Foto: Werner Kuhnle

Rund 800 Kilogramm Scherben hat Jörg-Dieter Westermayer (links) gesammelt. Jetzt hat er sie an Jürgen Berner, ehrenamtlich Beauftragter des Landesdenkmalamtes, übergeben.

Marbach/Benningen - Wenn Jörg-Dieter Westermayer spazierengeht, schaut er sich immer aufmerksam um: Vor allem nach dem Pflügen findet sich auf den Äckern rund um Marbach, Erdmannhausen und Affalterbach immer etwas. Im Lauf der Jahre hat der 77-jährige ehemalige Oberstudienrat am Karlsgymnasium in Stuttgart mit den Fächern Geschichte, Griechisch und Latein etwa 800 Kilogramm Scherben aus der Steinzeit, aber auch „jüngere“ Artefakte von Kelten und Römern gesammelt.Diese Funde hat Westermayer jetzt an Jürgen Berner, den ehrenamtlichen archäologischen Beauftragten des Landesdenkmalamts, übergeben. An seiner Werkbank im Keller seines Hauses in Benningen hat Berner die Bruchstücke genauer unter die Lupe genommen. „Es sind überwiegend Keramik-Scherben aus der Steinzeit, dem Neolithikum“, hat Berner festgestellt. „Sie sind also zwischen 4000 und 7000 Jahre alt.“ Aber auch aus der Zeit der Kelten stammen einige Funde, aus der Hallstattzeit und der Latenezeit. „Wir haben hier Scherben sowie Schlacke von der Eisenverhüttung aus den Rennöfen von Neuenbürg bei Pforzheim“, erklärt Berner. Die Funde rund um den Lemberg lassen sich aus bekannten historischen Fakten erklären: „Hier waren einige Grabhügel und Viereckschanzen vorhanden, die durch die Feldwirtschaft eingeebnet wurden.“

Auch von den alten Römern hat Westermayer einige Fragmente gefunden: Scherben, Verputz und viele Ziegelstücke von der Handelsniederlassung am Hafen in der Murrmündung auf Höhe der Kläranlage Häldenmühle und von der Villa Rustika im Eichgraben.

Durch einen Zeitungsausschnitt aus der Marbacher Zeitung wurde Jürgen Berner schon im Jahr 2005 auf Jörg-Dieter Westermayer aufmerksam. Das gezielte Sammeln auch in der Umgebung hat sich gelohnt. Insgesamt sind es 24 Fundstellen in 13 Gemeinden. Die Keramik-Scherben aus der Steinzeit, machen den größten Anteil aus. Bandkeramiken stammen aus dem Altneolithikum, in der Mittleren Jungsteinzeit gab es die Rössener, Großgartacher und Hinkelsteinkultur, im Jungneolithikum die Schwieberdinger Gruppe, Schussenrieder Nord-Kultur und Michelsberger Kultur und schließlich im Endneolithikum an der Schwelle zur Bronzezeit die Schnurkeramik und Glockenbecher Kultur.

Das mittlere Neckartal von Bad Wimpfen bis Tübingen, so Berner, wurde ausgehend vom „fruchtbaren Halbmond“ im Vorderen Orient über die ungarische Tiefebene und dem oberen Donautal ab 6000 vor Christus besiedelt. „Auf den fruchtbaren Lössböden wurden die Wälder gerodet und erste Lehmhütten auf den Siedlungsinseln errichtet. Die Nähe zum Wasser war sehr wichtig.“ Diese „Neolithische Revolution“ habe eine grundlegende Veränderung in den Lebens-und Wirtschaftsverhältnissen der Menschen gegenüber den alten steinzeitlichen Lebensformen mit sich gebracht. „Es war die neue, bäuerliche Wirtschaftsweise, die sich gänzlich von den Jägern und Sammlern abhob.“ Die Menschen wurden sesshaft, kultivierten Wildgetreide und domestizierten Wildtiere. Es wurden Nutzpflanzen und -tiere herangezüchtet. „Eine völlig neue Errungenschaft war die Herstellung von Keramikgefäßen zum Kochen und Aufbewahren, also Vorratshaltung von Nahrungsmitteln.“ So lassen sich auch die Scherben-Funde erklären.

Geräte, Werkzeuge und Waffen wurden aus Holz und Feuerstein hergestellt. Durch Schleifen, Bohren und Sägen von Gestein wurden Beile, Hämmer und Pflugscharen zurecht geschliffen. Auf der Gemarkung Erdmannhausen hat Jörg-Dieter Westermayer eine ganze Werkstatt entdeckt.