Sabine Willmann (rechts) Foto:  

Die Marbacher Regisseurin Sabine Willmann feiert mit „Luthers Tat...!“ Uraufführung beim Kirchentag in Berlin.

Marbach - Der Terminkalender von Sabine Willmann ist dieser Tage gut gefüllt: Gestern erst hat die Regisseurin und Autorin aus Marbach in der Stadthalle das NaturVision Filmfestival für hunderte Schüler auf die Beine gestellt. Heute macht sich die 50-Jährige auf den Weg nach Potsdam und Berlin, da dort an Christi Himmelfahrt beim evangelischen Kirchentag das Werk „Luthers Tat...! – Erinnerungen an die Gegenwart“ uraufgeführt wird. Ein Werk, an dessen Entstehung die Marbacherin als künstlerische Leiterin maßgeblich beteiligt war.

Bei „Luthers Tat...!“ handelt es sich um ein inszeniertes Konzert mit den Elementen Musik, Schauspiel und Film. Das Besondere: Die drei Sparten werden nicht hintereinander abgespult, sondern greifen ineinander. So erzeugen die Stuttgarter Hymnus-Chorknaben, die 14 Lieder auswendig darbieten und so das Fundament für das Werk stellen, zusätzlich die Geräusche zu manchen der stummen Filmszenen. Zum Beispiel, indem sie die Geräusche eines Gewitters imitieren.

Und zwar die eines folgenreichen Gewitters. Denn das Thema des Kirchentags – wie könnte es zum 500-Jahr-Jubiläum anders sein – ist die Reformation von Martin Luther. Und dieser habe sich, so heißt es, bei Gewitter aus Angst entschieden, Mönch zu werden. Zum auf lateinisch vorgetragenen Lied „Non Moriar“ verspricht das den ersten Gänsehaut-Moment zu Beginn des 75-minütigen Konzerts, das am Donnerstag in Potsdam, am Freitag und Samstag in Berlin zu sehen und zu hören ist.

In „Luthers Tat...!“ geht es weniger um das Leben Luthers selbst, sondern mehr um die Auswirkungen seiner Reformation. Die Menschen konnten sich mit einem Ablass von ihren Sünden loskaufen. Luther versuchte der Bevölkerung klarzumachen, dass die Bibel die einzige Richtschnur im Glauben sei, nicht die Kirche. Also übersetzte er die Bibel. „Es ging der Kirche um Macht. Und eine etwas versteckte Kernbotschaft in unserem Stück ist die Frage, inwieweit man heute als Mensch fremdbestimmt sein möchte“, sagt Sabine Willmann. „Denn auch heute sind Menschen fremdbestimmt, wenn auch in anderen Bereichen.“ „Luthers Tat...!“ solle zum Nachdenken anregen und richte sich auch an nicht-religiöse Menschen.

Seit vergangenen Sommer ist die leidenschaftliche Regisseurin Sabine Willmann in das Projekt involviert. Das hat sie der Schauspielerin Dorothea Balzer zu verdanken, mit der sie bei der Rockoper „Das Lied von Schillers Glock“ zusammengearbeitet hat und die dabei auch in Marbach bekannt geworden ist. Sie hatte Willmann nun als Regisseurin vorgeschlagen. Und schnell ergab sich, dass Willmann neben der Theaterregie konsequenterweise auch für die Filmszenen zuständig wurde. So probte sie wöchentlich mit Dorothea Balzer, die in diesem Werk Martin Luther spielt. Auch mit den Chorknaben, die acht bis 25 Jahre alt sind, übte sie intensiv, ist der Chor doch nicht nur gesanglich, sondern auch schauspielerisch eingebunden. „Das hat besonderen Spaß gemacht, auch wenn es nicht viele Probetermine gab und die Kinder überrascht waren, welche Rolle sie einnehmen. Aber sie haben schnell gelernt und können das immer wieder abrufen. Das merkte ich schnell“, so Sabine Willmann.

Die stummen Filmszenen hat die Regisseurin mit ihrem Mann Oliver Heise, der die Produktionsleitung übernahm, auf der Schwäbischen Alb und in der Klosterruine Hirsau gedreht. Dargestellt wird darin die schöne, aber auch die müllverseuchte Welt. Und Krieg, den sie mit einer Gasmaske darstellt, die an einem Baum hängt. „Auf kämpfende Menschen habe ich verzichtet, weil ich assoziative Bilder zur Kirchenmusik viel stärker finde“, sagt die Marbacherin, die anfangs eine erste Liedauswahl vom musikalischen Leiter Rainer Johannes Homburg zur Verfügung hatte. „Alles Weitere habe ich dann mit der Leipziger Autorin Frauke Kuhfuß-Knauer entwickelt. Das dauerte länger, als es mir lieb war. Aber letztlich lief es optimal, weil es nicht optimal lief“, sagt Sabine Willmann schmunzelnd.

Ihre Vorfreude auf den Kirchentag ist groß. „Auch wenn es bei einer Generalprobe eigentlich keinen Applaus geben soll – am Samstag konnte das Publikum nicht darauf verzichten. Es war einfach so schön“, sagt sie. Der Rahmen des Kirchentags sei nun ein Highlight, und in der Konstellation von Musik – Schauspiel – Film sei dies für sie eine Premiere. „Die Herausforderung war es, die drei Sparten zeitlich aufeinander abzustimmen.“ Das Ergebnis führt auch dazu, dass die Regisseurin es nicht beim Besuch der Uraufführung in der Nikolaikirche in Potsdam belässt. Auch in der Berliner Sankt-Marienkirche und beim Abschluss in der Sankt-Hedwigs-Kathedrale wird sie dabei sein – trotz eines weiteren Termins am Samstagmorgen beim Filmfestival in Karlsruhe. „Alle drei Kirchen sind baulich so verschieden, dass ich die Positionen vor Ort mit der Gruppe und dem Techniker anpassen muss. Außerdem ist die Kathedrale die schönste der drei Kirchen. Das möchte ich schon erleben und werde am Samstag wieder nach Berlin fliegen“, sagt sie. Stichwort voller Terminkalender.