Bei Spielen der deutschen Elf platzt das Bootshaus aus allen Nähten. Foto: Archiv (Kuhnle)

Das Public Viewing im Marbacher Bootshaus gilt als Kult. Bald ist es wieder soweit. Die Fußball-EM in Frankreich beginnt am 10. Juni, die Vorfreude steigt.

Marbach/Bottwartal - Die Griechen sind nicht dabei – für Panagiotis Cherakis kein Grund, Trübsal zu blasen. „Ich freue mich jedes Mal auf die Fußball-Turniere“, sagt der Wirt des Marbacher Bootshauses. Seit 20 Jahren organisiert er das Public Viewing im Biergarten. Bis zu 1000 Gäste verfolgen inzwischen die Spiele der deutschen Nationalmannschaft. Cherakis hat auch für die Fußball-Europameisterschaft vom 10. Juni bis zum 10. Juli Vorkehrungen für die Massenveranstaltungen getroffen.

Einen heißen Draht pflegt der Bootshaus-Wirt vor allem zum Marbacher Ordnungsamt. Pappbecher statt Bierkrüge, ein Security-Dienst und Rettungssanitäter sind ebenso Pflicht wie Absperrungen. „Die Gäste sollten mindestens zwei Stunden vor dem Spiel schon da sein, um sich einen Platz zu sichern“, empfiehlt Antje Wilder, Mitarbeiterin im Bootshaus-Team. Die Atmosphäre sei immer friedlich gewesen. „Die Gäste fühlen sich wohler, wenn sie wissen, es ist im Zweifelsfall für alles gesorgt“, weiß ihr Chef Cherakis. Gelassen blickt auch der Marbacher Ordnungsamtsleiter Andreas Seiberling der Fußball-EM auf Marbacher Boden entgegen. „Das Neckarufer ist ein Bereich, in dem es gehen kann“, sagt er und denkt dabei vor allem an die Lärmproblematik nach 22 Uhr bei den spät angesetzten EM-Spielen. „Die Entfernung zu den nächsten Gebäuden lässt es machbar erscheinen.“

Das Public Viewing am Bootshaus ist laut UEFA-Statut keine kommerzielle Veranstaltung, sodass er vom europäischen Fußballverband keine Lizenz erwerben braucht. Als kommerziell stuft die UEFA die Live-Übertragung im Biergarten nicht ein, weil kein Eintritt erhoben wird. „Ich muss nur die Gema-Gebühren zahlen“, sagt Cherakis, der darüber hinaus seine Veranstaltung nicht als eine des europäischen Fußball-Verbandes ausgeben und das Logo nicht verwenden darf. Davon jedoch ist der bodenständige Cherakis eh so weit entfernt wie die Akropolis vom Nordpol.

Ebenfalls auf EM-Kurs ist Mahir Kizilbel, Wirt des Murrer Eiscafés und Vinothek Mille Miglia in Murr. „Ich stelle bei schönem Wetter den Fernseher auf die Terrasse“, verspricht er. Vor zwei Jahren habe das bei der WM ganz gut funktioniert. Zeigen werde er wie das Bootshaus nicht nur die deutschen Spiele, sondern auch andere. Denn die Gäste seien hauptsächlich Fußball-Liebhaber, die sich auch für die anderen Matches interessierten. „Dass hier mal 50 Italiener sitzen, um ihre Mannschaft anzufeuern, hat es bisher nicht gegeben.“ Trotzdem ist Mille Miglia schon öfter zum Ausgangspunkt eines spektakulären Korsos geworden. „Murr ist schon ein bisschen fußballverrückt“, sagt Kizilbel. So habe ein Gast vor zwei Jahren eine Art Mähdrescher als Dreirad flott gemacht. „Der Mann saß vorne, die Frau hinten – sie schwenkten eine große Fahne und feuerten Raketen ab.“ Mahir Kizilbel muss ob solcher verrückten Ausnahmen schmunzeln. „Die meisten Gäste genießen eher still die Einheit vor dem Fernseher.“

Den Spaß am Fußball hat im Laufe der Zeit auch Pia Heidler, Wirtin des Café Provinz in Marbach, entdeckt. Sie sei zwar kritisch, was den Kommerz des Profifußballs mit den hohen Summen angehe, „aber das gemeinsame Erleben der Spannung und der Freude hat etwas“. Wie der Kollege aus Murr zahle auch sie der Gema Gebühren, sie werde auch möglichst viele Spiele am Abend mit Beamer und Leinwand „für die Café-Provinz-Familie und Gäste, die dazukommen“ zeigen.

An die Begeisterung bei der Fußball-EM 2008 erinnert sich noch Alexander Zlab, der mit Freunden ein Public Viewing auf dem Burgplatz organisiert hatte. „Das war damals ein Mordshype und wir hatten wahnsinniges Glück mit dem Wetter.“ Das hohe Risiko habe man aber später gescheut. „Es entstehen viele Kosten, wir hatten extra eine Firma gegründet – wenn dann nur zehn Gäste dasitzen, hat man ein Problem.“ Die Erinnerung an die Zeit sei jedoch wunderbar.

Den Burgplatz stuft das Marbacher Ordnungsamts inzwischen als ungeeignet für ein Public Viewing ein. „Die Nachbargebäude sind zu nah dran, die Lärmprobleme wären zu groß“, sagt Andreas Seiberling.