Drei Brüder, drei Trikots: Patrick, Daniel und Yannick Zieker (von links) stehen jeweils im Kader eines anderen Vereins. Mutter Beate (hinten) verfolgt ihren Weg mit Spannung. Foto: avanti

Daniel, Patrick und Yannick Zieker sind Vollblut-Handballer. Wochenende für Wochenende gehen sie mit ihren Clubs auf Punktejagd.

Steinheim-Kleinbottwar - Die Handball-Geschichte der drei Zieker-Brüder aus Kleinbottwar beginnt mit ein paar Schrauben, Nägeln und altem Gestänge. Der Großvater von Daniel, Patrick und Yannick war es in den 1990er Jahren, der für seine Enkel aus diesen Materialien ein Tor baute. Ein richtiges Handballtor für den eigenen Garten – in Originalgröße versteht sich. Für seine kleinen Enkel damals das Größte: Ob mit Fußball oder Handball, sie nutzten das Tor in jeder freien Minute. Und auch Geschenke wie Trikots oder Eintrittskarten für Bundesligaspiele in Göppingen waren echte Höhepunkte. „Die Drei waren total aufgeregt, haben sich gefreut wie die Schneekönige“, erinnert sich Vater Jürgen Zieker.

Heute sind die Zieker-Brüder Vollblut-Handballer. Den Rasen im Garten haben sie längst gegen den Hallenboden eingetauscht, Wochenende für Wochenende gehen sie darauf für ihre Vereine auf Punktejagd. Daniel, mit 25 Jahren der Älteste, ist Kreisläufer bei der SG Schozach-Bottwartal in der Württembergliga. Patrick, 23-jähriger Linksaußen, stürmt für den TBV Lemgo in der Bundesliga. Und Yannick hütet mit seinen 19 Lenzen das Tor des Bezirksligisten HG Steinheim-Kleinbottwar. Keine Frage: Wer sich im Bottwartal für Handball interessiert, kommt um den Namen Zieker nicht herum. Grund genug, dem Trio einmal einen Besuch abzustatten.

Im Esszimmer im Elternhaus in Kleinbottwar sitzen die Geschwister also zusammen. Eine seltene Gelegenheit, sind die Drei doch sonst verstreut, wie das bei jungen Erwachsenen nun mal so ist. Die Atmosphäre ist locker, so manche Anekdote wird ausgegraben, die Eltern Jürgen und Beate gesellen sich hinzu. Von Daniel, Patrick und Yannick spricht hier freilich niemand, viel mehr von Dani, Paddi und Yanni.

Das Gesprächsthema ist klar: Handball. Und das nicht nur, weil die Zeitung gerade zu Besuch ist. „Es geht bei uns viel um Handball. Um die letzten Spiele, ob man zufrieden ist. Erst dann geht es auch um andere Sachen“, sagt Daniel. Das ist nicht anders, wenn die Brüder miteinander telefonieren. Was nicht wöchentlich vorkommt, aber doch regelmäßig. „Wir fassen dann erst gegenseitig die letzten Spieltage zusammen“, meint Patrick schmunzelnd. „Man spricht oder kotzt sich aus, wenn es nicht so läuft. Erst dann kommen die privaten Themen, und am Ende gibt’s noch einen Ausblick auf die nächsten Spiele. Das ist eigentlich immer so.“

Schnell wird deutlich: Die Drei verfolgen intensiv die Wege ihrer Brüder. Um mit Patrick in der Bundesliga mitzufiebern, dienen das Fernsehen, der Livestream oder der Liveticker. Lässt es der Spielplan zu, fahren Daniel oder Yannick auch nach Lemgo. Dreimal war das für Daniel schon möglich, bei Yannick sogar häufiger. Und spielt Patrick in Stuttgart, Balingen oder Göppingen, reist ein Familien- und Freundes-Clan von 25 bis 30 Leuten an. „Das ist dann immer spannend, weil wir natürlich absolut für den Gegner sind. Wenn die Halle ‚Stürmerfoul’ ruft, fordern wir eben lautstark eine Zwei-Minuten-Strafe“, sagt Vater Jürgen lachend.

Für Patrick ist es da bedeutend schwieriger, die Spiele seiner Brüder zu sehen. „Im letzten Halbjahr habe ich das aber tatsächlich nach Jahren wieder geschafft. Das war geil und hat mich mega gefreut“, sagt Patrick – auch wenn er bei Daniel ausgerechnet die Derbypleite gegen den SKV Oberstenfeld zu sehen bekam. „Und Yanni hatte ich ja seit der Jugend nicht mehr spielen sehen. Er war richtig gut. Nach Spielende bin ich trotzdem zu ihm und habe ihm gesagt, was er gegen den Linksaußen anders machen muss“, sagt Patrick. Denn Hilfestellungen, das Kritisieren untereinander, da sind sich die drei Brüder einig, das gehöre dazu. „Auch wenn das Niveau bei Patrick natürlich ein anderes ist. Was sollen wir ihm groß sagen?“, meint Daniel. Aber generell verfolge man eine Partie anders, wenn der Bruder mitspielt. Man fiebere anders mit, rege sich über Fehler viel mehr auf.

Da geht es an den Geschwistern auch nicht spurlos vorüber, dass es in jedem ihrer Teams sportlich derzeit nicht rund läuft. Lemgo und Steinheim-Kleinbottwar kämpfen gegen den Abstieg, die SG Schozach-Bottwartal trottet im Niemandsland der Tabelle. Der sportliche Durchhänger ist jedoch nicht die einzige Gemeinsamkeit der Brüder. Sie alle tendieren – bei genauem Hinsehen – dazu, auf den Zehenspitzen zu laufen, bremsen oder zu joggen, wie Mutter Beate festgestellt hat. Und dann ist da der gemeinsame Werdegang: Alle fingen bei den Minis und Mini-Minis in Kleinbottwar an, wechselten später aus der Heimat zur SG BBM Bietigheim. Mit Severin Englmann war dort der einzige Coach tätig, unter dem alle drei Ziekers nacheinander trainiert haben. Ständige Vergleiche mit seinen älteren Brüdern musste der Jüngste, Yannick, aber nicht fürchten: „Da ich im Tor spiele, gab es ja keinen Anlass.“

Doch warum folgt auf den früheren Rückraumspieler und heutigen Kreisläufer Daniel und den Linksaußen Patrick eigentlich ein Torwart? „Naja“, sagt Daniel etwas verschmitzt. „Als wir früher im Garten auf ein Tor gespielt haben, brauchten wir einen Torwart. Wollte Yannick mitspielen, musste er also ins Tor.“ Kurz und schmerzlos – es ist eben das Los des Jüngsten. Doch Yannick scheint das gut verkraftet zu haben: „In der E- und D-Jugend wollte auch keiner ins Tor. Also habe ich mich reingestellt und gleich Spaß daran gefunden. Ab der D-Jugend wollte ich nie wieder raus.“ Seine Vorbilder hießen schnell Henning Fritz und Thierry Omeyer. Da beide im Tor vom THW Kiel standen, war dies auch sein Lieblingsverein. Anders bei seinen Brüdern: Sie fieberten mit dem TBV Lemgo. Das sagen sie aber nicht rückblickend, weil Patrick dort heute spielt, sondern weil Lemgo damals eben Deutscher Meister war und viele Nationalspieler im Team hatte. Kurios: Von Patricks damaligem Lieblingsspieler Florian Kehrmann hängt noch heute ein Trikot in seinem Kinderzimmer – während Kehrmann inzwischen Trainer in Lemgo ist. Und damit auch von Patrick.

Die Eltern Jürgen und Beate freuen sich natürlich über diese Entwicklung. Sie waren ja auch aus sportlicher Sicht von Anfang an dabei: Mit Mutter Beate fingen sie beim GSV Kleinbottwar bei den Mini-Minis an, Vater Jürgen – einst jahrelang selbst auf Halblinks beim GSV aktiv – trainierte seine Söhne in der Jugend. Heute versucht er, zumindest jedes Spiel von Daniel und Yannick zu sehen. Vor Patricks Wechsel nach Lemgo 2012 fuhren die Eltern zu drei Spielen an zwei Tagen.

Spielberichte, Zeitungsausschnitte und Bilder aus dieser Zeit dokumentiert Vater Jürgen fein säuberlich in Ordnern. Darunter die D-Jugend Vizemeisterschaft 2004 mit Vater Jürgen als Trainer und Daniel und Patrick als Spieler. Oder ein Zweitligaspiel mit der SG BBM Bietigheim gegen den HC Erlangen im Mai 2011, in dem Daniel und Patrick für wenige Minuten gemeinsam auf dem Feld standen. „Jeder hat seinen eigenen Ordner und wird diesen irgendwann bekommen“, so Jürgen Zieker.

Bis dahin ist darin weiterer Platz für sportliche Erfolge. Und vielleicht auch für etwas, bei dem gerade Kleinbottwarer Handballfreunde ihre Ohren spitzen dürften. „Es ist tatsächlich so, dass wir noch nie zu dritt in einer Mannschaft zusammengespielt haben“, sagt Patrick. „Aber bei uns kommt das eben nicht am Anfang, sondern vielleicht am Ende der Karriere.“