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Eltern befürchten, die verbindliche Form könnte schnell eingeführt werden. Die Schulleiter widersprechen jedoch.

Marbach - Ist die Marbacher Grundschule auf dem Weg, verbindliche Ganztagsschule zu werden – und das schon ab dem kommenden Schuljahr? Diese Frage treibt zur Zeit so manche Eltern um. Sorgen machen sich vor allem diejenigen, die ihr Kind nicht ganztags schulisch betreut wissen wollen. „Ich habe für diese Eltern Verständnis“, betont der Schulleiter Wolfgang Röslin. Doch ist seiner Meinung nach „die Lobbyarbeit verfrüht – und als solche verstehe ich den Vorstoß der Eltern, den Weg in die Öffentlichkeit zu suchen“.

Grund für den Konflikt ist Paragraf 4a des Schulgesetzes, der am 1. August 2014 in Kraft getreten ist. Mit ihm haben die Abgeordneten des Landtags den Ausbau von Ganztagsschulangeboten zu den wichtigsten Aufgaben der Bildungsarbeit in Baden-Württemberg erklärt. Damit ist die gesetzliche Grundlage für die 2400 Grundschulen im Land geschaffen, sich entweder für eine verbindliche Ganztagsschule oder für die sogenannte Wahlform zu entscheiden. Kritik hagelte es bereits bei der Verabschiedung des Gesetzestextes. Als „Rosstäuscherei“ bezeichneten Vertreter von CDU und FDP den Begriff „Wahlform“. Da es sich schließlich um kein freiwilliges Angebot handele, könnten sich Schüler dem Ganztagsbetrieb auch nicht entziehen.

Der CDU-Bildungsexperte Georg Wacker machte darauf aufmerksam, dass gerade die vollständige Umstellung einer Grundschule auf den Ganztagsbetrieb diejenigen Eltern, die dies nicht wünschten, dazu zwinge, eine möglicherweise weiter entfernte Schule für ihre Kinder zu finden.

Momentan nehmen rund 260 der insgesamt 520 Marbacher Grundschüler an dem bereits etablierten Ganztagsbetrieb in offener Form teil. Die neu geschaffene gesetzliche Grundlage, „gibt den Schulen nun mehr Möglichkeiten“, erklärt Schulleiter Wolfgang Röslin. Über diese habe er in den vergangenen Wochen und Monaten den Elternbeirat, die Schulkonferenz und das Kollegium informiert.

Dass dabei auch über die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Formen gesprochen werden müsse, sei selbstverständlich. „Das war in der Kürze der Zeit nicht abschließend möglich“, so Röslin. Das Für und Wider soll nun eine Arbeitsgruppe erörtern, die in den nächsten Wochen gebildet werde. Diese müsse ebenso über räumliche Ressourcen sprechen, wie sich Klarheit verschaffen über Ausweichmöglichkeiten für Eltern, die ihre Kinder nicht an einer Ganztagsschule anmelden wollen. „Wir haben also gerade erst mit der Meinungsbildung begonnen.“

Die Sorge der Eltern, die Marbacher Grundschule könnte bereits im kommenden Schuljahr eine verbindliche Ganztagsschule werden, wischt der Schulleiter dabei vom Tisch. „Das ist formal schon gar nicht mehr möglich“, weist Wolfgang Röslin auf bereits verstrichene Fristen hin.

In der Tat hätten Anträge auf eine verbindliche Ganztagsschule für das Schuljahr 2015/2016 bis zum 1. Oktober 2014 bei den Staatlichen Schulämtern und am 1. November 2014 beim Regierungspräsidium Stuttgart (RP) vorliegen müssen, bestätigt RP-Sprecherin Nadine Hilber. Für das kommende Schuljahr lägen 50 Anträge auf Einführung einer Ganztagsschule im Verantwortungsbereich des RP vor, 47 davon sind in Wahlform gestellt, drei in verbindlicher Form. Werden die Anträge genehmigt, „werden wir an fünf Grundschulstandorten im Bereich des RP verbindliche Ganztagesangebote haben“, so Hilber. Dies vor allem in Stuttgart selbst. Bei 574 Grundschulen, die in diesen Bereich fallen, ist allerdings noch Luft nach oben.

Ob sich auch Marbach in die Liste verbindlicher Ganztagsschulen einreihen wird, hängt schlussendlich vom Gemeinderat ab. Das Bittgesuch beim RP stellt nämlich der Schulträger. Dass neben Elternvertretern und Vertretern der Schule darum auch Stadträte und Vertreter der Stadt der neu zu gründenden Arbeitsgruppe angehören werden, steht für Bürgermeister Jan Trost außer Frage. „Schließlich wollen wir die Eltern nicht vor vollendete Tatsachen stellen“, so das Stadtoberhaupt.