Der VW Bus wird in Beira für die Überfahrt nach Indien auf Deck gehoben. Foto: Rudi Issler

Rudi Issler erinnert sich, wie er vor 50  Jahren auf spektakuläre Weise reiste.

Großbottwar - Wer heute ein Fernziel sucht, hat’s leicht. Er klickt quasi à la carte sein Traumziel an und setzt sich einfach in den Flieger. Das war vor 50 Jahren noch ganz anders. Zwar gab es schon Passagierflugzeuge und Schiffe, doch ließen die Rudi Issler völlig kalt, als es um die Rückreise aus Südafrika in die schwäbische Heimat ging. Der damals 25-Jährige hatte sich gerade zwei Jahre und acht Monate lang als Werkzeugmacher in Südafrika als echter Selfmade-Mann bewährt, als es ihn wieder in heimische Gefilde zog. Die Rückreise sollte etwas ganz Besonderes werden: Mit einem Freund setzte sich Issler zunächst in einen VW Käfer, später in einen VW Bus, um über Ostafrika, Indien, Afghanistan, den Nahen Osten und den Balkan ins Schwabenland zu gelangen.

Über seinen Road-Movie hat sich Issler jetzt, 50 Jahre später, noch einmal ausführlich Gedanken gemacht und seine Tagebuchnotizen ausgewertet. „Ich möchte daraus vielleicht zehn Bücher für den innersten Kreis machen“, sagt er. Denn immer noch wirken die mächtigen Bilder dieser Reise, die er nach einem erneuten, vierjährigen Engagement in Südafrika später in ähnlicher Weise mit einem Landrover wiederholte.

Immerhin 40  200 Kilometer – 8000 Kilometer davon per Schiff auf dem Indischen Ozean – legte der heute 75-Jährige bei seinem Trip von Johannesburg in Richtung Norden zurück. „Rein rechnerisch entspricht das in etwa einer Erdumrundung“, erklärt Rudi Issler, der sich damals unter anderem mit Schlangen-Serum, Malaria-Tabletten und reichlich Dollars und Pfunds sowie Reiseschecks auf den nicht ganz ungefährlichen Weg machte. Den VW Käfer hatte er mit Reifen, Fliegengittern und einem festen Gepäckträger aus Stahl ausgestattet. Die Rückbank montierten die beiden Fahrer kurzerhand aus. „So konnten wir auch mal alle Viere im Wagen ausstrecken und dort schlafen.“ Später stieg das Duo auf einen VW Bus um, nachdem die Männer Südafrika, Simbabwe, Sambia und Malawi durchquert hatten.

Komplikationen gab es am Schlagbaum zu Tansania. „Die Grenzbeamten sahen an unserem Nummernschild, dass wir aus Südafrika gekommen waren und verweigerten uns wegen der Apartheid-Politik dort die Einreise“, erzählt Rudi Issler. Es gab also kein Weiterkommen, obwohl sich die beiden Reisenden vorher extra neue Pässe in der deutschen Botschaft in Sambia besorgt hatten. In den frischen Papieren war logischerweise kein südafrikanischer Stempel zu finden, doch der Trick flog nach dem Blick auf das Nummernschild trotzdem auf. Aber wie es im Leben oft so ist: Scheinbar Schlechtes entpuppt sich als Brücke zum Guten. Es blieb fast nur das Ausweichen auf ein Schiff übrig. Auf dem Weg zu einem Hafen lernten die beiden ein anderes Duo kennen, das mit einem VW Bus von Hannover aus aufgebrochen war, um Afrika zu durchstreifen. Diese Kollegen standen mit ihren in Südafrika abgestempelten Pässen vor ähnlichen Problemen – deshalb schloss man sich zusammen. Issler verkaufte den Käfer zum Spottpreis.

Abenteuerlich waren aber nicht nur die Grenzübertritte. Auch die Verkehrsverhältnisse forderten die Männer immer wieder heraus. Das fing schon im ersten Land Simbabwe an. „Wir mussten auf einer Straße fahren, die nur für zwei Reifen geteert war“, berichtet Issler. Sie zu verlassen, bedeutete, auf Sand leicht ins Schleudern zu geraten. „Manche Fahrer warteten sehr lange, bis sie auswichen.“ Später sorgte ein querstehender Lastwagen auf einer Straße mitten im Busch für einen Umweg von rund 350 Kilometern. Heulende Hyänen verstärkten nachts die Verunsicherung.

Die Reise bot aber auch ausgesprochen schöne Momente. Den Besuch mit einem Ruderboot auf einer Insel im glasklaren, artenreichen Malawi-See wird Rudi Issler ebenso wenig vergessen wie den Anblick von schäumenden Wasserfällen und die herzlichen Begegnungen mit den Einwohnern. Im Tagebuch fand er den Eintrag: „Malawi ist für mich das schönste und freundlichste Land im südlichen Afrika.“ Dabei mag der Eindruck des friedlichen Zusammenlebens zwischen den Menschen verschiedener Herkunft eine Rolle gespielt haben, glaubt Issler – nervtötend wirkten dagegen Regenschlammschlachten auf dem weiteren Weg in Richtung Nordosten.

In Mosambik gelangten die vier Männer an den Indischen Ozean. Ein Journalist schrieb über die Abenteurer einen Bericht, der in Zeitungen erschien und den Rudi Issler aufgehoben hat. Die Überschrift: „Vier Deutsche erobern Afrika“. Dass dies keineswegs untertrieben war, zeigt folgende Episode aus Mosambik: „Wir hatten etwa 30 Kilometer zurückgelegt, als wir auf eine Brücke stießen, die in der Mitte abgesackt war. Auch hier gab es keine Ausweichmöglichkeit. Also machten wir uns daran, die Brücke notdürftig zu reparieren, um weiterfahren zu können. Wir sammelten Steine, Äste und Erde und füllten das Loch provisorisch aus. Als wir damit fertig waren, kamen die Straßenarbeiter vorbei, um die Brücke instand zu setzen.“

Es gab aber auch einige nette Geschichten. So wurden die beiden Deutschen, nachdem sie per Zeitung bekannt geworden waren, zu einem kostenlosen Zoobesuch eingeladen. Über ein gemeinsames Mahl schreibt Issler hingegen: „Ich war noch mit den letzten Muscheln beschäftigt, als ein junger Schäferhundmischling erschien, der eine tote Qualle in unmittelbarer Nähe entdeckte und damit begann, diese aufzufressen. Kaum hatte er die Qualle im Magen, erbrach er sie. Ich hatte mit dem Muschelessen aufgehört und war kurz davor, das gleiche zu tun.“

Mit dem Schiff ging es weiter nach Bombay und damit nach Indien. Immer wieder streut Rudi Issler in seinen Reiseerinnerungen Wissenswertes über die einzelnen Länder, in denen das Schiff hielt, ein. Sansibar, die Seychellen, Karatschi, die größte Stadt Pakistans, wurden unter anderem von dem Schiff angelaufen, in dem die Deutschen in der nicht für Europäer vorgesehenen „Inderklasse“ unter Deck preisgünstig untergebracht waren.

Viel gäbe es noch zu erzählen von der spannenden halben Weltreise – so gerieten die Männer in Jordanien in den Sechs-Tage-Krieg der Araber gegen Israel und schafften es, trotz eines Ausreiseverbots für Ausländer, durch Syrien bis in die Türkei weiterzukommen. Das überraschte sogar Stern-Reporter, die vergeblich versucht hatten, nach Syrien einzureisen, um über den Krieg zu berichten. Mit ihnen trafen sich Issler und seine Freunde, dann ging es weiter Richtung Heimat.