Foto: Fenja Sommer

Katja Geisler erfasst den Nachlass von Otto Kleinknecht. Darunter befindet sich auch Persönliches.

Marbach - Katja Geisler ist umgeben von Materialien. Fotos, Zeitungsausschnitte, alte Briefe und Korrespondenzen, Kalender und Tagebücher. Insgesamt zwei Monate hat die 25-Jährige Zeit, den Nachlass von Otto Kleinknecht zu erfassen. Die Abschlussarbeit ist Teil ihrer Ausbildung zur Diplomarchivarin, die sie beim Hauptstaatsarchiv macht. Für die Arbeit ist sie ins Stadtarchiv nach Marbach gekommen.

„Otto Kleinknecht war passionierter Sammler von Zeitungsausschnitten“, erzählt Katja Geisler. Heimatkundliche Themen haben ihn ebenso interessiert wie Tagespolitik. Geboren ist Otto Karl Kleinknecht 1901 in Stuttgart, gestorben 1983 in Marbach. „Ich habe das Gefühl bekommen, er war ein Familienmensch“, sagt Geisler. Fotos zeigen ihn mal starr, dann aber doch auch sehr innig mit seiner Frau Gertrud.

Im Nachlass, der 1991 ins Stadtarchiv gelangte, sind zwei sehr alte Schriftstücke aufgetaucht, berichtet Katja Geisler. Zum einen eine Abschrift von der Hardtwaldordnung. Zum anderen ein besonderes Schmuckstück. „Es ist ein Schreiben an den damaligen Herzog“, erzählt Geisler begeistert. Wohlbemerkt vom Februar 1666. „Es geht um die Ernennung des Stadtphysikus zum Mediziner.“ Das Schriftstück ist eines der wenigen, die den Stadtbrand von 1693 unversehrt überstanden haben – denn das meiste fiel damals den Flammen zum Opfer. „Wie Kleinknecht daran gekommen ist, ist für uns nicht nachvollziehbar.“

Viel Persönliches geht aus dem Bestand hervor. „Er hat Tagebücher hinterlassen und auch selbst verfasste Gedichte aus der Jugendzeit.“ Außerdem sind verschiedene Schriftwechsel vorhanden. „Gefühlt hat er alles aufgehoben“, sagt Katja Geisler mit einem Lachen. Die Inhalte gehen von „Hallo, wie geht’s?“ bis hin zu Briefen von der Kreissparkasse, dass er irgendeinen Termin einhalten solle. Die größte Herausforderung ist für Katja Geisler die Handschrift. „Während er studierte, hat er noch leserlich geschrieben.“ Im Laufe der Jahre habe sich das geändert.

Faszinierend ist für die 25-Jährige die enge Berührung mit der Person Otto Kleinknecht. „Es ist schon intimer, als wenn man mit normalem Verwaltungsgut zu tun hat“, meint sie. Da ist zum Beispiel die unglückliche Liebe, als Otto Kleinknecht in Tübingen Jura studierte. „Er war in eine Frau verliebt und machte ihr einen Heiratsantrag.“ Den habe sie zunächst angenommen, dann aber wieder abgelehnt. „Darüber hat er sich mit seinem Seelsorger unterhalten.“

Engagiert hat sich Kleinknecht als Kirchengemeinderat, war Heimatforscher und ist zudem Mitautor der „Geschichte der Stadt Marbach am Neckar“, an der auch der Marbacher Hermann Schick beteiligt war. Im Dritten Reich war Kleinknecht Staatsanwalt. „Er schreibt selbst, dass er versucht hat, nie die Todesstrafe auszustellen.“ Er habe sich mit Kriegswirtschaftsverbrechen wie Schwarzschlachten auseinandergesetzt. Widersprüchliche Aussagen finden sich nicht, erklärt Geisler. „Man muss aber quellenkritisch vorgehen.“

Mit der Arbeit kommt Katja Geisler ihrem Traumberuf einen weiteren Schritt näher. Danach heißt es nur noch die Abschlussprüfung bestehen – und dann kann sie ab Oktober in Erlangen im Stadtarchiv als Archivarin anfangen.