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Millionen Tonnen von Lebensmitteln landen jährlich in Deutschland im Müll. In Marbach gibt es gegen die Verschwendung jetzt eine Foodsharing-Initiative.

Marbach - Jährlich enden in Deutschland 18 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll – 40 Prozent davon sind Reste von Verbrauchern aus Privathaushalten. „Den krassen Auswüchsen des Überflusses entgegenwirken“, will Eva Kissel, die Foodsharing über soziale Netzwerke ehrenamtlich organisiert. In Marbach lädt die 27-jährige Neubürgerin, die im Deutschen Literaturarchiv als Bibliothekarin arbeitet, die Marbacher ein, sich zu vernetzen. So können sie anderen Reste anbieten oder umgekehrt Lebensmittel von anderen verwerten.

Alleine ist Eva Kissel mit ihrer Mission nicht. Unterstützt wird sie von Andrea von Smercek, die in der Marbacher Stadtverwaltung das bürgerschaftliche Engagement fördert. „Man kann im Kleinen anfangen und sich mit Nachbarn zusammentun“, sagt von Smercek und erzählt von ersten Erfahrungen im Hörnle. „Da hat jemand in der WhatsApp-Gruppe mitgeteilt, dass er die Erdnussbutter nicht mag – kurz darauf meldete sich jemand, dessen Sohn danach verrückt ist.“ Oder nach einem Fest seien viele Lebensmittel übrig geblieben. „Sie konnten dann abgeholt werden.“

Wichtig ist, dass für Lebensmittelreste nicht weit gefahren werden muss. Eva Kissel will deshalb Netzwerke in Marbacher Stadtvierteln anregen. „Bisher gibt es nur einen Foodsharing-Bezirk für Ludwigsburg – und Marbach gehört dazu“, berichtet sie. Man müsse die Vereinsform diskutieren. Kissel hält sie insbesondere für ratsam, wenn sich Bürger noch stärker einbringen und als registrierte Foodsaver helfen wollen. „Dabei geht es darum, nicht mehr lange haltbare Lebensmittel von Betrieben abzuholen und sie zu verteilen“, erzählt Eva Kissel. Ein Verein biete Rechtssicherheit und Schulung, denn man müsse sich beispielsweise an Kühlketten halten und es könne ja mal jemand aus Versehen gegen ein Tor fahren, wenn er Lebensmittel abhole. Überhaupt könne wertvolles Wissen in Schulungen vermittelt werden. „Wir wollen Tipps weitergeben: etwa, dass man vor einem Einkauf den Kühlschrank fotografiert, um nicht Überflüssiges anzuschaffen.“ Bananen etwa könnten in Scheiben geschnitten gut eingefroren werden, um später zu Eis verarbeitet zu werden.

„Das Interesse ist riesengroß“, hat Eva Kissel festgestellt. In Ludwigsburg würden auf der Seite von foodsharing.de immer wieder Essenskörbe mit genau beschriebenem Inhalt im Internet angeboten. Auch habe es nach Abholungen schon so genannte Schnippelpartys gegeben. Dabei habe ein Privatkreis von acht Leuten aus Lebensmittelresten leckere Gerichte zubereitet. „Da kamen 30 bis 40  Gäste – einer konnte gar nicht verstehen, dass wir ihm das Essen kostenlos in die Tupperbox gegeben haben.“ Das Bewusstsein für ökologisch bewusstes Verhalten schärfen – genau darum geht es Eva Kissel, die an der Uni das „Bandern“ erlebte: Studenten überlassen ihr halb leer gegessenes Tablett anderen, die es zu Ende essen. Zugegeben ein extremes Beispiel, räumt Kissel ein, „aber ich glaube auch nicht, dass man stirbt, wenn jemand anderes den Löffel im Essen hatte.“ Klar ist: Im Alltag komme es häufig vor, dass Reste entstehen. „Etwa vor einer Urlaubsreise.“ Oder wenn man in der Familie etwas Neues ausprobiert hat, das doch nicht so gut ankam.

Sollte sich in Marbach eine Foodsaver-Gruppe bilden, hätte der Tafelladen immer Vorrang, betont Eva Kissel. Mit einzelnen Betrieben wie Naturata und Kaufland gebe es bereits Kooperationen. Sie selbst fahre in der Freizeit schon mal hin und hole Lebensmittel ab, doch sehe sie ihre Aufgabe vor allem darin, Netzwerke zu bilden. In Marbach sucht sie noch einen Verteilraum. Ermutigt ist sie durch eine Initiative in der Nachbarschaft. „In Steinheim ist bald ein Info-Abend – dort gibt es auch eine Initiative, und jemand holt Lebensmittel ab.“

Die persönliche Bilanz von Eva Kissel in Sachen Foodsaving kann sich übrigens sehen lassen. Sie hat schon 1189 Kilo Lebensmittel gerettet. Das ist auf der Internetseite von foodsharing.de vermerkt. Im Bezirk Ludwigsburg sind 419 Foodsaver angemeldet, 17  Betriebe kooperieren. Bei insgesamt 3089 Rettungseinsätzen sind in den vergangenen Jahren etwa 65,7  Tonnen Lebensmittel vor dem Weg in den Abfall bewahrt worden.