird unter anderem Dr. Gesine Hofinger zu Gast sein. Sie ist Psychologin in Ludwigsburg und will beispielsweise aufzeigen, wie Menschen früher auf technische Neuerungen reagiert haben und ob das vergleichbar ist mit dem, was man heute beobachten kann. Zweiter Referent ist Professor Dr. Dominik Schoop von der Hochschule Esslingen, der etwas zum Datenschutz und zur Datensicherheit sagen wird. Zuletzt werden dann Anja Abele und Nicola Höllwarth vom FSG das Fach Kimko vorstellen.
Sind das jeweils Frontalvorträge oder können die Zuhörer auch Fragen loswerden?

Engelmann: Die Referenten werden höchstens eine Stunde sprechen, anschließend wird es eine Fragerunde geben. Die Vortragenden sollen auf keinen Fall nur etwas herunterlesen, sondern das Ganze anschaulich aufbereiten. Hack-Molitor: Die Diskussionsmöglichkeit ist ganz wichtig. Die Leute haben ja auch Fragen. Das soll keine einseitige Geschichte werden. Es wird immer auch einen Moderator geben.

Schmiedel: Außerdem wollen wir die Resonanz einfangen. Deshalb werden wir mit Feedbackbögen arbeiten. So möchten wir ergründen, was falsch lief und was man vielleicht besser machen müsste. Nach Wünschen und Anregungen erkundigen wir uns auch. So sind wir in Bietigheim oft schon auf das nächste Thema der Akademietage gestoßen.
Worauf dürfen sich die Teilnehmer in Marbach am letzten Vortragstag des Forums Zeitgeschehen freuen?

Schmiedel: Dr. Roland Kamzelak vom Deutschen Literaturarchiv wird über die Digitalisierung in Archiven berichten. Professor Dr. Petra Grimm von der Hochschule der Medien in Stuttgart befasst sich mit Werten in der digitalen Gesellschaft. Hack-Molitor: Mit dem Menschen in seiner digitalen Umgebung setzt sich Professor Dr. Jörg Eberspächer von der Technischen Uni in München auseinander. Er ist sicher der bekannteste Referent. Der Kontakt kam über Hans Martin Gündner zustande, der auch Professor Schoop gewinnen konnte. Schmiedel: Das ist oft so, dass man die Vortragenden anfangs aus dem näheren und weiteren persönlichen Umfeld gewinnt. Irgendwann erschöpft sich das aber und man muss über andere Kanäle suchen. Meistens geschieht das dann übers Internet oder man informiert sich, wer zu welchem Thema ein Buch veröffentlicht hat. Hüttermann: Dazu hält man im Netz Ausschau nach Filmen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie die Menschen reden. Wir wollen schließlich keinen Experten einladen, der sein Thema nicht allgemein verständlich vermitteln kann. Hack-Molitor: Das soll populärwissenschaftlich sein. Wenn man richtig gut ist, kann man die kompliziertesten Themen verständlich herunterbrechen.

Engelmann: Es soll nicht zu sehr ins Akademische gehen und auf keinen Thesenstreit mit anderen Gelehrten verwiesen werden.
Wenn es nicht zu wissenschaftlich werden soll: Welches Publikum hat man dann im Sinn?
Schmiedel: Wir freuen uns über jeden Teilnehmer. Es gibt viele Menschen mit viel Freizeit, und die wollen etwas Sinnvolles machen. Das ist eine Art Weiterbildung. Es wäre auch schön, wenn wir viele Schüler bei uns begrüßen könnten.
Für Berufstätige könnte der Termin unter der Woche aber eher ungünstig liegen.

Hack-Molitor: Es ist schon so, dass man beruflich flexibel sein muss, um das Angebot wahrnehmen zu können, und das Format eher diejenigen anspricht, die vom Job her nicht gebunden sind.

Schmiedel: Natürlich hätten wir auch einen Termin am Wochenende wählen können. Ich glaube aber, dass gerade da die meisten andere Prioritäten setzen. Aber die Veranstaltungstage sind nicht in Stein gemeißelt. Wenn es in Zukunft eine bessere Lösung gibt, werden wir uns dem nicht verschließen. Wir stehen erst am Anfang.
Das hört sich so an, als sollte das Forum Zeitgeschehen eine feste Einrichtung werden?

Schmiedel: Das sollte jährlich stattfinden. Hüttermann: Wir gehen von einem Erfolg aus. Engelmann: Das soll eine Marbacher Institution werden.

Hack-Molitor: Wir arbeiten auch schon an Themen für die Zukunft. Worauf es letztlich hinauslaufen wird, haben wir jedoch noch nicht festgezurrt.