Quelle: Unbekannt

Ein Vierteljahr lang widmet sich die Marbacher Zeitung in der Serie „Familienzeit“ dem großen Thema täglich.

Marbach/Bottwartal - Familie – schon der Begriff weckt Emotionen. Im besten Fall bedeutet Familie Sicherheit, Halt, Unbeschwertheit und Wärme. Im schlimmsten Fall ist sie gleichzusetzen mit Streit, Hass, Schmerz und zerbrochenen Illusionen. Eines ist jedoch sicher: Familie stellt sich heute vielfältiger dar als noch vor ein paar Jahrzehnten. Immer mehr Kinder werden außerhalb der Ehe geboren, die Zahl der Patchworkfamilien steigt und mittlerweile ist jede fünfte Frau oder Mann alleinerziehend. Das sind nur ein paar Ergebnisse einer Studie der Bertelsmannstiftung.

Das klassische „Ernährermodell“ gehört der Vergangenheit an: Heutzutage sind zwei Drittel aller Mütter mit minderjährigen Kindern erwerbstätig, die meisten in Teilzeit. Mütter kehren früher in den Beruf zurück. Das hat zur Folge, dass Kinder immer häufiger und schon früh in Bildungs- und Betreuungsinstitutionen aufwachsen. Für die Kommunen landauf landab ist das eine große Herausforderung – auch finanziell. Stichwort Finanzen: Rund 21 Prozent aller Kinder leben über mindestens fünf Jahre dauerhaft oder wiederkehrend in einer Armutslage. Und noch ein paar Zahlen: Im Jahr 2014 waren laut dem Familienreport etwa 74 Prozent der Familien in Baden-Württemberg Ehepaare mit Kindern, zirka 20 Prozent waren Familien mit nur einem Elternteil und etwa fünf Prozent nicht-eheliche Paare mit Kindern.

Wie haben sich die Alltagsrealitäten und die Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten verändert? Claudia Kempinski, Leiterin der Fachbereiche Familie und Erziehung bei der Caritas Ludwigsburg-Waiblingen-Enz, braucht nicht lange zu überlegen. „Die Familien haben immer mehr Druck und Stress. Viele haben mehrere Jobs, um ‚überleben’ zu können. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auf und das hat natürlich Auswirkungen auf das Leben in den Familien“, weiß sie. Kurzum: Die Problemlagen der Familien werden immer komplexer. „Und das geht durch alle Schichten“, stellt Kempinski klar. Armut, so Kempinski, zeige sich nicht allein in Euro, sondern auch an den Themen Bildung und Teilhabe.

Die Psychologische Familien- und Lebensberatung der Caritas unterstützt Familien in sämtlichen Anliegen, die sie beschäftigen. Kempinskis Teams bestehen aus psychologischen und sozialpädagogischen Fachkräften. Ein relativ hoher Anteil aller Beratungen in ihrem Fachbereich, rund 37 Prozent, seien Beratungen bei oder nach Trennungen oder Scheidungen, berichtet die Caritas-Mitarbeiterin. Gehen Lebensentwürfe in die Brüche sind Konflikte vorprogrammiert. Nicht selten sind Kinder die Leidtragenden. Doch auch im klassischen Familienmodell ist laut Kempinski ein zunehmender Konkurrenzkampf zwischen Müttern und Vätern zu beobachten. „Da geht es dann vor allem um die Frage, wer seine Sache besser macht.“

Anders als noch vor Jahrzehnten beginne die Betreuung der Kinder heute sehr früh. „Das möchte ich aber nicht werten. Es ist einfach eine gesellschaftliche Realität.“ Zweifelsohne habe auch die Schule heute einen größeren Einfluss als früher. „Konzepte wie die der Ganztagsschule sind sicher gut, aber aus meiner Sicht funktioniert die Umsetzung noch nicht so wie es wünschenswert wäre. Im Schulalltag fehlen Möglichkeiten zur Entspannung, die Kinder erleben den Schultag als Stress.“ Nicht zu vergessen der Druck, der auch in der Freizeit oft noch obendrauf kommt. „Alle wollen nur das vermeintlich Beste und es richtig machen – das ist ein gesellschaftliches Phänomen. Die Folge: Die Kinder sind rund um die Uhr verplant.“

Zeit wird mehr denn je zu einem knappen Gut, deshalb gewinnt das Thema Familie und Zeit in familienwissenschaftlichen und -politischen Diskussionen zunehmend an Bedeutung . Eine im Jahr 2014 im Auftrag des AOK-Bundesverbandes durchgeführte repräsentative Befragung von Eltern mit Kindern im Alter von 4 bis 14 Jahren macht deutlich, dass sowohl für Mütter als auch für Väter heute die zeitliche Belastung stärker wiegt als finanzielle, psychologische oder partnerschaftliche Belastungen oder körperliche Anstrengungen. Wobei die reine Quantität nicht maßgeblich ist, sondern vor allem die Qualität der miteinander verbrachten Zeit für das Gelingen von Familie von Bedeutung ist.

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