Volker Nagel und Präsident Gao Wei haben die Vereinbarung im chinesischen Pavillon auf der Mailänder Expo unterzeichnet. Foto: privat

Leder aus Großbottwar findet Eingang in den asiatischen Markt. Die Firma Gmelich berichtet über neue Geschäftsfelder in dem Kontinent.

Großbottwar - Wer den Anschluss nicht verpassen will, muss momentan vor allem auf einem Markt mitmischen: dem in Asien, und da speziell in China, wo das Wachstum schier grenzenlos zu sein scheint. Die Zeichen der Zeit hat auch das Großbottwarer Traditionsunternehmen Gmelich erkannt – und inzwischen einen Fuß in die Tür zum Reich der Mitte und anderen Staaten in diesem riesigen Wirtschaftsraum bekommen. Der Lederfabrikant aus der Storchenstadt hat im Jahr 2013 mit der Handelsfirma Zimmer und Rohde einen Partner gefunden, der die Waren von Gmelich im Mittleren Osten und dem asiatischen Raum vertreibt. Vor rund zwei Wochen unterzeichnete der Geschäftsführer Volker Nagel dann einen Kooperationsvertrag mit dem chinesischen Möbelproduzenten A-Zenith.

Fürs Renommee sei der Abschluss dieser Absichtserklärung natürlich unbezahlbar gewesen, erklärt Volker Nagel. Zumal der Rahmen nicht alltäglich war: die Vereinbarung wurde im chinesischen Pavillon auf der Expo in Mailand unterzeichnet. Das Gelände war an diesem Tag für sonstige Besucher gesperrt. Nicht aber für die wichtigsten Partner von A-Zenith, das zu einer Firmenpräsentation geladen hatte. Vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus betrachtet war es für Gmelich allerdings bedeutender, dass eine Delegation des Möbelfabrikanten aus der Nähe von Schanghai im Juni in Großbottwar vorbeischaute. Denn bei dieser Gelegenheit wurden die Weichen für eine Übereinkunft gestellt, wonach die chinesische Firma jährlich für einen hohen sechsstelligen Betrag Leder aus Großbottwar beziehen wird. „Der Jahreskontrakt soll bald abgeschlossen werden“, so Nagel.

Der Kontakt mit A-Zenith besteht seit Mitte 2014. Volker Nagel erhielt einen Anruf, wonach sich eine Delegation des Unternehmens gerne das Leder von Gmelich anschauen wolle. „Aus der Erfahrung mit solchen Anfragen heraus dachte ich, dass es sich um Sonderpostenhändler handelt, die auf der Suche nach billiger Ware sind“, erzählt Volker Nagel. „Was ich dann aber erlebt habe, ist mir in 30 Jahren in der Branche noch nicht passiert“, fügt er schmunzelnd hinzu. Zunächst einmal waren die Chinesen nämlich alles andere als windige Schnäppchenjäger. Stattdessen wurden vier Herrschaften im feinen Zwirn bei ihm vorstellig. Und die waren so begeistert von dem Leder made in Großbottwar, dass sie aus dem Stand Waren im Wert von 80 000 Euro orderten. „Sie wollten nicht einmal die Qualität überprüfen. Die Delegation verließ sich auf unser Wort“, berichtet Volker Nagel. Wobei das noch nichts heißen musste. Der Gmelich-Geschäftsführer hatte zu dem Zeitpunkt schließlich noch kein Geld gesehen. „Klar war aber, dass das unter Vorauskasse laufen musste“, sagt der Oberstenfelder. Doch auch in dem Punkt fackelten die Chinesen nicht lange. Nach wenigen Wochen war das Geld auf dem Konto – und der Deal perfekt.

Trotz allem: überbewerten möchte Volker Nagel das neue Engagement im asiatischen Raum nicht. Das sei ein wichtiges, zusätzliches Standbein in einem Zukunftsmarkt, aber der Fokus liege aktuell darauf, im so genannten Objektgeschäft zuzulegen. Darunter versteht man Hotels, Banken und Versicherungen. Die will Gmelich vermehrt mit seinen Produkten bestücken. Aus dem Grund hat das Unternehmen sein Lagerprogramm ausgeweitet. Konnte davon vor 15 Jahren noch nicht die Rede sein, weil nur auf Bestellung produziert wurde, waren einige Jahre später 17 Farben vom wichtigsten Artikel im Ledersortiment stets vorrätig, dann 44 und schließlich sogar 79. Doch auch das wird noch nicht das letzte Wort sein. „Ab dem 1. September werden wir 104 Farben auf Lager haben“, sagt Volker Nagel. Diese Bandbreite ist deshalb wichtig, weil Designer spezielle Farbkonzepte bei der Innenausstattung von Hotels, Banken und Co. umsetzen wollen. Dazu haben sie gewisse Farbkombinationen im Kopf. Wer also nur Rot, Weiß und Schwarz in petto hat, kann gleich einpacken. Ein weiteres Feld, das Nagel stärker beackern will, ist die Luftfahrt. „Da haben wir vor allem Privatjets im Blick, aber auch Fluglinien“, erklärt er. Der 57-Jährige wünscht sich, dass es sich immer mehr Passagiere auf Sitzen bequem machen, die mit Leder aus Großbottwar überzogen sind – ob in Asien oder anderswo auf der Welt.