Traumhafte Kulisse für die Marbacher Ruderer. Foto: Ruderverein

An zwölf Rudertagen sind die Teilnehmer in Polen stolze 448 Kilometer gerudert.

Marbach - Marbach
Dieses Jahr hat es den Marbacher Ruderverein zum Rudern wieder auf die Weichsel nach Polen gezogen. Angesichts der Sprach- und technischen Hindernisse wäre eine solche Fahrt von Deutschland aus nur schwer zu organisieren, sodass wir froh sind, uns wieder in die fähigen Hände des Polen Łukasz Kaczmarek zu begeben, der in Polen Wanderfahrten auf diversen Flüssen und Seen organisiert. Wir rudern in zwei Wochen von Krakau nach Warschau und stellen schnell fest, dass die Weichsel rein gar nichts mit unserem Neckar gemein hat: Die Schifffahrt ist seit den 70er Jahren vollständig eingestellt, und die Fahrrinne wird entsprechend nicht mehr gepflegt. Die Schiffe, die hier einst gefahren sind, liegen als verrostete Wracks am Ufer, gerne auch mal Kiel oben. Im Stadtgebiet von Krakau ist die Weichsel für die verbleibende Ausflugsschifffahrt noch gestaut, doch bereits in der zweiten (und letzten) Schleuse in Krakau liegen Schleusenkammer und Flussbett trocken, so wenig Wasser gibt es. Man muss beim Steuern genau aufpassen, ob sich nicht ein Stein oder gleich eine ganze Buhne durch Wasserwirbel ankündigt - und dann hoffen, dass man nicht schon zu nah ist, denn die Strömung ist recht kräftig. Der Fluss ist oft nur noch wenige Zentimeter tief; hier und da sitzt das eine oder andere Boot auf einer Sandbank auf.

Es besteht noch eine minimale Kennzeichnung einer Rest-Fahrrinne, der man irgendwie folgen muss. Die Weichsel ist oft mehrere hundert Meter breit mit Sandbänken und Inselchen, sodass die Wegfindung häufig nicht ganz einfach und Slalom zwischen den Ufern an der Tagesordnung ist. Meist ist striktes Befahren der Außenkurve und rechtzeitiges Wechseln ein guter Ansatz, denn die Innenkurven sind völlig versandet.

Stellenweise ist auch bei umsichtiger Fahrweise kein Weiterkommen mehr im flachen Wasser. Dann heißt es Aussteigen und Treideln. Auch auf die eine oder andere Stromschnelle treffen wir; der ortskundige Fahrtenleiter eilt voraus, stellt sich ins knietiefe Wasser und dirigiert die fünf Boote einzeln durch das gefährliche Wildwasser. Ebenso weiß die Weichsel technische Hindernisse aufzubieten: Am großen Kohlekraftwerk Tursko Male wird das Wasser mit einem Wehr aufgestaut, um besser Kühlwasser entnehmen zu können. Da keine Möglichkeit besteht, das Wehr zu umgehen, wird schließlich nach einigem Telefonieren das Wehr abgesenkt, damit die Boote es überfahren können. Ein beunruhigender Gedanke, aber letztlich völlig harmlos. Allenfalls ein kleiner Absatz im Wasser ist zu sehen und zu spüren. Für die polnische Stromversorgung bleibt zu hoffen, dass über die ganze Zeit genügend Kühlwasser vorhanden war.

Am nächsten Kraftwerk ist Baustelle und die Weichsel mit Spundwänden abgeriegelt. Nur in der Mitte verbleibt ein kleiner Durchbruch in der Spundwand, durch den das Wasser tosend auf die andere Seite schießt. Wir werden bereits erwartet: Ein kleines Motorboot steht bereit, mit dem Fahrtenleiter Łukasz zunächst die Situation erkundet; und eben mit diesem Boot werden die unbemannten Ruderboote schließlich durch das Nadelöhr geschleppt. Bei der Baustelle an der Autobahn A2 nahe Warschau ist die Weichsel komplett durch Ponton-Boote abgeriegelt. Durch Glück entdecken wir ein verbleibendes kleines Rinnsal, das sich zwischen den Sandbänken hindurchschlängelt. Zwischen Sandomierz und Warschau ist die Weichsel zumeist mehrere hundert Meter breit und geprägt von flachen Sandbänken und bewaldeten Ufern. Lediglich im Bereich des Weichseldurchbruchs bei Kazimierz Dolny ist es hügelig und vereinzelt blitzen weiße Kalksteinfelsen auf.

Der Verdacht kommt auf, die Weichsel mag uns nicht: Sind es nicht Sandbänke, Steine, Bäume oder Stromschnellen, so ist es ein kräftezehrender Gegenwind. Kurz vor dem Ziel scheint Königin Weichsel uns nicht mehr fortlassen zu wollen und zwingt uns mit heftigstem Gegenwind und steilen Wellen zu einer Unterbrechung der Fahrt. Trotzdem erreichen wir rechtzeitig Warschau, um an der Bootsparade anlässlich des 140-jährigen Bestehens des Warschauer Ruderklubs teilnehmen zu können. An zwölf Rudertagen sind wir 448 Kilometer gerudert.

Frank Hofmann, Jürgen Stalbohm, Ruderverein