Sabine Stängle führt die Interessierten durch Marbach. Foto: avanti

Bei einer Führung erfahren die Teilnehmer viel über Schiller und das Leben zu seiner Zeit. Sabine Stängle hat Interessierte durch Marbach geführt.

Marbach - Die Zeit von Friedrich Schiller hatte wenig mit poetischen Idealen zu tun. Das vermittelte die im bürgerlichen Stil des 18. Jahrhunderts gewandete Stadtführerin Sabine Stängle am Samstagnachmittag zwölf Interessierten bei einer Führung durch Marbach. Die Gassen waren nicht gepflastert und von Hühnern und Schweinen bevölkert, aus den Fenstern wurde Müll geworfen, oder es wurden gar Nachttöpfe ausgeleert, sodass man ständig durch Unrat watete. „Deshalb trugen auch die bürgerlichen Frauen kürzere Röcke. Nur am Hof gab es Schleppen und dafür tiefe Dekolletés“, schmunzelte Stängle.

Das Rathaus war eine Großbaustelle, auf der Hauptverkehrsader Niklastorstraße drängten sich die Pferdefuhrwerke mit Holz für den Erweiterungsbau des Ludwigsburger Schlosses. Weil für den Bau auch Marbacher zum Frondienst gezwungen wurden, waren sie nicht gut auf Wilhelmine von Grävenitz zu sprechen. Die Mätresse von Herzog Eberhard Ludwig hatte diesen nämlich zur Vergrößerung des Jagdschlosses und zum Umzug des Hofs von Stuttgart nach Ludwigsburg gedrängt.

Die Kostümführung „Schiller und seine Geburtsstadt Marbach“ des Schillervereins, bei der das 18. Jahrhundert lebendig wurde, ist normalerweise bloß für Gruppen zugänglich, konnte am Samstag aber auch einzeln gebucht werden. Empfohlen wurde sie besonders für Familien, doch war tatsächlich nur eine Familie unter den Gästen. Ein Beilsteiner entpuppte sich als eingefleischter Schiller-Fan mit genauen Detailkenntnissen, und auch die anderen bewiesen im Gespräch mit Sabine Stängle etliches Wissen über ein Jahrhundert, das von der französischen ebenso wie von der industriellen Revolution geprägt war.

Der „Goldene Löwe“ war die erste Station. Damals gehörte das Gasthaus noch Schillers Großvater Kodweiß. Der machte jedoch Bankrott und seine verarmte Witwe war auf „Glöcklesgeld“ angewiesen, wusste Sabine Stängle zu berichten. Das sei ihr aber lieber gewesen, als zum Schwiegersohn Johann Caspar Schiller ins verruchte Ludwigsburg zu ziehen, wo man damals „alle, die angeklopft haben“, hereingelassen habe.

Schillers Geburtshaus lag ebenso auf dem Weg der Tour wie die ehemalige Deutsch- und Lateinschule, die Schiller allerdings nicht besucht hat. Als begabter Sohn eines Offiziers musste er auf Wunsch von Herzog Karl Alexander die Hohe Karlsschule besuchen, statt die Pastorenlaufbahn einzuschlagen. Dabei habe er schon als Kind in einer schwarzen Schürze seiner Schwester auf einem Stuhl stehend seiner Familie „gepredigt“, erfuhr die Gruppe. An der Karlsschule habe er sehr unter dem militärischen Drill und der Trennung von seiner Familie gelitten. Dann musste er erst Jura, später Medizin studieren und schrieb nebenher „Die Räuber“, mit denen er berühmt wurde. Der Herzog erteilte ihm jedoch ein Schreibverbot, sodass Schiller aus Württemberg floh. Weil er Militärarzt war, galt das als Fahnenflucht und war ein Grund für die Entzweiung mit seinem herzogtreuen Vater.

Nach einem Besuch bei den „Mauregärte“, wo Marbacher Bürger an der Stadtmauer Kräuter, Gemüse und Grünfutter fürs Vieh anpflanzen konnten, und einem Ausflug zum Torturm endete die Führung schließlich beim Geburtshaus von Tobias Mayer, ebenfalls ein Kind des 18. Jahrhunderts und ein echtes schwäbisches Käpsele in Naturwissenschaften, auf den Marbach ebenso stolz ist wie auf den Dichter.