Eberhard Gienger (CDU, Bild) Foto: Werner Kuhnle

Eberhard Gienger (CDU) und Thomas Utz (SPD) bewerten die Bedeutung der Flüchtlingspolitik für den Wahlausgang unterschiedlich.

Marbach/Bottwartal - Einen Tag nach der Wahl suchen sowohl der siegreiche Eberhard Gienger (CDU) als auch der unterlegene Herausforderer im Wahlkreis Neckar-Zaber, Thomas Utz (SPD), nach Erklärungen für den starken Stimmenschwund. Gienger verlor jeweils bei den Erststimmen (von 53,2 auf 40 Prozent) und Zweitstimmen (von 45,3 auf 33 Prozent), Utz blieb bei den Erststimmen mit 19,7 Prozent unter der 20-Prozent-Marke und konnte nicht verhindern, dass die SPD bei den Zweitstimmen von 21 auf 16,5 Prozent absank. Beide Politiker müssen damit leben, dass vor allem auch bei den Zweitstimmen die AfD, aber auch die FDP, Wähler aus ihren Reihen abgeworben haben. Augenfällig ist dabei, dass die beiden Politiker die Rolle der Flüchtlingspolitik nahezu konträr bewerten und das Erstarken der AfD eher in der Verantwortlichkeit des bisherigen Koalitionspartners sehen. So geht Gienger von einer „Protestwahl“ aus. Die CDU hätte im Wahlkampf deutlicher machen müssen, dass sie sich für eine Verschärfung des Asylrechts eingesetzt habe. „Wir wollten etwa die nordafrikanischen Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklären.“ Das aber hätten nicht zuletzt die SPD-geführten Länder im Bundesrat verhindert.

Die CDU habe viel für die innere Sicherheit getan „und dafür, dass Wirtschaftsflüchtlinge nicht mehr hier ankommen“, argumentiert Eberhard Gienger. „Es ist aber nicht so rübergekommen.“ Weite Teile der Bevölkerung fühlten sich durch die Aufnahme von Flüchtlingen nicht verstanden – das sei durch den Wahlerfolg der AfD deutlich geworden. Man müsse eine wirksame Verkürzung der Asylverfahren anstreben. „Es geht nicht, dass sich schon abgelehnte Asylbewerber derart lange mit Hilfe von Rechtsanwälten ihrer Abschiebung entziehen können.“ Die wirklich Verfolgten und Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, vor allem wenn sie sich jahrelang hier integriert hätten, arbeiteten und Steuern zahlten, nimmt Gienger ausdrücklich in Schutz. „Ich denke eher an Migranten, die in Zukunft noch kommen könnten.“ Für richtig halte er hingegen ein Einwanderungsgesetz für Fachkräfte.

Obwohl er in Baden-Württemberg unter allen SPD-Kandidaten nach Erststimmen auf dem dritten Platz landete, ist Thomas Utz mit seinem Ergebnis nicht ganz zufrieden, bei den Zweitstimmen liege die SPD im Wahlkreis Neckar-Zaber „im Landesschnitt“. Erfreuliche Ergebnisse in Marbach, Bietigheim-Bissingen, Tamm und Murr zeigten, dass seine Kandidatur durchaus wahrgenommen worden sei.

Die Kritik Giengers daran, dass die SPD mit ihrem Kurs in der Flüchtlingspolitik am Erstarken der AfD eine starke Mitverantwortung trage, lässt Thomas Utz nicht gelten. „Die CDU hat die höheren Verluste – sie hat ihre Bürgernähe verloren und es nicht geschafft, ihr bürgerliches und konservatives Milieu zu bedienen.“ Gienger mache es sich zu einfach, wenn er alles auf die Flüchtlingsfrage schiebe. „In diesem Land gibt es viele Ungerechtigkeiten“, sagt Utz und nennt „keine wachsende Mittelschicht“, „kleine Einkommen“ und „prekäre Beschäftigungsverhältnisse“, indem Arbeitnehmerrechte zurückgefahren worden seien. Die AfD aber würde mit ihrem Programm auf diese Probleme keine wirksamen Antworten geben. „Sie steht gegen soziale Sicherung und die Errungenschaften der vergangenen 70 Jahre für Arbeitnehmer“, sagt Utz. Wer immer in befristeten Beschäftigungsverhältnissen oder in Leiharbeit tätig sei, er habe sich keinen Gefallen getan, wenn er die AfD gewählt habe.

Dass Martin Schulz die Koalition mit der CDU aufgekündigt hat, ist aus Sicht von Utz nur konsequent. „Die SPD muss wieder die Stimme des kleinen Mannes werden – das kann sie nur aus der Opposition heraus.“ Außerdem sei es für die Demokratie gefährlich, wenn eine Partei wie die AfD mit ihrem rechtsradikalen und nationalistischen Gedankengut zum Oppositionsführer würde. „Ich wünsche mir von der SPD-Fraktion im Bundestag, dass sie dem entschieden widerspricht.“

Die Fortsetzung der schwarz-roten Koalition hat dagegen Eberhard Gienger noch nicht abgehakt. „Jetzt werden erst einmal Gespräche geführt“, sagt er. Martin Schulz habe „kein so tolles Ergebnis“ eingefahren, man müsse abwarten, ob er sich durchsetze. Es sei für die CDU prinzipiell einfacher, nur mit einem Partner zu koalieren.