Die Musiker im Gespräch. Foto: geschichtenfotograf

Dieter Eckert ist Profimusiker. Seit mehr als 30 Jahren spielt der Kirchberger bei den Stuttgarter Philharmonikern.

Kirchberg - B, F, B, D. Die Töne klingen durch das Wohnviertel am südlichen Ortsrand Kirchbergs. Immer wieder: B, F, B, D. Dieter Eckert macht wieder einmal seine Etüden an der Posaune. „Das ist wie das Warm-up für einen Sportler“, erklärt er. Die Übungen sind Voraussetzung dafür, Höchstleistungen zu bringen. Und das muss Eckert, denn er ist Profimusiker und spielt Bassposaune bei den Stuttgarter Philharmonikern.

Deswegen geht es bald darauf zur Probe nach Stuttgart. Das Orchester übt gerade die fünfte Sinfonie von Gustav Mahler ein. Vier gemeinsame Proben – den Rest müssen sich die Mitglieder selbst erarbeiten. Als Dieter Eckert den Probesaal des Gustav-Siegle-Hauses betritt, schlägt ihm ein Klanggewirr entgegen: Mehr als 80 Musiker sitzen oder stehen an den Instrumenten, stimmen sie, spielen ihre Finger warm. Eckert geht zu seinem Platz in der vorletzten Reihe, zwischen einem Tubisten und den anderen Posaunisten, und bereitet sich vor. Bald darauf, wie auf ein geheimes Kommando, ist kurz Stille. Dan Ettinger tritt ans Podest des Dirigenten. Mit seinen wasserstoffblonden, nach oben gegelten Haaren und seinem Poloshirt entspricht der 44-jährige Israeli nicht gerade dem Klischee eines Generalmusikdirektors – doch ebendiese Stelle hat er jüngst angetreten. Hat er etwas zu sagen, könnte man im Saal eine Stecknadel fallen hören.

Ettinger hebt den Taktstock: Der Klang einer einsamen Trompete eröffnet Mahlers fünfte Sinfonie. Der erste Teil des Werks ist ein Trauermarsch in cis-Moll – für einen Zuhörer dunkel, bedrohlich, für einen Musiker anspruchsvoll. Immer wieder unterbricht der Dirigent Ettinger die Probe, fordert mehr Dramatik und Tragik in den Melodien.

Dieter Eckert und seine Posaune werden zum Zahnrad in der riesigen Maschine aus Musikern und Instrumenten. „Als Orchestermusiker bietet man dem Dirigenten die Parts, die man zu spielen hat, so an, wie man selbst sie spielen würde“, hat Eckert eben noch erklärt. Der Generalmusikdirektor hat aber einen eigenen Kopf: „Die Posaunen bitte abphrasieren“, ruft er in Richtung Eckerts und seiner beiden Kollegen an den Posaunen. Die Musiker nicken, machen sich Notizen in ihre Noten. So arbeitet sich das Orchester Stück für Stück durch die Sinfonie – in der Mittagspause, nach etwa anderthalb Stunden, sind sie mit dem zweiten der fünf Sätze durch.

Die Liebe zur Musik hat für den Kirchberger nicht mit klassischen Klängen begonnen: „Ich habe mit zwölf Jahren angefangen, Schlagzeug zu spielen, das mache ich auch heute noch hin und wieder“, sagt er und lächelt: „Der Rock n‘ Roll ist eben meine alte Liebe.“ Er steht auf Toto, Led Zeppelin und Supertramp, kann aber auch mit Jazz und Fusion etwas anfangen – seinen musikalischen Horizont erweitert er auch mit dem Stuttgart Brass Quartett, das er 1986 gegründet hat.

Zur Posaune fand Eckert, als ein Freund ihm vorschlug, sich doch mal im Kirchberger Posaunenchor zu versuchen. Es war um ihn geschehen: „Noch nie hat etwas so große Faszination auf mich ausgeübt wie die Musik“, erinnert er sich. Als er volljährig wurde, entschied er sich, diese Leidenschaft zum Beruf zu machen und begann ein Studium an der Stuttgarter Musikhochschule, wo er beim Posaunenprofessor Armin Rosin lernte. „Wenn ich kein Orchestermusiker geworden wäre, hätte ich eben eine private Musikschule aufgemacht“, sagt Eckert. Doch er schaffte 1983 die Aufnahme bei den Stuttgarter Philharmonikern. Schon damals war das schwer. „Heute ist die Konkurrenz noch größer. Auf eine freie Stelle bekommen wir um die 80 Bewerbungen. Sehr viele dieser Musiker sind verdammt gut und schaffen es trotzdem am Ende nicht“, sagt Eckert.

Selbst wer einen Platz bekommt, darf sich nicht ausruhen. Nachdem im Probesaal der letzte Ton der Mahler-Sinfonie verklungen ist, packen die Orchestermitglieder ihre Instrumente ein. Für Dieter Eckert ist der musikalische Tag aber noch lange nicht gelaufen: Er hat noch ein paar Posaunenschüler in Bietigheim zu unterrichten. Und nicht zuletzt muss er selbst weiter üben: Schon ein paar Tage später wird Mahlers Fünfte aufgeführt, in der Woche darauf beginnen die Proben zu Orffs „Carmina Burana“. Damit dann alles sitzt, werden Dieter Eckerts Etüden bald wieder durch Kirchberg schallen: B, F, B, D . . .