Glatt gelogen: Die Hinweisschilder im Parkhaus an der Grabenstraße gaukeln den Nutzern nur etwas vor. Foto: Oliver von Schaewen

Das Parkhaus am Stadtgraben gilt als relativ sicher, doch die aufgehängten Schilder täuschen: Die Nutzer dürfen nicht darauf hoffen, dass mögliche Straftaten durch eine digitale Überwachung dokumentiert werden.

Marbach - Eine Nutzerin bringt das Gefühl vieler Frauen in dem Parkhaus am Marbacher Stadtgraben auf den Punkt: „Je weiter man nach oben kommt, desto gruseliger wird es.“ Beruhigend wirken Schilder mit der Aufschrift „Dieser Bereich wird VIDEO überwacht!“ Tatsächlich entpuppt sich der mit großen Druckbuchstaben verkündete Sicherheitsfaktor als glatte Lüge. Es gibt schlichtweg keine Kameras – und deshalb auch keine digitalen Zeugen, sollte sich jemand an Autos oder Menschen vergehen.

Aufgeflogen ist der Schwindel, als die Polizei vor einer Woche vermeldete, dass Unbekannte im Parkhaus Flugblätter mit volksverhetzenden Inhalten (Holocaust-Leugnung) verteilten. Die naheliegende Frage, ob es keine Überwachungskameras gibt, wurde seitens der Eigentümergemeinschaft verneint. „Kameras galten als zu teuer – außerdem könnten sie zerstört werden“, berichtet Martina Klein, die als Angestellte der Stadt Marbach, welche Miteigentümerin am Gebäude ist, die Hausverwaltung leistet. Den Tipp, stattdessen nur Schilder aufzuhängen, habe ein privater Sicherheitsdienst gegeben. So sollten potenzielle Vandalen eingeschüchtert werden.

Bei den Nutzern des Parkhauses kommt der Bluff gar nicht gut an. „Die Schilder erwecken den Eindruck, man sei durch die Videoaufnahmen sicherer als ohne“, sagt Marie-Luise Merkelbach aus Poppenweiler. Die 77-Jährige fühlt sich in dem Parkhaus prinzipiell sicher, „es ist auch gut beleuchtet“, aber besonders für die Abendstunden fände sie Videoaufzeichnungen besonders aus Sicht von Frauen gut.

Eine Pflicht, in dem Parkhaus Kameras zu installieren, gibt es nicht. Darauf weist der Marbacher Ordnungsamtsleiter Andreas Seiberling hin. „Das Parkhaus ist kein öffentliches Gebäude, es gehört einer Eigentümergemeinschaft.“ Diese müsste einen Mehrheitsbeschluss fassen. Würde es sich um ein öffentliches Gebäude im rein städtischen Besitz handeln, müsste dort schon etwas vorgefallen sein, damit Videokameras installiert werden dürften. Tatsächlich habe es aber in all den 30 Jahren des Betriebs dort keine Häufung von Straftaten, wie etwa schwere Körperverletzungen, Drogenhandel oder massive Beschädigungen, gegeben. Seiberling warnte deshalb vor einer Panikmache – „das subjektive Gefühl in einem Parkhaus ist nun mal grundsätzlich kein angenehmes“. Trotzdem parkten dort sehr viele Autofahrer.

Das Parkhauses mit seinen 202 Stellplätzen sei für den Marbacher Einzelhandel „unheimlich wichtig“, betont Simon Wurm, Erster Vorsitzender des Stadtmarketings Schillerstadt Marbach (SSM). Das kostenlose Parken nach dem Motto „raus und rein ohne Schein“ habe sich bisher bewährt, das Parkhaus sei beliebt. Werbebanner von ortsansässigen Firmen auf Wänden, die vom SSM angemietet werden, ermöglichten den Nulltarif.

Simon Wurm spricht sich dafür aus, das Parkhaus mit Videokameras auszustatten, sollte es die Stadt Marbach im Laufe des Jahres wie angekündigt sanieren. „Eine frisch gestrichene Wand ist schnell wieder verschmutzt“, sagt Wurm. Man müsse dem Sicherheitsbedürfnis der Nutzer nachkommen und sich mit der Stadt Marbach zusammensetzen, um sie möglichst mit ins Boot zu holen. Der SSM-Vorsitzende erwägt sogar eine Teilfinanzierung des Kamerasystems durch das Stadtmarketing und entsprechende Sponsoren. „Wir müssen unseren Kunden einfach diesen Service bieten.“ Er kenne die Probleme von Nutzern aus eigener Erfahrung, erzählt der Optiker. Drei seiner Mitarbeiterinnen parken immer in den oberen Stockwerken, weil dort lange Stellzeiten möglich seien – und gerade dort fühlten sie sich in den Abendstunden nicht sicher. Auch habe er schon von drei Fällen gehört, in denen Autos demoliert worden seien.

Offen für solche Überlegungen zeigt sich Gerhard Heim, Erster Beigeordneter der Stadt Marbach. „Die Stadt ist nicht Mehrheitseigentümerin im Haus, aber wir sollten uns den Rat von Experten einholen. und es in der Eigentümerversammlung auf die Tagesordnung setzen.“ Das Parkhaus sei sehr verwinkelt und schwer zu überwachen. Die Zeiten hätten sich aber geändert.