Zwar scheint die Sonne in diesen Tagen kräftig, doch hat der viele Regen dem Getreide bisher keinen allzu vorteilhaften Wuchs beschert. Foto: dpa

Die Wintergerste weist ein erheblich schmaleres Korn auf. Der Weizen reift zu schnell ab und muss zwei Wochen früher vom Feld geholt werden.

Marbach/Bottwartal - Das schöne Wetter hebt auch Martin Petschls Laune. Der Landwirt sitzt auf seinem Mähdrescher und erntet die Felder mit der letzten Wintergerste ab. „Noch zwei Tage, dann bin ich mit der Gerste fertig“, erzählt der Marbacher, der seine Äcker an der Landesstraße nach Affalterbach abfährt.

Der bisherige Ertrag stimmt den Landwirt und seine Kollegen im Raum Marbach und im Bottwartal nur bedingt zufrieden. „Das Korn ist nicht ganz so voll, wie es sein sollte“, klagt Petschl. Im Großen und Ganzen könne er aber bei einem Ertrag von acht Tonnen pro Hektar auf seinen Feldern noch zufrieden sein. Es habe schließlich von Mai bis Juli sehr viel geregnet. Die Feuchtigkeit mache dem Korn zu schaffen. Nicht zuletzt heiße es in einem Sprichwort: „In einem trockenen Jahr ist noch kein Bauer verreckt, aber in einem feuchten.“

Das Getreide habe insbesondere unter dem Pilz Fusarium gelitten, erzählt Martin Petschl. Immerhin habe er beim Wintergetreide einen relativ hohen Eiweißgehalt von 14  Prozent gemessen. Petschl sieht darin einen gewissen Ausgleich zu den geringeren Mengen: „Die Qualität steigt meistens dann, wenn die Quantität niedrig ist.“

Hohe Eiweißmengen im Getreide sind vor allem für Landwirte ein Trost, die ihre Wintergerste an Schweine verfüttern, erklärt Albert Scholpp, Berater für Pflanzenanbau beim Landratsamt Ludwigsburg. „Das Korn ist deutlich schmaler“, beobachtet er. Es erreiche nur eine Größe von 60 bis 70 Prozent, normal seien aber 90 bis 95  Prozent. „Die Ausreife ist mit der Hitze abrupt gestoppt“, erklärt Scholpp. Der Grund liege darin, dass die Pflanzen durch den ständigen Regen ihre Nährstoffe direkt von der Oberfläche ziehen konnten. „Sie mussten mit der Wurzel nicht tief in den Boden.“ Dieser Effekt habe aber jetzt, in der Hitze, eine schnelle Abreife zur Folge.

Für die Weizenernte erwartet Albert Scholpp deshalb am Mittleren Neckar ein „unterdurchschnittliches“ Ergebnis. Denn im Raum Marbach und im Bottwartal seien die Lehmlößböden zwar hervorragend, „es wird aber auch schnell über 30 Grad heiß“. Die Hitze beschleunige die Abreife und werde den Ertrag zusätzlich schmälern. „Da sind Landwirte auf der Schwäbischen Alb besser dran – sie werden bei Höchsttemperaturen von 28  Grad sicherlich 30 bis 40  Doppelzentner mehr Weizen pro Hektar ernten als ihre Kollegen im Neckartal.“

Mit dem Wetter hadert auch Jürgen Häußermann, Geschäftsführer der Landwirtschaftlichen Absatzgenossenschaft Labag in Marbach. „Wir hatten zu wenig Sonne“, blickt er auf den bisherigen Verlauf des Sommers zurück. Die Wintergerste habe sich nicht ausbilden können. Er gehe in diesem Jahr von einem Ertrag von durchschnittlich sechs  bis sieben Tonnen pro Hektar aus. Im Vorjahr lag er laut Häußermann bei acht  bis neun Tonnen.

Bisher sind erst zehn Prozent des Getreides von den Feldern geholt worden, weiß der Labag-Geschäftsführer. Doch die Tendenz für die bevorstehende Weizenernte sei eindeutig: „Man muss sich schon Sorgen machen.“ Wer sich etwa nicht mit Fungiziden gegen Pilze zur Wehr gesetzt habe, werde Einbußen hinzunehmen haben. „Da wird das ein oder andere in die Biogas-Anlage abgegeben werden müssen.“ Für die Bauern wäre das eine Katastrophe, denn auch die Weltmarktpreise für Getreide bewegten sich nach der dritten großen Ernte im Tiefflug.

Die Koppelung an den Weltmarkt beschert auch den Landwirten im Raum Marbach und im Bottwartal einen niedrigen Weizenpreis von 130 bis 140  Euro pro Tonne. Laut Häußermann sei es nicht möglich, zu diesem Preis kostendeckend zu arbeiten. „Nach einem Boom 2011 bis 2013 ist der Markt seit zweieinhalb Jahren wieder kaputt.“ Er rechne damit, dass aufgrund der niedrigen Preise, insbesondere für Milch und Fleisch, der Bestand an Betrieben mit tierischer Veredelung zurückgehen wird.