Ein seltener Anblick: Die Tür sowie die Fensterläden des kleinen Turms sind geöffnet.Neuer Ein- und Ausblick: Redakteur Andreas Hennings öffnet den hölzernen Fensterladen. Foto: Oliver von Schaewen

Ein Vierteljahrhundert ist die Tür des Gebäudes beim Polizeirevier ungeöffnet geblieben. Das änderte sich jetzt.

Marbach - Was verbirgt sich im Inneren des historisch anmutenden Steintürmchens an der Ecke Graben-/Steinerstraße direkt neben dem Polizeirevier in Marbach? Wer hat die „Schlüsselgewalt“ für die Holztüre des wenige Quadratmeter kleinen Gebäudes? Und wann und warum wurde das Türmchen überhaupt erbaut? Diese Fragen kamen im Zuge der Adventsserie „Türchen öffne dich!“ der Marbacher Zeitung auf – und sie alle blieben vorerst unbeantwortet. Denn das Türmchen schlummerte, trotz seiner exponierten Lage inmitten der Stadt und obwohl es wohl jeder Marbacher Bürger kennt, im tiefen Dornröschenschlaf. Kein Wunder, schließlich wusste sein Besitzer nicht einmal, dass er der Besitzer ist.

Erst als das Landesdenkmalamt, die Stadtverwaltung Marbach samt Stadtarchiv, die Polizei und vor allem das Amt für Vermögen und Bau genauer recherchierten, war klar: Der Besitzer des Türmchens ist seit 1983 das Land Baden-Württemberg. Eigentlich naheliegend, befindet sich das wohl als Gartenhaus erbaute Gebäude doch direkt neben dem Eingang des Polizeireviers und auch auf demselben Grundstück. Doch einen Schlüssel für das Türmchen, den gab es bei der Polizei eben nicht mehr. Und um es vorwegzunehmen: Bis heute ist auch kein Originalschlüssel aufgetaucht.

Die hölzerne Türe ist inzwischen dennoch geöffnet worden. Zu verdanken ist das dem Marbacher Polizeibeamten Wolfgang Held, der, angefixt durch die MZ-Adventsserie, das Geheimnis um das Türmchen ebenfalls lüften wollte. „Jetzt wo wir wissen, dass der Turm uns gehört, wollen wir auch wissen, was es mit ihm auf sich hat“, sagte er damals. Also begab er sich auf die Suche nach einem passenden Schlüssel – und wurde bei einem Vertragspartner der Polizei, einem Schlosser, fündig. „Der hatte einen entsprechenden Schlüssel in seinem Fundus. Früher war die Schlüsseltechnologie ja doch eine andere“, sagt der Polizist. Sprich: Ein Schlüssel, der zu einer anderen Tür gehört, passte auch in dieses Schloss.

Was nun aber befand sich im Türmchen? „Es sah so aus, als habe der Gipser beim Neubau des Polizeireviers hier etwas gelagert und das dann nicht mehr mitgenommen“, sagt Held, der bereits in dem Revier arbeitet, seit es eingeweiht wurde. Das war 1992, also vor einem Vierteljahrhundert. Es war nun das erste Mal, dass der Polizeibeamte die Tür geöffnet gesehen hat – was wohl dafür entschädigte, dass er neben Spinnweben nur Gerümpel fand.

Inzwischen ist das Innere leergeräumt und gefegt. Der Betonboten sauber. „Der Turm ist schick und der Zustand des Dachs ist auch in Ordnung. Da müssen wir nichts machen“, sagt Held, der sich eigens mit zwei Sachverständigen vom Amt für Vermögen und Bau ein Bild gemacht hat. Bei einer Einsturzgefahr hätte gehandelt werden müssen, auch da wegen des Gehwegs Verkehrssicherheit geboten ist. Doch die Holzbalken des Daches machen einen ordentlichen Eindruck.

Das Geheimnis um den so rätselhaften Turm ist also gelüftet. Und doch wird sich an einem jedoch aller Voraussicht nach nichts ändern. Wolfgang Held: „Ob wir den Raum in irgendeiner Form nutzen werden, das ist doch eher fraglich.“ Der Dornröschenschlaf des Türmchens wird also weitergehen – trotz des nun vorhandenen Schlüssels.