Jan Trost Foto: Werner Kuhnle

Der Bürgermeister Jan Trost kündigt an, dass eine Entscheidung über die Ausweisung des Areals an der Affalterbacher Straße nach den großen Ferien fallen wird.

Marbach - Das Neubaugebiet steht auf der Kippe, die Eltern an der Grundschule haben wegen der neuen Betreuungszeiten rebelliert, Anwohner kritisieren die geplante Anbindung des Neckars an die Altstadt: Der Bürgermeister Jan Trost hat zuletzt einige Brandherde löschen müssen. Zugleich galt es, Projekte wie die Umgestaltung des Pfundhauses voranzutreiben. Im Interview nimmt er zu diesen Themen Stellung, erklärt aber auch, warum die Stadt in Sachen Asyl an Grenzen stößt.

Herr Trost, die Sommerpause steht vor der Tür. Wie wichtig ist es, nun erstmal durchschnaufen zu können?
Das Durchschnaufen ist sehr wichtig, denn das erste Halbjahr war sowohl für mich als auch mein Rathausteam sehr arbeitsintensiv. Ich habe am Anfang der Sommerferien Urlaub und freue mich darauf, mit meiner Familie zu verreisen und gemeinsam Zeit zu verbringen.
Zumal danach wahrscheinlich die Maschinerie gleich wieder auf Hochtouren anläuft?
Das stimmt. Im September finden die Bundestagswahlen statt, die wir vorbereiten müssen. Dazu steht das Jubiläumswochenende mit unseren französischen Freunden aus L’Isle-Adam vom 15. bis zum 17. September auf dem Programm. Danach geht es nahtlos weiter mit Terminen wie den Schillerfeierlichkeiten im November.
Die vergangenen Wochen waren hingegen unter anderem von dem Zwist an der Marbacher Grundschule geprägt, wo Eltern monierten, dass es keine Betreuung in den Mittagspausen geben soll.
Das Ganze war schwierig zu moderieren. Es gibt so viele unterschiedliche Interessenslagen in der Elternschaft, die man versuchen musste, halbwegs unter einen Hut zu bekommen. Das alles unter Berücksichtigung der Vorgaben seitens der Landesregierung, wo der Schwerpunkt auf die Ganztagesbetreuung gelegt wird.
Wäre es dennoch nicht besser gewesen, an der Kernzeitbetreuung festzuhalten?
Durch die Einstellung der Zuschüsse seitens des Landes ist es politischer Wunsch gewesen, entweder auf das eine oder das andere Pferd zu setzen. Man hat sich in Marbach unter Beteiligung von Elternvertretern in einer Arbeitsgruppe bewusst dafür entschieden, die Ganztagsschule in der freiwilligen Form zu etablieren und in diesem Zusammenhang die Kernzeitbetreuung zu beenden. So wurde es auch von der Schulkonferenz, in der Lehrer und Eltern sitzen, beschlossen. Die Eltern, die ihre Kinder zuhause betreuen wollen, können das nach wie vor tun, die anderen haben die Möglichkeit, ihre Kinder kostenfrei in der Ganztagsschule anzumelden. Ich denke aber, wir haben nun nach intensiven Diskussionen mit den Eltern eine gute Lösung gefunden. Die große Mehrheit müsste damit ganz gut leben können. Die kurzen Mittagspausen und die Ferienzeiten können durch Betreuungsangebote abgedeckt werden. Jetzt muss nur noch Personal für eine Betreuung durch Itzebitz in der langen Mittagspause gefunden werden.
Ein anderer Aufreger war die Aussage mehrerer Fraktionen, dass das Neubaugebiet an der Affalterbacher Straße kippen könnte, wenn dort kein erschwinglicher Wohnraum entsteht. Hat Sie das überrascht?
Nicht wirklich. Wir haben das Thema nicht-öffentlich mehrfach diskutiert, sodass sich ein bestimmtes Stimmungsbild herauskristallisiert hat. Wichtig ist, dass wir für alle Bevölkerungsschichten in dem Neubaugebiet etwas anbieten können. Mit dieser Vorgabe sind wir in die Entwicklung des Gebietes eingestiegen. Fakt ist aber auch: Wenn man neu baut, wird es durch eine Vielzahl bundes- und landespolitischer Vorgaben teurer, als wenn man in den Bestand investiert. Ich persönlich bin allerdings auch der Auffassung: Wenn wir nichts machen, werden die Kosten für Wohnraum in Marbach noch weiter steigen. Die Nachfrage nach Immobilien in Marbach ist aufgrund der hohen Lebensqualität in der Stadt sehr hoch. Wenn es aber im Gegenzug kein Angebot gibt, ziehen die Preise an und die finanziell schwächer Gestellten haben irgendwann gar keine Chance mehr, eine Wohnung zu finden.
Billigen Wohnraum werden die weniger gut Betuchten aber in dem Neubaugebiet kaum finden, wenn die Bauträger die Preise diktieren können.
Deshalb wollen wir mit den Bauträgern auch eine Lösung für dieses Problem finden. Wir möchten aber zugleich nicht von unserem Kurs abweichen und eine qualitativ hochwertige Bebauung erreichen. Im zweiten Halbjahr wird eine Entscheidung fallen. Entweder wir können einen Kompromiss aushandeln oder das Projekt steht auf der Kippe.
Ist es nicht widersprüchlich, auf der einen Seite günstigen Wohnraum schaffen zu wollen, auf der anderen Seite nicht von dem Anspruch abrücken zu wollen, ein städtebaulich anspruchsvolles Gebiet zu realisieren?
Den Spagat müssen wir hinbekommen. Der politische Wille ist, eine Bebauung mit großzügigen Grünflächen und einem Quartiersplatz umzusetzen. Durch die Vorgaben des Verbands Region Stuttgart auch mit einem größeren Anteil an Geschosswohnungsbau.
Wie kann ein Bauträger dazu gebracht werden, günstigen Wohnraum bereitzustellen?
Indem wir sagen: Entweder es wird ein gewisser Anteil an preisvergünstigtem Mietraum angeboten oder das Gebiet kommt nicht. In den entsprechenden Wohnungen könnten dann zum Beispiel Personen mit Wohnberechtigungsschein zum Zuge kommen. Wir sind dazu in intensiven Gesprächen mit den Verantwortlichen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um eine Firma, die die meisten Flächen kaufen konnte. Wir haben das Gefühl, besagter Bauträger hat verstanden, worum es uns geht, und hoffen, er wird ein passendes Konzept im Gemeinderat präsentieren.
Wann wird das Gremium denn erste Planungen zur Südtangente sehen?
Die Grünen hatten im Rahmen der Haushaltsberatungen einen ergänzenden Antrag gestellt, wonach die Entwicklung verschiedener Verkehrsströme dargestellt werden soll. Diese Punkte müssen untersucht werden. Wenn sämtliche Zahlen vorliegen, wird es eine Entscheidung zur Südtangente geben. Wir hoffen, dass die Diskussion im zweiten Halbjahr 2017 geführt werden kann.
Ein anderes Verkehrsthema in Marbach ist die angespannte Parksituation. Bis wann wird ein weiteres Parkhaus stehen?
Wir wollen in der Hinsicht zwei Schwerpunkte untersuchen: Den Bereich beim Gerberplatz und das Kino-Areal. Beim Gerber-Platz sind wir noch nicht weitergekommen, der Fokus liegt daher zunächst auf dem Gelände des ehemaligen Lichtspielhauses in der Güntterstraße, das im Eigentum der Stadt ist. Ein Büro ist damit beauftragt worden, eine Machbarkeitsstudie zu entwickeln. Zielrichtung soll sein, zu untersuchen, ob im unteren Bereich eines Gebäudekomplexes neue Parkplätze geschaffen werden können und ob darüber Wohnraum geschaffen werden kann. Wenn die Ergebnisse vorliegen, wird man entscheiden, ob das umgesetzt werden soll. Es liegt aber noch ein weiterer Antrag des Gemeinderats vor, in dem alternativ angeregt wird, in dem Gebäude ein Haus der Kulturen einzurichten.
Beschließen müssen Sie demnächst auch, ob wegen der Zufahrt zur Sporthalle von der Affalterbacher Straße aus ein Enteignungsverfahren angestrengt werden soll. Oder zeichnet sich mit dem Eigentümer inzwischen ein Kompromiss ab?
Uns fehlt weiter ein Grundstück für das Vorhaben. Wir sind sehr an einer einvernehmlichen Lösung mit den Grundstückseigentümern interessiert und haben viele Gespräche geführt. Wenn es auf dem Verhandlungsweg keine Einigung gibt – und danach sieht es leider aus – muss man im Gemeinderat diskutieren, ob in ein Enteignungsverfahren eingestiegen werden soll. Sonst können wir die vorgesehene und dringend notwendige Buszufahrt nicht umsetzen.
Wie stünden die Chancen, das Grundstück einzuklagen?
Laut unserem Anwalt gut. Aber wie sagt ein alter Spruch so schön: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Außerdem ist ungewiss, wie lange so ein Verfahren dauern würde.
In Rielingshausen kreisen die Diskussionen eher um ein neues Wohngebiet. Wie ist hier der Stand der Dinge?
Das so genannte „Jenner-Areal“ ist mittlerweile gut besiedelt. Und der Ortschaftsrat hat den Grundsatzbeschluss gefasst, im Anschluss ein Neubaugebiet anzugehen. Eine Option wäre eine Fläche im Flächennutzungsplan westlich der Kirchberger Straße. Wir werden in der zweiten Jahreshälfte versuchen, in dem Bereich voranzukommen. Die kurzfristig umsetzbaren innerörtlichen Potenziale sind nahezu erschöpft.
Sind Sie bei der Suche nach einem Supermarkt-Betreiber für Rielingshausen weitergekommen?
Wir sind weiter an dem Thema dran. Es ist aber sehr, sehr schwierig, für einen Ort wie Rielingshausen mit 2400 Einwohnern einen Marktbetreiber zu finden. Wir haben natürlich großes Interesse, mit einem Anbieter ins Geschäft zu kommen. Der Euli-Markt ist nicht unbedingt in einem zukunftsfähigen Gebäude untergebracht. Wir brauchen also eigentlich einen modernen Supermarkt für Rielingshausen. Doch das ist ein sehr dickes Brett zu bohren, wie man aktuell auch in Kirchberg sieht. Die Fläche für einen Supermarkt wäre an der Landesstraße bei der Gemeindehalle vorgesehen.
Also auf Tuchfühlung zur Flüchtlingsunterkunft. Wann wird der Spatenstich für das geplante Asylheim sein?
Nach der Sommerpause soll mit dem Bau begonnen werden. Zum Jahresende oder Anfang 2018 dürfte die Unterkunft fertig sein. Die Zugangszahlen von Flüchtlingen sind aber weiter hoch, sodass uns das Thema sicher auch in den nächsten Jahren beschäftigen wird.
Das heißt, weitere Unterkünfte müssen gebaut werden?
Es wäre unrealistisch, zu glauben, dass die Menschen, die in den städtischen Unterkünften leben, zeitnah eine Wohnung auf dem freien Markt finden. Sie werden also jahrelang in den Unterkünften bleiben. Folglich müssen wir in Marbach nach einem weiteren Standort Ausschau halten. Eine Option wäre im Bereich des Festplatzes.
Und wenn auch das nicht reicht?
Wenn auch 2019 wieder 100 Flüchtlinge nach Marbach kommen, werden wir räumlich in große Schwierigkeiten kommen. Im Grunde haben wir keine weiteren öffentlichen Flächen mehr für eine Bebauung. Irgendwann geht es einfach nicht mehr. Wir sind als Stadt am Anschlag, auch was die Integration und die Finanzierung anbelangt. Die Menschen müssen ja auch in Kindergärten, Schulen und das Arbeitsleben eingegliedert werden. Da sind die Kommunen früher oder später bei diesen hohen Zugangszahlen überfordert.
Zumal auch noch andere Aufgaben auf die Stadt warten wie die Anbindung des Neckars an die Altstadt. Da gab es Gegenwind von Anwohnern. Zurecht?
Es ist verständlich, dass sich die Anwohner positionieren. Immerhin sind Veränderungen geplant. Positiv finde ich, wenn frühzeitig Stellung bezogen wird wie im vorliegenden Fall. Allerdings ist noch gar nichts passiert. Wir haben einen städtebaulichen Entwurf, der die Möglichkeiten aufzeigt. Es liegen aber weder ein Bebauungsplan noch detaillierte Planungen vor. Wenn es konkreter wird, werden wir das Gespräch suchen. Wir sind immer an einem konstruktiven Dialog interessiert und gespannt auf die Ideen der Bürgerinitiative, wie man die Anbindung des Neckars an die Altstadt aus deren Sicht optimieren könnte.
Apropos Altstadt: Dort ist der anvisierte Umbau des Pfundhauses das aktuell größte Projekt. Wann werden denn die Handwerker anrücken?
Wir werden beim Land zunächst einen Antrag auf Aufstockung der Fördermittel stellen. Die Umgestaltung kostet rund 5 Millionen Euro. Darüber hinaus schlagen wir als Verwaltung vor, in einem zweiten Schritt im Gebäude Marktstraße 32 sozialen Wohnraum zu schaffen – wenn die dort angesiedelten Ämter ins Pfundhaus umgezogen sind. Für all das reichen die bislang bewilligten Zuschüsse nicht aus. Wobei man bei dem Thema noch einen ganz anderen Faktor berücksichtigen muss.
Was meinen Sie?
Es geht darum, wie das neue Rathaus beheizt werden soll. Wir lassen prüfen, ob in der Altstadt ein Nahwärmenetz aufgebaut werden kann. Sollte das möglich sein und der Gemeinderat sich dafür entscheiden, müsste die Fußgängerzone aufgerissen werden. Dann müssten wir auch dort gleich die Oberflächengestaltung angehen. Die Neugestaltung der Fußgängerzone könnte uns also nächstes oder übernächstes Jahr schon einholen. Wir werden keine Heizung ins Pfundhaus einbauen, wenn wir wissen, es kommt bald ein Nahwärmenetz. Insofern sind die beiden Projekte miteinander verknüpft. Wir prüfen jedoch auch, ob es zur Überbrückung denkbar wäre, eine Leitung vom Rathaus hinüber zum Pfundhaus zu ziehen, um so die Wärmeversorgung sicherzustellen, falls sich der Aufbau des Netzes nicht so schnell bewerkstelligen lässt.