„Körperbewusstsein, Konzentration, Koordination und Freude“ sind die Zutaten einer Feuershow mit der Künstlerin „miigaa“, Christiane Meyer. Foto: Michael Raubold Photographie

„Körperbewusstsein, Konzentration, Koordination und Freude“ sind die Zutaten einer Feuershow mit der Künstlerin „miigaa“, Christiane Meyer.

Marbach - Das Feuer hat mich vom ersten Moment an gepackt“, sagt Christiane Meyer. „Es hat etwas Magisches.“ Die 27-Jährige hat vom fünften Lebensjahr an Ballett gelernt, unterrichtet heute in Marbach kreativen Kindertanz und studiert Bildungswissenschaften an der Fernuniversität. Doch als sie im Jahr nach ihrem Abitur 2010 am Marbacher FSG auf Weltreise ging, schlug ihr Leben eine andere Richtung ein, in der tänzerischer Ausdruck weiterhin eine wichtige Rolle spielen sollte. Beim Anblick der Feuerspieler auf der thailändischen Insel Koh Samui, die dort in einer Bar und am Strand Touristen gegen Trinkgeld unterhalten, war es sofort um sie geschehen. Die damals entfachte Leidenschaft lässt sie seither nicht mehr los. Seither begleiten sie „Poi“, an einer Kette oder Schnur hängende Bälle, und andere „Flow Toys“.

So werden in der Artistik die Utensilien genannt, die durch die Luft geschwungen werden oder zur Jonglage dienen. „Flow“, das bezeichnet die fließende Bewegung, aber auch den quasi meditativen Zustand, der bei Künstlern und Zuschauern entsteht, die sich den Feuerspuren im Nachthimmel hingeben, begleitet vom monotonen Zischen und Knacken des Feuers in der Luft. Für die Feuershow sind die Utensilien mit Kevlargewebe umwickelt, das als getränktes Trägermaterial für das Feuer sorgt. „miigaa“ entflammt zum Beispiel kristallines Lampenöl. In Asien komme aber durchaus Diesel und Motoröl zum Einsatz. „Billig, aber gesundheitsgefährdend“, so ihr Fazit.

Aus Thailand und von den dortigen Feuerspielern, vor allem Burmesen, stammt Christianes Künstlername, zusammengesetzt aus den burmesischen Wörtern für Feuer und Tanzen – „mii“ und „gaa“, kurz Miigaa. „Ich wollte ihre Kunst im Herzen weitertragen.“

Die einjährige Reise führte sie unter anderem noch nach Laos, Myanmar, Neuseeland und Südamerika. Immer dabei jetzt: „Flow Toys“ zum Üben. Danach zog sie es zurück nach Thailand, wo sie mit ihren nun schon gereiften artistischen Fähigkeiten in den großen Hotelanlagen am Meer für Shows gebucht wurde und so auch ihren Lebensunterhalt bestritt, ein dreiviertel Jahr lang. Das Feuerschlucken und -speien gehört nicht zu Miigaas Techniken, weil sie es „etwas eklig“ findet, vor allem aber auch gefährlich. „Ich habe ein so großes Repertoire, dass es nicht ins Gewicht fällt, wenn das fehlt.“

Zurück in Deutschland war sie baff, als sie die große Community der Feuerspieler entdeckte, die sich im Internet auf Facebook oder in anderen Foren austauscht. Dem in Thailand von den Artisten größtenteils selbst gebauten Handwerkszeug der Feuershows steht hierzulande eine riesige Vielfalt an technischen Möglichkeiten gegenüber, die Christiane Meyer sofort begeisterte. In der wohlorganisierten Heimat ist sie sogar auf einen Verein für Feuerpädagogik gestoßen. Löschdecken und Feuerlöscher sind daher für Christiane Meyer erste Pflicht bei ihren Shows, die aus Anlass von Firmenfeiern, Hochzeiten oder Geburtstagsfeiern gebucht werden.

Hierzulande trifft sich die Community aus Feuerspielern außerhalb des Internets das ganze Jahr über auf Märkten, Messen und Festivals wie zum Beispiel dem „Fusion“ in Mecklenburg oder der „Phoenix Fire Convention“ im Thüringer Wald. Fast geheult habe sie auf ihrem ersten Event, als sie aus der Ferne rotierende Feuerbälle am Nachthimmel sah. „Für mich ist das Heimkommen“, sagt Christiane Meyer. Dort auf den Festivals könne man sich richtiggehend freispielen, vor allem aber auch von anderen lernen und ohne Erwartungsdruck ausprobieren.

Bei den Shows für Kunden geht sie natürlich auf alle möglichen Wünsche ein, fragt sich und ihre Ansprechpartner, darunter Firmen wie Hofmeister oder Trumpf, welche Musik und Choreographie zu welchen Anlässen passt: Klassik, Rock, Jazziges, Elektrobeats – alles ist möglich, was gefällt. „Bei mir liegt der Schwerpunkt der Shows auf dem Tänzerischen und den Choreographien.“ Das ist für eine Balletttänzerin naheliegend, doch ist sie damit unter den Feuerspielern fast einzigartig, denn die kommen meistens aus der Zirkusartistik- oder Mittelalterdarsteller-Ecke. Auch ist sie Autodidaktin, hat die meisten Abläufe dank ihrer Balletterfahrung während ihrer Weltreise intutitiv aus ihrem Körperempfinden heraus erspürt und sich so angeeignet, ohne etwa die Namen und Bezeichnungen der Figuren zu kennen. Die sind im Internet unter Bezeichnungen geläufig wie Butterfly, Waterfall oder „Four Beat Wave“. Erst daheim in Deutschland erweiterte sie ihr Wissen dann auch durchs Zuschauen bei anderen und in Workshops. Während des Trainings in dieser Sommernacht auf der Schillerhöhe lässt sie gerade den rotierenden Dragon Staff – „Drachenstab“ – mit seinen brennenden acht Enden auf ihrem Rücken tanzen, biegt ihre Wirbelsäule dazu fast in Hufeisenform. Die Vielfalt der Utensilien ist groß: „Ich bin wahrscheinlich die einzige in Marbach, die nachts mit einem Feuerschwert auf die Straße geht“, sagt sie lächelnd. In nächster Zeit möchte sie sich durch Kooperationen mit anderen Künstlern weiterentwickeln, die Faszination fürs Feuerspiel aber vor allem vermitteln und weitergeben an Jüngere in Workshops. Dafür sei die Haltung wichtig: „Ich habe keine Angst vor dem Feuer, denn die würde lähmen, aber Respekt.“