Au-pair Kyle Blomquist (Zweiter von links) ist voll in die Familie Rieger integriert. Nicht nur beim Kartenspiel am Küchentisch haben Hannes, Mutter Tanja und Jakob (von rechts) viel Spaß mit dem jungen Mann aus den USA. Foto: Sabine Rochlitz

Tanja Rieger hat bereits zum dritten Mal ein männliches Au-pair. Sie schwört für ihre beiden Jungs auf diese Betreuungsform.

Marbach - Eigentlich ist Kyle Blomquist als Au-pair im September nach Marbach gekommen. Doch Jakob und Hannes, die Söhne der Elternforums-Vorsitzenden Tanja Rieger, betrachten ihn eher wie einen großen Bruder. Für den jungen US-Amerikaner kein Problem, kommt er doch selbst aus einer vielköpfigen Familie: Vier leibliche und zwei Adoptivgeschwister hat der 24-Jährige. Die Eltern nahmen regelmäßig Pflegekinder auf. „Da habe ich öfter Babysitter gespielt“, erzählt Kyle Blomquist. Seine Erkenntnis: „Kinder sind anstrengend“, sagt er mit einem Augenzwinkern. „Er hat eine Engelsgeduld“, lobt ihn Gastmutter Tanja Rieger. Sie ist vom Prinzip Au-pair überzeugt – mittlerweile seit fünf Jahren – und wird beim Offenen Treff des Elternforums berichten (siehe Kasten).

Der größte Vorteil für die alleinerziehende, berufstätige Mutter, die morgens früh zur Arbeit und manches Mal spätabends zurückkommt: „Nach meiner Trennung brauchte ich jemanden, der mich im Haus unterstützt.“ Au-pairs dürfen das zwar nur bis zu sechs Stunden täglich und 30 Stunden wöchentlich, sind aber durch die Integration in die Familie flexibel. Eine Tagesmutter in dem nötigen Umfang „war einfach nicht bezahlbar“, sagt Tanja Rieger. Zudem sei sie selbst während des Studiums im Ausland gewesen und habe das als „Wahnsinnserfahrung“ erlebt.

Ein Au-pair aufzunehmen, „bringt Farbe ins Leben“, findet die 40-Jährige. Jedes der bisher vier habe „etwas hinterlassen“. Durch den Spanier Cristian sei Hannes motiviert worden, Klavier spielen zu lernen. Auch Pierre aus Frankreich habe mit seiner Gitarre Musik ins Haus getragen. Was von Kyle nach den maximal möglichen zwölf Monaten bleiben wird? „Er kocht verdammt gut“, sagt die Gastmutter schmunzelnd. Als Jakob und Hannes am Tisch ihren „Ersatzbruder“ knuffen, sich an seine Arme hängen, ihn wegzuziehen versuchen, fällt ihr noch etwas ein: „Er hat das Toben ins Haus gebracht. Die drei raufen viel.“

Gastfamilie zu sein, erfordere aber auch Voraussetzungen, räumt Tanja Rieger ein. Neben den formalen, wie einem eigenen Zimmer, freier Verpflegung plus 260 Euro Taschengeld, kommen mentale hinzu. „Man muss offen sein. Wem die Privatsphäre sehr wichtig ist, für den ist es nicht die passende Lösung. Wir lassen uns emotional stark auf das Au-pair ein.“ Denn der ständige Mitbewohner erlebe eben auch schwierige Situationen hautnah mit: den Ehestreit, die Schulprobleme der Kinder oder einfach Situationen, in denen sich die Gasteltern überfordert fühlen. „Man muss Gefühle zulassen können. Klar sein, auch in der Kommunikation, und Vertrauen haben.“ Ihres sei noch nie enttäuscht worden, betont sie.

Deshalb lässt sie dem Au-pair viel Freiraum – allerdings verbunden mit einiger Verantwortung. „Ich strukturiere den Tag nicht“, sagt Tanja Rieger. So erledige sie zwar den Großeinkauf am Wochenende, zwischendurch kauft Kyle Blomquist die Dinge des täglichen Bedarfs aber selbst ein – muss aber auch merken, wenn etwas fehlt. Er weckt die Kinder, macht ihnen das Frühstück – ebenso wie das Mittagessen, wenn sie aus der Schule kommen. Er bringt sie zum Sport oder spielt mit ihnen. „Im Grunde übernimmt er das Familienmanagement, hat auch eine gewisse Erziehungsverantwortung“, sagt Tanja Rieger. „Das finde ich super“, sagt Kyle Blomquist, der wusste, was auf ihn zukommt. Vor der Anreise hatte ihm Tanja Rieger eine Checkliste geschickt, auf der stand, was sie erwartet, aufgeteilt in tägliche Aufgaben. Tätigkeiten nach Bedarf und grundsätzliche Haltungen – Ausfluss ihres mehrjährigen Gastmutterdaseins.

Dass sie schon das dritte männliche Au-pair hat, hänge mit der familiären Situation und dem Temperament ihrer neun- und elfjährigen Söhne zusammen, sagt Tanja Rieger lachend. Mit beidem hätten sich die zwei Mädchen, knapp über 18, mit denen sie in diese Betreuungsform gestartet war, sehr schwer getan. Auch ihre Jungs sehen das so: „Mama, wir möchten kein Mädchen mehr“, sagt Jakob entschieden. „Ja, das passt nicht so“, pflichtet ihm Hannes bei.

Deshalb beschreibt Tanja Rieger bei der Internetagentur www.aupairworld.net ihre Familie „gnadenlos ehrlich“. Sie habe zwei „extrem lebendige und durchsetzungsfähige Jungs“, stand drin. Und dass sie aufgeweckt seien, ergänzt Kyle Blomquist. „Das ist perfekt, das will ich“, habe er sich gedacht. Die Internetplattform bietet beiden Seiten die Gelegenheit zur Kontaktaufnahme. Standardnachrichten ignoriere sie, warte auf Initiativbewerbungen, beschreibt Tanja Rieger ihre Vorgehensweise. Kyle Blomquists erste Mail sei sehr lang gewesen, und er habe sich darin auf ihr Familienprofil bezogen. „Das hat mir gefallen, es zeigte, dass er echtes Interesse hat.“

Dann wurde telefoniert, aussagekräftiger sei aber der Kontakt über Skype, findet Tanja Rieger. Man sehe Mimik und Gestik des Gegenübers, merke schnell, ob es passt. „Da bekommt man mit der Zeit ein Bauchgefühl dafür.“ Und noch etwas sei ihr wichtig: Nach dem ersten Skype-Gespräch konnte Kyle Blomquist über diesen Kanal auch mit den Söhnen und dem damaligen Au-pair kommunizieren. „Das fand ich klasse, weil es gezeigt hat, dass du nichts verstecken willst“, sagt der 24-Jährige, der nicht zum ersten Mal im Land ist und gut Deutsch spricht. „Fast perfekt“, lobt ihn Tanja Rieger. Das sei nicht selbstverständlich, die meisten jungen Menschen wollen ja als Au-pair genau das: Sprache und Kultur eines anderen Landes kennenlernen.

Beides kennt und schätzt Kyle Blomquist so sehr, dass er nach Ende des Au-pair-Aufenthalts gerne hier studieren würde – am liebsten an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Daher sucht er für September noch eine Ausbildungsfirma. In den USA studierte er bereits Medizintechnik, hier möchte er auf Maschinenbau umsatteln. Freunde hat er auch schon gefunden, er hat München zum Oktoberfest, Berlin und Wien besucht. In den Weihnachtsferien ging es zum Ski fahren mit der Gastfamilie. Ihr wird er sicher – wie einige seiner Vorgänger – verbunden bleiben. „Das ist, als käme das eigene Kind vom Studium wieder nach Hause“, beschreibt Tanja Rieger die Besuche der Ex-Au-pairs.

Angebote des Elternforums Marbach

Austausch
Das Elternforum Marbach bietet am Mittwoch, 28. Januar, 20 bis 21.30 Uhr, im Offenen Treff einen Einblick in Chancen und Risiken von Au-pairs. Die Vorsitzende Tanja Rieger ist seit fünf Jahren Gastmutter. Sie erklärt, wie die Unterstützung im Haus aussehen kann und beantwortet Fragen, unter anderem zur Organisation. Herzlich willkommen im Familienzentrum in der Marktstraße 6 sind auch Eltern, die schon ein Au-pair in der Familie haben und den Austausch suchen.

Offener Treff
Das Elternforum bietet alle zwei Monate einen themenspezifischen Austausch. Der Landkreis Ludwigsburg fördert das Angebot im Rahmen des sogenannten Stärke-Programms. Unter anderem wird es 2015 um „Hausaufgaben im Grundschulalter“ und „Loslassen im Kindergarten“ gehen. Wer Ideen für weitere Themen hat, kann sich melden. Infos auch im Internet: www. elternforum-marbach.de.