Karin Götz blickt in ihrer Kolumne auf das lokale Zeitgeschehen. Foto: MZ

Ein Fall in Steinheim ist für unsere Redaktionsleiterin Karin Götz Anlass, über die Seriosität von anonymen Schreiben an Redaktionen zu reflektieren.

Marbach - Immer mehr Menschen haben Probleme, offen zu ihrer Meinung zu stehen. Andere setzen ihre Anonymität bewusst ein, um zu provozieren, zu verunsichern und falsche Informationen zu streuen. In sozialen Medien ist es gang und gäbe, unter einem Pseudonym mitzumischen und leider viel zu oft auch zu hetzen. Eine unsägliche Entwicklung.

Dass wir Zeitungsredaktionen anonyme Briefe erhalten, ist ebenfalls nicht neu. Und für mich doch immer wieder ärgerlich. Besonders, wenn offensichtlich ist, dass der anonyme Schreiber vor allem das Ziel hat, Unruhe zu stiften, ein schlechtes Bild von anderen zu zeichnen oder sie gar in den Schmutz zu ziehen.

Ein solcher anonymer Brief ist diese Woche auf meinem Schreibtisch gelandet. Um es genau zu nehmen, waren es gleich zwei Briefe. Einer war an unsere Redaktion gerichtet und einer war schon vor zwei Wochen an Landrat Rainer Haas geschickt worden. Der Absender? Ein „Steinheimer Bürger“. Sein Ziel? Eine Geschichte in unserem Lokalteil über die unhaltbaren Zustände in seiner Stadt. So nach dem Motto „Steinheim mal wieder“. Der Vorwurf: Die Stadt hat eine Ortschaftsrätin beschäftigt und mit ihrem Einsatz auf dem Einwohnermeldeamt gesetzeswidrig gehandelt. Die Fakten: Besagte Rätin hat in der Tat an drei Tagen insgesamt neun Stunden lang ausgeholfen. Doch ihr Einsatz war konform mit der Gemeindeordnung und von der Verwaltung darüber hinaus im Vorfeld mit der Kommunalaufsicht abgeklärt.

Ich schwanke in meiner Reaktion auf den namenlosen Brief zwischen Wut, Ungläubigkeit und Heiterkeit. Haben wir denn wirklich keine andere Sorgen? Der Anonymus offenbar nicht. Man könnte schon fast Mitleid mit ihm haben. Und doch bin ich ihm auch dankbar, denn sein Schreiben hat in unserem Haus eine lebhafte Diskussion darüber ausgelöst, wie wir mit der Situation umgehen. Dem Schreiber eine Plattform geben oder nicht?

Ich habe mich für Letzteres entschieden und die Briefe in den Papierkorb geworfen. Ja, die Aufgabe einer Redaktion ist es, Vorwürfe zu prüfen, Rechtswidrigkeiten aufzudecken und die Öffentlichkeit gegebenenfalls über sie zu informieren. Wir lassen uns aber nicht instrumentalisieren und zum Handlanger eines Anonymus’ mit undurchsichtigen Motiven und falschen Vorwürfen machen. Vermutlich zum Bedauern des Briefeschreibers, der der Stadt und ihren Verantwortungsträgern ein faules Ei legen wollte. Ihnen allen, liebe Leser, und ganz besonders besagtem Anonymus wünsche ich ein schönes Osterfest!