Frank-Walter Steinmeier (links) und Landesvater Winfried Kretschmann (neben ihm) nehmen auf der Schillerhöhe bei Schülern ein Bad in der Menge.Die Gäste bekommen beim Rundgang durch die Ausstellung Einblicke. Foto: Werner Kuhnle

Frank-Walter Steinmeier besucht das Literaturmuseum der Moderne – und holt damit etwas nach, was er eigentlich schon als Außenminister machen wollte.

Marbach - Das Schicksal geht manchmal verschlungene Pfade. Denn eigentlich wollte Frank-Walter Steinmeier schon am 3. Mai in Marbach sein. Der damalige Außenminister hatte die Ausstellung „Rilke und Russland“ im Literaturmuseum der Moderne eröffnen wollen. Doch es kam etwas dazwischen – jetzt ist der beliebte Politiker Bundespräsident. Als solcher besuchte er am Montagnachmittag das Deutsche Literaturarchiv mit seinen Magazinen und den Museen im Rahmen seines Antrittsbesuchs in Baden-Württemberg (siehe Bericht im Mantelteil). Steinmeier ist damit der zehnte Bundespräsident, der nach Marbach kam. Nur Joachim Gauck und Christian Wulff gaben sich auf der Schillerhöhe nicht die Ehre.

Es ist 15.01 Uhr, als der Tross mit dem schwarzem Mercedes S 600 und dem Kennzeichen „0-1“ vorfährt. Das Staatsoberhaupt und seine Frau Elke Büdenbender steigen aus. Sie werden freundlich von Gastgeber Ulrich Raulff, dem Leiter der Marbacher Institute, sowie von Bürgermeister Jan Trost und dem Landrat Rainer Haas begrüßt. Steinmeier wendet sich den rund 30 Zaungästen zu und wünscht ihnen alles Gute. Dann schreitet er, ebenfalls begleitet von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seiner Ehefrau Gerlinde, zum Eingang des Literaturarchivs.

In einem ersten Statement erklärt Frank-Walter Steinmeier: „Ich wäre gerne bei der Eröffnung dabei gewesen – jetzt kann ich beides miteinander verbinden: das Deutsche Literaturarchiv zum ersten Mal besuchen und ,Rilke und Russland’ kennenlernen.“ Die Ausstellung ist ein Projekt, in dem Kulturinstitutionen aus Deutschland, Russland und der Schweiz zusammenarbeiten – in politisch kühlen Zeiten ein hoffnungsvoller Ansatz.

Wenig später verschwindet die Schar in den Tiefen des Literaturarchivs. Steinmeier lernt die Aufbewahrungsorte für die Originalmanuskripte bedeutender Schriftsteller kennen. Der unterirdische Durchgang führt ihn ins Erdgeschoss des Literaturmuseums der Moderne. Dort warten die Museumsleiterin Ellen Strittmatter und der Kurator Thomas Schmidt am zentralen Schnittpunkt der Ausstellung auf die Gäste. Schmidt erklärt das Rilke-Porträt, das der Maler Leonid Pasternak im Jahr 1928 angefertigt hat. Es zeigt einen gänzlich unschwärmerischen Rilke, der laut Schmidt mit reifem Blick den Goldglanz der Kuppeln hinter sich gelassen hat und in einer wartenden Position verharrt.

Warten – das ist auch die Haltung der Schaulustigen auf der Aussichtsplattform des Museums. Es ist 15.50 Uhr. Extra aus Murr zu Fuß nach Marbach gelaufen sind Hermine und Rolf Ellwanger. „Wir hoffen, dass Herr Steinmeier wenigstens noch den Ausblick auf den Neckar genießen kann“, sagt er. Doch als der Bundespräsident aus dem Museum tritt, ist er immer noch umschwärmt wie von Bienen. Die Pleidelsheimerin Gisela Prinz nähert sich und grüßt die Frau des Bundespräsidenten, die wie sie aus dem Siegerland stammt, von Verwandten aus dem Heimatort.

Vor dem Museum haben sich auch einige der 290 Mitarbeiter des Literaturarchivs eingefunden. Philip Ajouri und seine Frau Mirjam haben ihre kleinen Kinder, den vierjährigen Fridolin und die zweijährige Golda mitgebracht. „Ich wollte keine Schaulustige sein, aber wenn er herauskommt und es steht keiner hier, wäre es auch komisch“, sagt die Mutter, deren Tochter gerne „den König“ sehen wollte, während sich der Sohn mehr für die Polizeiautos interessierte. Dann begegnet Frank-Walter Steinmeier Schülern des Friedrich-Schiller-Gymnasium, die auf ihn gewartet haben. Er erfährt, dass es in Marbach eine Schule mit mehr als 2000 Schülern gibt – und, wie Ministerprädident Winfried Kretschmann treffend bemerkt: „Da kann man sogar Chinesisch lernen.“