Regisseur Philipp Wolpert hat bei der Stellprobe alle Hände voll zu tun, die im kleinen Rahmen entstandenen Gesten und Abläufe auf die große Freilichtbühne zu übertragen. Foto: Michael Raubold Photographie

Die Regisseur hält Dialoge und Abläufe von „Emilia Galotti“ für aufführungsreif.

Marbach - Die Abendsonne steht tief über dem Burgplatz an diesem Mittwochabend, lässt die mittelalterliche Stadtmauer ockerbraun bis golden leuchten. Doch haben Stahlskelette den Burgplatz überzogen: Wer jetzt gegenüber der Wendelinskapelle auf den Steg tritt, sieht fast nur Metallgerüste, Rohre und Verstrebungen, die den Unterbau der Zuschauertribünen bilden. Gittertore versperren die Zugänge.

Die gegenüberliegende Perspektive von der Bühne aus offenbart steil ansteigende Zuschauerreihen, während der zweiten Probe unter freiem Himmel nur spärlich besetzt mit Helfern, Freunden der Schauspieler und Zaungästen des Marbacher Kulturvereins „Südlich vom Ochsen“. Der stellt die ersten Marbacher Theaterfestspiele in Kooperation mit der Stadt Marbach und dem Theaterlabel „Tacheles und Tarantismus“ auf die Beine.

„Katrin, Du kannst fast früher losgehen, jetzt, wo wir den Platz haben“, sagt Regisseur Philipp Wolpert gerade zu Schauspielerin Katrin Bayer. Beide stehen unter dem Traversengerüst, an dem die Scheinwerfer für die Bühne hängen. „Ich will s-o-f-o-r-t zu meiner Tochter“, setzt Katrin Bayer in der Rolle der Claudia Galotti noch einmal zum Spiel an. An diesem sommerlichen Abend stehen die Stellproben zu „Emilia Galotti“ auf der Freilichtbühne des Burgplatzes auf dem Programm.

Eine dynamische Sprache hat Tobias Frühauf seiner in Marbach uraufgeführten Fassung des Klassikers der Aufklärung gegeben.

Der Vorlage Lessings gewinnt Frühauf ein groteskes Schauspiel ab, das Lobbyismus, Staatswillkür und den Rückzug des Einzelnen ins Privatleben thematisiert. „Wir spielen nur mit angezogener Handbremse heute“, erklärt Frühauf , der zusammen mit Philipp Wolpert der Intendant der ersten Marbacher Theaterfestspiele ist. Eher statisch läuft diese Stellprobe laut Philipp Wolpert ab, der den „beiläufigen, cineastischen Ton“ der Dialoge lobt. Keine schwerfälligen Theatermonologe erwarten die Zuschauer also.

Es geht nun vor allem darum, die Technik – insbesondere die erstmals von den Schauspielern benutzten Headsets – abzustimmen. Gerade sagt Fabian Egli, eben noch als Senator Hettore Gonzaga in Aktion: „Wenn ich so auf dem Sofa liege, dann erdrück’ ich ja den Sender des Headsets!“ Wolpert ruft in Richtung der Bretterbude, in der die Technik untergebracht ist: „Maggie, schreibst Du das bitte mal auf?“ Gemeint ist Regieassistentin Magdalena Kolar.

Die Laufwege der Protagonisten gilt es aus den beengten Verhältnissen der Räume des alten Kinos auf die nun viel weitflächigeren Bohlenbretter am Burgplatz zu übertragen. Die liegen auf dem Kies auf und bilden hier die Bühne. Aus zuvor vier Metern Laufweg können jetzt gut und gerne zehn werden, das Timing der Szenen samt den Auf- und Abgängen ändert sich entsprechend. Immer wieder ermutigt Wolpert die Schauspieler, die ganze Breite der Bühne zu nutzen.

„Befreiend“ findet es der Regisseur auf jeden Fall, endlich nach draußen zu kommen, auch „in die Dämmerung hineinzuspielen“, wie der Initiator der Theaterfestspiele betont. „Hätte es im Kino noch eine Woche länger gedauert, hätten wir uns mit den Proben dort im Kreis gedreht.“ Längst reif für die Aufführung seien Dialoge und Abläufe. Seit Anfang Mai hat sich die Schauspieltruppe regelmäßig in den engen, alten Räumen an der Güntterstraße getroffen, die früher auch einen Drogeriemarkt beherbergten. Die dortigen Konzeptionsproben dauerten bis vorige Woche.

Die große Frage für Regisseur Philipp Wolpert und das Ensemble lautet jetzt: „Funktionieren die Dialoge und Spielweisen, die im intimen Raum entstanden sind, auch auf der großen Freilichtbühne?“ Eine Schwierigkeit sei es etwa, auch die kleinen Gesten und leisen Töne so weit wie möglich nach draußen zu übertragen. In der Originalkulisse zu spielen kann bei den Schauspielern schon zusätzliche Energie freisetzen, „es macht etwas mit ihnen“, so Wolpert. Dies ist an diesem Abend unterm Torturm in jeder Sekunde zu spüren.

Die Theaterfestpiele und die Serie

Das Theaterfestival findet von Donnerstag, 28. Juni, bis Sonntag, 22. Juli, statt. Gespielt wird auf dem Burgplatz und im Schlosskeller. Vier Stücke werden insgesamt gezeigt. Karten gibt es online auf www.reservix.de. Reservix-Vorverkaufsstellen sind in Marbach: Schilleria, Markstraße 15, Beran, Marktstraße 32, und Euli-Service in Rielingshausen. Über die Tourismusgemeinschaft Marbach-Bottwartal sind auch Pauschalarrangements mit Ticket, Programmheft, Übernachtung und Blick hinter die Kulissen erhältlich. Kontakt unter Telefon 0 71 44 / 10 22 97 und -2 50 oder per E-Mail an touristik@schillerstadt-marbach.de.