Der Rebenschnitt ist die erste Qualitätsmaßnahme für den neuen Jahrgang. Foto: Werner Kuhnle

Während vorige Jahrgänge an den Feiertagen munden, hat für Wengerter die Arbeit in den Weinbergen schon wieder angefangen.

Großbottwar/Bottwartal - Allenthalben genießen die Weinliebhaber über die Feiertage die Produkte der zurückliegenden Jahre. Doch die Wengerter sind dieser Zeit längst voraus. Der nächste Jahrgang erfordert die volle Aufmerksamkeit. Denn eine Winterruhe gibt es im Weinberg nicht, da wird fleißig gearbeitet. Zwischen dem Laubfall im späten Herbst und dem ersten Austrieb im Frühjahr müssen die Reben geschnitten werden. „Das“, sagt der Großbottwarer Wengerter Wolfgang Fähnle, „ist die erste Qualitätsmaßnahme im Weinberg“.

Anders als früher, als man möglichst viele Trauben ernten wollte, wird nämlich nun schon vorab dafür gesorgt, dass die Rebstöcke nicht zu viel tragen. „So ein Rebstock kann nur eine begrenzte Menge von Mineralstoffen aus dem Boden aufnehmen“, erklärt Fähnle. „Und auf je mehr Trauben sich das verteilt, desto mehr leidet die Qualität der einzelnen Traube.“ Auch gilt die Regel, dass die Trauben langsamer reifen, je mehr davon am Rebstock hängen, was bedeuten kann, dass sie zum Lesezeitpunkt noch nicht vollständig ausgereift sind. Im dem Wengert am Harzberg, in dem er gerade arbeitet, baut der Nebenerwerbswengerter Fähnle die Rebsorte „Samtrot“ für die Aurum-Sonderserie der Bottwartaler Winzer an. „Da ist der Ertrag auf 90 Kilogramm je Ar beschränkt, um die hohe Qualität zu gewährleisten“, erklärt er. Die Aufgabe des Wengerters sei es dann abzuschätzen, wie viel das ungefähr ist. Denn mehr anzuliefern ist nicht nur deshalb sinnlos, weil die Genossenschaft ihm das Plus an Trauben nicht abnimmt. Sondern auch, weil er auch nach der Qualität des Leseguts bezahlt wird. Dessen Oechslegrad wird schon bei der Anlieferung gemessen. „Da sieht man gleich, ob man das Jahr über gut gearbeitet hat oder noch mehr hätte tun können“, sagt Fähnle.

Die Ruten, die der Rebstock im Frühjahr ausgetrieben hat, werden jetzt im Winter auf zwei große zurückgeschnitten. Dabei bleibt je nach Sorte eine unterschiedliche Zahl von „Augen“, also Knospen, stehen. „Die zweite Rute ist der Ersatz, falls die andere durch Frost geschädigt wird oder beim Runterbiegen bricht“, erklärt Wolfgang Fähnle. Mit dem Biegen der Hauptrute soll ein Saftstau erreicht werden, „ damit alle Ruten gleichmäßig wachsen und nicht von unten her verkahlen“, erläutert er. Im Frühjahr, wenn man feststellt, dass die gebogene Rute nicht durch Frost geschädigt wurde, wird die Ersatzrute entweder ganz abgeschnitten, oder ein sogenannter „Zapfen“, ein ganz kurzes Stück, bleibt stehen. Im Lauf der Jahre sind es immer verschiedene Ruten, die man stehen lässt; sie wechseln sich quasi im Tragen ab.

„Bei der Arbeit im Wengert denkt man immer ein bis zwei Jahre voraus,“ verrät der Großbottwarer. So braucht man für die Arbeit im Weinberg jede Menge Sachverstand, wenn man weder die Reben ruinieren noch einen „Semsakrebsler“ produzieren möchte. Ein Nebenerwerbswengerter wie Wolfgang Fähnle opfert dazu auch viele freie Samstage. Als Opfer empfindet er das selber jedoch nicht: „Das ist für mich ein superschöner Ausgleich zu meiner beruflichen Tätigkeit. Hier sieht man gleich, was man gearbeitet hat,“ schwärmt er. Und Monate oder Jahre später kann man es auch schmecken. -