Die Premiere von Emilia Galotti ist von den Zuschauern gefeiert worden. Foto: Werner Kuhnle

Bei leichtem Regen sind die Marbacher Theaterfestspiele gestartet. Die Premiere von Emilia Galotti wurde von den Zuschauern mit begeisterten Zurufen gefeiert.

Marbach - Der Vereinsvorsitzende von Südlich vom Ochsen, Mark Scheuerle, hat am Donnerstagabend das erwartungsvolle Premierenpublikum von „Emilia Galotti“ begrüßt und mit seinen Worten auch einen Eindruck von dem Wagemut vermittelt, den es bedurft hatte, um ein Projekt wie dieses zu stemmen. Hätte Scheuerle in jenem Moment schon gewusst, welch glanzvollen Auftakt das erste Marbacher Theaterfestival nehmen würde, hätten seine Augen vermutlich noch mehr gestrahlt. Doch der gezügelt gezeigte Stolz ehrt den Verein, der nicht nur ein großes Ziel realisiert, sondern auch für die Schillerstadt einen Meilenstein gesetzt hat.

Freilich nicht allein, denn maßgeblich beteiligt daran sind zwei junge, äußerst kreative und clevere Köpfe. Jenes Intendantenduo, das wohl als Deutschlands jüngstes in die Geschichte eingeht: Tobias Frühauf und Philipp Wolpert. Sie haben mit der Premiere von Emilia Galotti bewiesen, dass man hochtrabende Ziele und Visionen haben darf. Wer sich dafür mit so viel Herzblut engagiert, wie es die beiden im Zusammenspiel mit den Vereins-Mitgliedern von Südlich vom Ochsen gemacht haben, der darf sich nach der bestandenen Feuertaufe, zu Recht im Erfolg sonnen.

Tobias Frühaufs „Menschenstudie nach Motiven von Gotthold Ephraim Lessing“ - der erste deutsche Dramatiker, dessen Werk bis heute ununterbrochen aufgeführt werde - hat das Zeug zum Dauerbrenner. Gleich am Donnerstag haben die Zutaten von „Sex, Crime, Intrigen sowie Einblicke in die Politik der Macht“, die Zuschauer begeistert.

Der Wunsch der Stimme aus dem Off, „einen unvergesslichen Theaterbesuch“ zu verschaffen, ist in Erfüllung gegangen. Frühauf ist es prächtig gelungen, das Werk zu entstauben und ihm dennoch den Charme des Klassikers zu belassen. Allein die Kunst, die schönen, alten Sprachbausteine mit der modernen Sprachkultur so zu verbinden, dass es zum Hörvergnügen wird, ist beachtlich. Dank sei an dieser Stelle dem Verein gesagt, der kräftig in die Headsets für die Schauspieler investiert hat. Die köstlichen und zahlreichen Feinheiten im Spiel der Darsteller, wären ohne die Mikrofone womöglich untergegangen.

Und Regisseur Philipp Wolpert hat das Optimum aus seinen Mimen herausgeholt. Staunend konstatiert der Zuschauer, dass sich Newcomer und alte Hasen auf der Bühne gegenseitig nichts nehmen. Im Gegenteil: Alle Akteure agieren souverän sowie sprachlich und gestisch so gewandt, dass trotz der Schwere des Inhalts große Behaglichkeit beim Zuschauen aufkommt.

Das Spiel macht Spaß, hat Kurzweil, unterhaltsame Finessen, Witz und eine große Portion Spannung. Die Dialoge regen zum Mitdenken an und machen wegen ihrer knapp formulierten Weise, die jedoch Weite zulässt, einfach nur Freude. „Wie kann ein Mann ein Ding lieben, das ihm zum Trotz denken will“, ist so ein Satz, der mit unterdrückter Wut und hingeworfen von Gräfin Orsina (Rebekka Wurst), bei der brillanten Bemühung Gleichgültigkeit zu analysieren, lange noch nachhallt.

Es gibt viele solcher Momente – doch ist es in dem zackig abgearbeiteten Spiel-Verlauf nötig, in jeder Sekunde aufmerksam zu sein. Dicht gedrängt ist die Marbacher Inszenierung, die zu jeder Minute bestens unterhält. Dazu tragen vor allem auch die vorbildlich ausgearbeiteten Charaktere bei. Ein Markenzeichen Philipp Wolperts, der ein Perfektionist darin ist, jeden Spieler in die ausdrucksstärkste Individualität seiner Rolle zu bringen.

Leah Wewoda etwa: Noch ist die Darstellerin am Anfang ihrer Karriere, zeigt aber ein so unglaubliches Talent, dass einem der Atem stockt, wenn sie ihr Innerstes nach außen kehrt. Leah Wewoda spielt so intensiv und dicht, dass wenige Worte und Gesten reichen, um den Zuschauer mit der jeweiligen Emotion geradezu anzuspringen.

Gunnar Schwarm als süffisant dauergrinsender Schurke Marinelli, strapaziert gekonnt die Nerven, weil sein Verhalten die moralische Verwerflichkeit auf die Spitze treibt. Und Senator Gonzaga, distinguiert und heuchlerisch gegeben von Fabian Egli, überzeugt in dem Charaktermosaik ebenso wie die weiteren sechs Kollegen, die sich vor der prächtigen Kulisse des Burgplatzes fesselnd ausleben. Ein Wort noch zum Bühnenbild der beiden Brüder Felix und Manuel Seiter: ihrem künstlerischen Geschick ist es wieder einmal zu verdanken, dass der Zuschauer auf ein stimmiges und anmutiges Szenario mit zwei marode wirkenden Häusern blickt.

Die Theaterfestpiele und die Serie

Das Theaterfestival findet von Donnerstag, 28. Juni, bis Sonntag, 22. Juli, statt. Gespielt wird auf dem Burgplatz und im Schlosskeller. Vier Stücke werden insgesamt gezeigt. Karten gibt es online auf www.reservix.de. Reservix-Vorverkaufsstellen sind in Marbach: Schilleria, Markstraße 15, Beran, Marktstraße 32, und Euli-Service in Rielingshausen. Über die Tourismusgemeinschaft Marbach-Bottwartal sind auch Pauschalarrangements mit Ticket, Programmheft, Übernachtung und Blick hinter die Kulissen erhältlich. Kontakt unter Telefon 0 71 44 / 10 22 97 und -2 50 oder per E-Mail an touristik@schillerstadt-marbach.de.