Im Haus Wunnenstein in Großbottwar-Winzerhausen erobern drei Bulldoggen die Herzen der Bewohner. Foto: Michael Raubold Photographie

Im Haus Wunnenstein erobern drei Bulldoggen die Herzen der Bewohner.

Großbottwar-Winzerhausen - Ruhig ist es im Haus am Wunnen-stein an diesem etwas nebeligen Dienstag mitten im Herbst. Die Bäume draußen tragen schon ein wenig Farbe, aber wer hat schon Augen für draußen, wenn vor einem ein süßer, kleiner Hund namens Gretele gestreichelt werden will? Der Augenaufschlag der erst vier Monate alten Französischen Bulldogge ist dermaßen hinreißend, dass die Bewohnerin Sieglinde Müller (Name geändert) in ihrem Sessel gleich beginnt, ihre Besucherin zu streicheln. „Du bist ja eine ganz Liebe, eine ganz Wilde“, ruft die betagte Bewohnerin, und ihre Augen strahlen.

Aber nicht nur sie erfreut sich an der Begegnung – auch Gretele genießt die Nähe. Immer wieder schleckt sie freudig an der Hand der Seniorin, während ihre Besitzerin Sandra Albrecht die junge Hundedame behutsam hält, damit Tier und Mensch bei aller Begeisterung auch bei sich bleiben können. Frau Müller erzählt, sie sei früher Wirtin gewesen, sie scheint Erfahrung mit Hunden zu haben. „Ich werde schon fertig mit ihr“, ruft sie, nachdem Gretele den Weg auf den Schoß gefunden hat.

Sandra Albrecht bleibt dabei, um ihren kleinen Liebling bei Bedarf schnell wieder wegnehmen zu können. „Mit Gretele sind wir sehr zufrieden“, lobt sie den Benimm des kleinen neugierigen Rackers. Dass Hunde den Menschen in Seniorenheimen guttun, habe sie schon vor elf Jahren entdeckt, sagt die Pflegedienstleiterin des Schwesterhauses der Karl-Schaude-Stiftung, dem Seniorenlandhaus Fridericke, in Abstatt. „Damals hatte ich meinen ersten Hund und habe ihn als Welpe mitgenommen.“ Das Tier habe bei Bewohnern ähnlich positive Reaktionen ausgelöst wie nun Gretele.

Nach dem ersten Tête-à-Tête zwischen Mensch und Hund an diesem Vormittag geht Sandra Albrecht weiter. Mit im Schlepptau hat sie noch ihre beiden Englischen Bulldoggen Miss Sofie und Frida. Weil ein Betreuer mit dem Trio überfordert wäre, ist Lebensgefährte Siegfried Braun mit von der Partie. „Wir können mit praktisch Nichts anderen eine Freude machen – es kostet nichts, außer unsere Zeit“, erklärt er seine Motivation.

Wenig später klopfen die Besucher dezent an eine Türe. Eine Patientin liegt in ihrem Bett und begrüßt Frida. Ein Lächeln gleitet ihr über das Gesicht, als sich Gretele mit ihren süßen Glubschaugen bei der sanften Berührung sichtlich wohl zu fühlen beginnt. Auch die etwas ältere und schwere Frida darf ans Bett. „Sie ist ein ruhiger Charakter, während Miss Sophie lebhafter ist“, erzählt Siegfried Braun. Tatsächlich bewegt sich die dritte der Hundedamen ständig, und kommt deshalb erst später bei Besuchen auf einer anderen Station zum Einsatz, wo rüstigere Bewohner sie gerne in Empfang nehmen.

Weil die Hunde so gut in dem Pflegeheim für psychisch kranke alte Menschen ankommen, hat Nicole Brosig, die Leiterin der sozialen Betreuung, die Besuche zum 14-tägig wiederkehrenden Programmpunkt neben anderen Aktivitäten wie der Quizrunde, Bewegungsspielen oder Spaziergängen erhoben. „Gerade bei Menschen mit Demenz werden verschüttete Emotionen angesprochen“, erklärt Brosig. Auch entstünden Gespräche über die Tiere. „Wie die Menschen dann zu strahlen beginnen, ist unglaublich“, beschreibt sie die Veränderungen in der Begegnung. Die Wärme und die Gutmütigkeit der Tiere überträgt sich. Das goutiert auch die Heimleiterin Anja Buchs, die an diesem Tag die Besuchsrunde in dem Haus mit 78 Bewohnern aufmerksam begleitet und zufrieden ist.

Die Zeit verfliegt schnell, und am Ende der einstündigen Runde erscheint es so, als ob auch die Hunde erst mal genug haben. „Das ist schon auch ein bisschen Stress für sie“, weiß Sandra Albrecht, die ihre Lieblinge auf dem Parkplatz in den Wagen packt und mit ihnen und ihrem Lebensgefährten hinüber zum Seniorenlandhaus Fridericke nach Abstatt fährt. Dort warten schon einige Bewohnerinnen, die einen Stuhlkreis gebildet haben, auf die Vierbeiner. Frida und Gretele sind die Stars. Sie tollen immer wieder miteinander umher. Parallel dazu regt Sandra Albrecht ein Gespräch an. „Wie heißen die Hunde?“, fragt sie in die Runde und erhält die richtige Antwort. „Und welche Rasse ist das?“ Auch hier erinnert sich eine Dame. Und so erzählt Sandra Albrecht, was Gretele alles in der Hundeschule gelernt hat. Den Befehl „Sitz“ zu befolgen zum Beispiel – was gleich demonstriert und mit einem Leckerli belohnt wird. In einem Jahr könnte Gretele zum Therapiehund ausgebildet worden sein. „Da machen wir nichts anderes als das, was wir jetzt schon machen, nur ist es dann noch einmal fundierter“, erzählt Sandra Albrecht. Bulldoggen eigneten sich besonders, weil sie als ausgeglichen und freundlich gelten. Auch wenn es an diesem Vormittag in den beiden Pflegeheimen nicht so scheint: Die Tiere müssen auch aushalten können, wenn Menschen sich bei Berührungen ungeschickt verhalten oder aus heiterem Himmel zu schreien beginnen, was auch vorkommen kann. „Hunde müssen zu 100 Prozent gehorchen“, sagt Siegfried Braun. „Wenn einer auf einen Menschen losgeht, war’s das.“

Im Haus Fridericke sind Gretele, Frida und Miss Sophie eine feste Größe. Ein Pfleger kommt und schnappt sich Frida, um sie unter den wohlwollenden Augen der versammelten Bewohner zu kuscheln. Tierliebe verbindet eben.