Dominik Thewes im Gespräch mit Marian Grau (rechts). Foto: avanti

Marian Grau hat sein Erstlingswerk „Bruderherz“ in der Buchhandlung Taube vorgestellt.

Marbach - Wie er da so sitzt, in Jeans, Turnschuhen, weißem Hemd und Fliege, könnte man meinen, Marian Grau aus Affalterbach sei ein ganz normaler Teenager, der sich für einen besonderen Anlass fein gemacht hat. Das ist er auch – und doch auch wieder nicht. Denn der 15-Jährige, der die zehnte Klasse am Friedrich-Schiller-Gymnasium besucht, ist Deutschlands jüngster Reiseblogger, war schon mehrmals im Fernsehen zu Gast und hat nun ein Buch geschrieben, das er zusammen mit Moderator Dominik Thewes am Samstag in der Buchhandlung Taube – eine Station seiner durch Deutschland führenden Lesereise – vorgestellt hat. „Bruderherz“ heißt sein Erstlingswerk mit dem Untertitel „Ich hätte dir so gern die ganze Welt gezeigt“.

„Bis heute kann ich nicht fassen, wie viel Glück ich gehabt habe“, sagt Marian schlicht, und dennoch wird im Lauf des Abends deutlich, dass es keinesfalls nur Glück ist, das ihn zu dem hat werden lassen, was er ist. Da ist seine große Familie, „total bunte Hühner, und ich bin froh, dass ich dazugehöre“. Die Trennung seiner Eltern vor mehr als zehn Jahren hat ihm nicht geschadet – die beiden seien immer noch „beste Freunde“. Da ist die Oma, die mit ihrer Affinität zu den neuen Medien manchem Jüngeren noch etwas vormacht. Vor allem jedoch sein älterer Bruder Marlon, der schwerbehindert zur Welt gekommen und vor fünf Jahren gestorben ist. Er ist das „Bruderherz“, dem er auf seinen Reisen, die ihn bislang durch mehr als 30 Länder geführt haben, immer wieder auf besondere Art begegnet, was er in dem Buch ebenso schlicht wie berührend schildert. Bei der ersten Reise etwa mit der „Reisetante“ nach Paris, wo er in Sacré Coeur eine Kerze für ihn entzündet, vor der Kirche einen Jungen im Rollstuhl sieht und fast im selben Moment ein Straßenmusiker Leonard Cohens „Hallelujah“ intoniert, das Lied, das ihn immer wieder schmerzlich an Marlons Beerdigung erinnert.

Die „Reisetante“ war es auch, die ihm und seiner Mutter Bilder von Kambodscha gezeigt und beide so begeistert hat, dass Mutter und Sohn ebenfalls dorthin reisten – mit Folgen: „Ich wollte mehr, und zwar sofort. Da hat sie sich was eingebrockt“, sagte Marian mit frechem Grinsen unter dem Gelächter des Publikums.

Am Reisen gefallen ihm vor allem „die Herausforderungen, die zu meistern sind, und die Begegnungen mit Menschen, Armut, Tieren – die prägen wie Sau“, erklärte er und schilderte das Treffen mit einem Straßenjungen in Kambodscha, das ihm deutlich machte, „wie wichtig das ist, was man hat – selbst abgelaufene Joghurts im Kühlschrank“. Eindeutig: Reisen bildet – im Fall von Marian ist es auch eine Herzensbildung, deren Keim durch seinen Bruder gelegt wurde. Mit derselben Begeisterung wie seine Fernreisen schildert er die regelmäßigen Treffen mit anderen Familien im Kloster Roggenburg, die wie seine eigene ein behindertes Kind haben oder hatten, und er schreibt: „Wegen ihm sind wir hier, wegen ihm dürfen wir hier sein. Ich bin stolz darauf, Teil dieser besonderen Gemeinschaft zu sein.“ Dort, am abendlichen Lagerfeuer, erzählt er auch, wie aus dem Blog ein Buch wurde – durch den Anruf einer Verlagsmitarbeiterin, die auf ihn aufmerksam wurde. Das Buch sei dennoch anders als der Blog, sagt Marian: „Im Buch ist mehr von Marlon die Rede.“ Vor allem jedoch spricht das Buch von einer für einen Teenager erstaunlichen Reife.