Die Helfer der Marbacher Tafel haben ein Auge darauf, dass Kunden nicht anderen das Wasser abgraben. Foto: Archiv (Philipp Weingand)

Die Macher folgen nicht dem Beispiel aus Essen und wollen die Bezugsrechte nicht auf Deutsche einschränken

Marbach/Bottwartal - Nicht nur die Essener Tafel, auch die beiden Tafeln in Marbach und im oberen Bottwartal verzeichnen einen höheren Anteil von Ausländern, seitdem die Flüchtlinge mitversorgt werden. Das führt vor allem bei der Mobilen Tafel im oberen Bottwartal zu Konflikten, da die Ware begrenzt ist und sich Stammkunden zunehmend dem Verdrängungskampf an den Ausgabestellen entziehen. Den Schritt der Essener Tafel, nur noch neue Berechtigungsscheine an Menschen mit deutschem Pass auszugeben, halten die hiesigen Tafel-Betreiber allerdings für nicht erforderlich.

Für die Mobile Tafel im oberen Bottwartal
ist die evangelische Diakonin Margarethe Herter-Scheck mit einem Team aus Ehrenamtlichen einmal in der Woche, am Mittwoch, in Auenstein, Beilstein, Oberstenfeld und Großbottwar unterwegs. „Wir versuchen, die Probleme durch Gespräche zu lösen“, sagt die Diakonin. Man habe einen jungen Flüchtling, der sich freiwillig als Dolmetscher engagiere, um die Ellenbogen-Mentalität abzubauen. Allerdings gestaltet sich die Lage, besonders bei der Ausgabe in Oberstenfeld, als schwierig. „Die Leute kommen und stellen sich zentimetergenau an die Stelle, wo wir immer hinfahren“, erzählt Margarethe Herter-Scheck. „Dann bewegen sie sich nicht von der Stelle und lassen uns kaum richtig ausladen.“

Herter-Scheck beobachtet, dass Stammkunden sich das Gerangel um die günstigeren Lebensmittel nicht mehr geben wollen. „Eine alleinerziehende Mutter hat mir das auch schon erklärt.“ Zudem resignierten viele ältere Menschen, die sich sowieso schon wegen eines höheren Schamgefühls überwinden müssten, um zu kommen.

Trotz des Konfliktes will das Team um die Diakonin das Bezugsrecht nicht auf Deutsche einschränken. „Die Essener Tafel hat eine ganz andere Belastung als wir.“ Dort würden in einem Laden täglich Lebensmittel ausgegeben, „bei uns nur einmal in der Woche“. Der Druck auf das Team sei aber gestiegen – es hätten auch schon Ehrenamtliche aufgegeben. „Ich verstehe das: Sie schneiden sich die Zeit aus den Rippen und merken, dass ihnen so etwas zu viel wird.“ Dennoch finden sich laut Herter-Scheck immer wieder neue Ehrenamtliche, die das Projekt weiterführten. Oft dauere der Einsatz nicht lange. „Manche helfen nur an einer Ausgabestelle, andere nur einmal im Monat.“ Die Fahrer seien dagegen meistens einen ganzen Tag mit dabei. Sie holten morgens die Ware, die von der Heilbronner Tafel aus 80  bis 100 Läden bezogen und auf ihre Tauglichkeit geprüft worden ist, bevor sie ausgegeben wird.

Das Bezugsrecht auf Deutsche zu begrenzen, kommt für die Marbacher Tafel
nicht infrage, erklärt Ewald Pruckner, Vorsitzender des Trägervereins. „Solche Szenen wie in Essen spielen sich bei uns nicht ab – wir haben unseren Laden im Griff“, erzählt er. Die Kunden müssten vor der Türe warten, und das Los entscheide, welche fünf Personen als nächstes einkaufen könnten. Es sei wichtig, dass es geregelt in den Läden zugehe. „Wir hatten auch schon etwas aggressivere Jüngere, aber wir achten darauf, dass die Leute am Eingang die Spielregeln einhalten.“ Wer das nicht einsehe, müsse gehen. Wenn ältere Leute sich nicht zurechtfänden oder zurückgedrängt fühlten, müsse man sie intensiver begleiten und ihnen Hilfestellungen geben, findet Pruckner. Dies sei natürlich in einem Laden viel besser möglich als bei einer mobilen Tafel.

Grundsätzlich gilt für die Marbacher Tafel: Alle mit einem Berechtigungsschein dürfen einkaufen und am Eingang eine Nummer ziehen. „Wir haben schon immer auch Ausländer gehabt“, berichtet Ewald Pruckner, der als Professor an der Fachhochschule in Heilbronn arbeitet und den Vorstandsposten auch übernahm, weil sich seine inzwischen verstorbene Frau ehrenamtlich dort engagierte. Eine dramatische Zunahme an Flüchtlingen sehe er nicht, aber natürlich sei die Zahl gestiegen. Im Laden gehe es jedoch immer noch „sehr ordentlich“ zu. Pruckner denkt, dass Tafeln sich nicht unbedingt politisch äußern müssten, auch wenn sie mit 1000 Läden in Deutschland durchaus ein politischer Faktor geworden seien. „Wir in Marbach wollen klein und bescheiden bleiben“, sagt er und warnt davor, mit unnötigen Polarisierungen ausländerfeindlichen und rassistischen Kräften in die Hände zu spielen.

Die Tafel feiert ihr 20-jähriges Bestehen. „Es wäre schöner, wenn man uns nicht bräuchte“, sagt Pruckner, der mit dem Team 400 Kunden betreut und täglich rund 30 bis 40 Personen versorgt. Hamsterkäufen werde ein Riegel vorgeschoben. „Wir achten darauf, dass die ersten 15 bis 20 Kunden aus dem vollen Angebot aussuchen können.“ Die alte Ware stamme aus zwölf bis 14 Läden, ein Fahrer holt sie täglich innerhalb von drei bis vier Stunden ab. Ein Bäcker backe sogar extra für die Tafel frisch mit. „Er will nicht, dass wir altes Brot verkaufen müssen.“