Buchautorin Loretta Napoleoni hat den Veranstaltern abgesagt. Foto: Werner Kuhnle

Die Vorstellung des Buches „Die Rückkehr des Kalifats“ von Loretta Napoleoni in der Marbacher Erlöserkirche hat heftige Diskussionen ausgelöst.

Marbach - Wohl selten dürfte sich eine Veranstaltung mit solcher Brisanz in das aktuelle Weltgeschehen eingefügt haben, wie der Diskussionsabend am Freitagabend in der Marbacher Erlöserkirche. Veranstaltet wurde er von der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK).

Zwar mussten die zahlreich erschienen Besucher hinnehmen, dass die angekündigte Autorin Loretta Napoleoni nicht erschienen war, doch die Zusammenkunft entbehrte auch so keinerlei Dynamik. Für Napoleoni, der trotz vorheriger Zusage ihres Assistenten der „Aufwand der Reise zu groß war“ und da ihr der Veranstalter obendrein keine „flächendeckende Medienpräsenz“ zusagen konnte, war Thomas Schwoerer eingesprungen. Der Mann ist DFG-VK Bundessprecher und war bis März 2015 langjähriger Geschäftsführer des Campus Verlags in Frankfurt. Außerdem hatte er die auf vier Tage angesetzte Lesetour Napoleonis organisiert.

Der Buchinhalt: „Die Rückkehr des Kalifats: Der Islamische Staat und die Neuordnung des Nahen Ostens“, sorgte angesichts der jüngsten Terroranschläge in Paris auch in Marbach für heftige Diskussionen und Überlegungen. Vorab jedoch begrüßte Roland Blach vom DFG-VK Landesverband die Zuhörer und stimmte sie mit der Sichtweise des Journalisten Jakob Augsteins ein. Dieser hatte jüngst publiziert: „Der Westen kommt im Kampf gegen den islamistischen Terror nicht voran. Kein Wunder: Man kann den Feind nicht bekämpfen, wenn man ihm ähnlich wird.“

Thomas Schwoerer schließlich stellte die wesentlichen Grundaussagen Napoleonis vor und empfahl – trotz einer gewissen Verärgerung über deren Verhalten – das Buch unbedingt zu lesen, liefere es doch einen Beitrag zum Verständnis der aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten und stelle einen Gegenentwurf zu den im Westen gängigen Stereotypen über den radikalen Islam dar. „Was soll geschehen, dass der Krieg aufhört, der den Nährboden für den sogenannten Islamischen Staat (IS) darstellt?“ Mit dieser Leitfrage eröffnete Schwoerer, der zu keiner Zeit einen Hehl aus seiner friedfertigen Gesinnung machte und klar die Option „Politische Lösung“ gegenüber der „militärischen (Schein)-Lösung“ favorisiert, die Gesprächsrunde.

Seiner Ansicht nach führe der militärische Ansatz nur in eine Sackgasse. Als Rechtfertigungsgrundlage dafür zog der Redner immer wieder die Erfahrungen mit diversen Terrorgruppen der Vergangenheit, wie beispielsweise der Irish Republican Army (IRA) heran. Sie hätten gezeigt, dass Verhandlungen mit den Terroristen durchaus zielführend sein können. Außerdem propagierte Schwoerer, die Rüstungsexporte endlich einzustellen und nannte Deutschland an vierter Stelle der größten Waffenexporteure. Sich Gedanken darüber zu machen, welche Alternative die bessere sei und wer im Falle einer politischen Lösung am Verhandlungstisch sitzen solle, das war danach die Aufgabe der Besucher.

Von Hausherr und Pastor Dieter Jäger begleitet, wurde eines rasch deutlich: Auch noch so friedlich gesinnte Bürger, waren von der Idee, eine mörderische Bewegung wie den IS, der es versteht in „nie gekanntem Ausmaß sich medial selbst zu inszenieren“, an den Verhandlungstisch zu nehmen, wenig überzeugt. Überwältigend waren Sorgen, Ängste und Skepsis. Thomas Schwoerer aber blieb bei seiner Überzeugung: „Eine Doktrin von Gnadenlosigkeit verhindert den Terror nicht, sie treibt ihn an!“