Pastor Yassir Eric und Gastgeber Norbert Braun begrüßen die Zuhörer. Foto: avanti

Der Pastor Yassir Eric ist selbst geflohen – in seinem Vortrag in Großbottwar plädiert er dafür, das Gespräch mit Muslimen zu suchen, um sie besser zu integrieren.

Großbottwar - Immer mehr Leute kommen am Freitagabend ins Gemeindezentrum der evangelischen Kirche in Großbottwar. Irgendwann sind alle Stühle aufgestellt und einige stehen sogar, um den Vortrag von Pastor Yassir Eric zu hören. Der Titel „Islam verstehen – Muslimen begegnen“ verspricht Erkenntnisse rund um die Beziehung zwischen Muslimen und Menschen mit anderen Religionen. Und dieses Versprechen hält er auch.

In einer Geschichte zu Beginn seiner Ausführungen erinnert er sich an eine ältere Dame, die ihm im Zug begegnet ist. Irgendwann hatte sie ihn gefragt: „Sie sind aber auch net von hier, gell?“ und so kamen sie ins Gespräch. Er hat seine Geschichte erzählt und sie ihre, zum Beispiel wie sie im Krieg die ausländischen Kriegsführer erlebt hat. „Und genau da fängt Integration an“, sagt Eric, des Pastors, der vom Islam zum Christentum konvertiert ist.

Überhaupt machen Geschichten wie diese den ganzen Vortrag lebendig und bewegend, und so stellt Eric eine Verbindung her: „auch im Nahen Osten sind Geschichten ganz wichtig.“ Untermauert sind alle Thesen und Schlüsse mit Fakten und detailliertem Expertenwissen. Eric stammt aus dem Sudan und lebt nun mit seiner schwäbischen Ehefrau in Korntal. Dort arbeitet er als Dozent an der Akademie für Weltmission (AWM) und ist Leiter des Europäischen Instituts für Migration, Integration und Islamfragen.

Eric hat als Kind in einer Koranschule den gesamten Koran auswendig gelernt und ist er seiner extremistischen Familie gefolgt in ihrer Kultur, die auf die islamische Religion aufgebaut ist. Als er schließlich zum Christentum konvertierte, musste er 2640 Menschen verlassen – so groß ist seine Familie in der Heimat. Schließlich hat ihn seine Familie für tot erklärt, sogar ein Begräbnis abgehalten. „Und später, an meinem eigenen Grab, ist mir Jesus Christus begegnet. Er sagte mir: auch mein Grab ist leer.“ Dass die Beziehung zwischen Islamisten, Christen und Juden so schwierig ist, liegt seiner Meinung nach an vielen unterschiedlichen Gründen. Beispielsweise daran, dass es nach Mohammeds Tod vier Kalifate gibt, die sich wiederum verschiedene Gruppen teilen. „Es gibt nicht den Islam“, argumentiert er, „Muslime haben kein Oberhaupt wie die Christen den Papst.“ Und solange diese Frage nicht geklärt sei, würden die Spannungen im Nahen Osten bestehen bleiben.

Zusätzlich belasten ganz unterschiedliche Weltanschauungen das Verständnis zwischen den Kulturen. In der westlichen Welt ist beispielsweise die Religion etwas Privates, man redet nicht darüber. Die Religion hat ihren Platz neben Familie, Freizeit und dem Arbeitsleben. Im Islam umfasst die Religion alle Bereiche des täglichen Lebens: Familie, Freizeit und Wirtschaft. „Nun kommen die Flüchtlinge ins Land und natürlich gibt es Spannungen.“

Die Lösung der Konflikte kann nach Erics Meinung nur damit beginnen, miteinander in einen kritischen Dialog zu treten. „Die meisten Opfer der islamischen Extremisten sind die Muslime selbst“, sagt Eric in seinem Vortrag. „Und sie fliehen nicht aus ihrer Heimat, weil ihnen dort langweilig geworden ist, sondern weil sie dort nicht mehr leben können.“ Er legt allen ans Herz, mit den Flüchtlingen nicht nur über den Krieg zu reden, sondern auch über ihre Kultur und über ihr Leben. „So gestaltet sich Begegnung.“ Am Ende des Vortrags ist es im Saal mucksmäuschenstill, alle Teilnehmer sind sichtlich bewegt, auch Pfarrer Norbert Braun, der sich beim Referenten bedankt, ist ergriffen. Wer sich mit diesem Thema beschäftigen möchte, ist eingeladen zu einem Seminar mit dem Titel „Fremdlinge unter uns – Islam verstehen – Muslimen begegnen“ mit Maité Gressel am Samstag, 29. Oktober, von 14 bis 18 Uhr im evangelischen Gemeindehaus in Großbottwar. Man kann sich dafür unter pfarramt.grossbottwar-1@elkw.de anmelden.