Shqiprim Binakaj hat mit der SG viel erlebt. Im Gespräch blickt er zurück. Foto: Werner Kuhnle

Shqiprim Binakaj spielt seit zehn Jahren für Sonnenhof Großaspach und ist damit der SG-Dauerbrenner.

Großaspach - Als der Fußballer Shqiprim Binakaj aus der A-Jugend der TSG Backnang zur SG Sonnenhof Großaspach wechselt, heißen die Gegner der Aspacher VfL Kirchheim, Stuttgarter Kickers II und SGV Freiberg. Im Jahr 2008 ist das. Binakaj ist damals ein 19 Jahre junger Kicker und die SG Teil der Fußball-Oberliga Baden-Württemberg. Heute, genau zehn Jahre später, heißen die Gegner des Vereins Karlsruher SC, Hansa Rostock und ab Sommer 1. FC Kaiserslautern. Die SG ist fester Bestandteil der Dritten Liga – und Shqiprim Binakaj, den alle nur „Ships“ nennen, weiterhin ein solcher in der Aspacher Mannschaft.

340 Pflichtspiele hat der Mittelfeldspieler seit seinem damaligen Wechsel für die SG bestritten. Nur Klublegende Martin Cimander (373) streifte häufiger das Trikot über. Seine gesamte Aktiven-Zeit verbrachte Binakaj bislang im Fautenhau – was ihn auch zum mit Abstand dienstältesten Akteur im SG-Kader macht. Keiner seiner heutigen Teamkollegen ist länger als fünf Jahre (Kai Gehring) dabei.

Anlass genug, um mit ihm im Gespräch auf dieses Jahrzehnt zurückzublicken. Ein Jahrzehnt, in dem die SG Sonnenhof zweimal aufstieg, zweimal den wfv-Pokal gewann, zweimal am DFB-Pokal teilnahm und zweimal gegen den FC Bayern München spielte. Shqiprim Binakaj hat für den Termin auf der schattigen Terrasse der Fautenhau-Alm am Stadion Platz genommen. Ringsrum knallt die Sonne vom Himmel – für Binakaj die perfekte Einstimmung auf die Sommerpause, die er mit seiner Freundin im Urlaub auf Sri Lanka verbringen wird.

In den Knochen des 29-Jährigen steckt eine Drittliga-Saison „mit Höhen und Tiefen“ wie er selbst sagt. Lange stand die SG im oberen Tabellendrittel, schnupperte sogar an den Aufstiegsplätzen. Dann aber stürzte sie bis auf Rang 14 ab. „Man hat gemerkt, dass es für uns schwer ist, Verletzungen aufzufangen“, sagt Binakaj. In Anbetracht dessen, dass die Aspacher frühzeitig den Klassenerhalt fix machten, müsse man aber mit der Saison zufrieden sein. „Gerade auch wenn man im Vergleich sieht, dass mit Erfurt und Chemnitz zwei große Traditionsvereine abgestiegen sind“, so der Aspacher.

Ein unrühmliches Ende nahm die Sonnenhof-Spielzeit allerdings mit dem Aus im Halbfinale des wfv-Pokals beim drei Klassen tiefer spielenden TSV Ilshofen. Eine Niederlage, die der beidfüßige Flügelspieler auch nach Wochen noch nicht aus der Kleidung geschüttelt hat. „Das hat sehr geschmerzt. Der Pokalsieg war unser großes Ziel, wir wollten unbedingt in den DFB-Pokal. Ich kann verstehen, dass man im Verein enttäuscht von uns ist.“

Auch für Binakaj selbst war es eine Saison mit Höhen und Tiefen. Kam er zu Beginn der Runde nur sporadisch zum Einsatz und stand dann vor und nach der Winterpause teils nichtmal im Kader, zählte er ab März plötzlich zur Stammelf – und nicht wenige dürften sich die Augen gerieben haben, als ihm gegen Chemnitz gar ein Doppelpack gelang. Denn als Torschütze ist der meist unauffällig aber solide spielende 29-Jährige nicht unbedingt bekannt. „Die Rückrunde war im Gegensatz zur Hinrunde auf jeden Fall gut. Ich habe schon wahrgenommen, dass es für mich aufwärts ging. Zuvor hatte ich ein gutes Gespräch mit dem Trainer, in dem er mir meine Defizite aufgezeigt hat. Dass ich zum Beispiel einfacher spielen soll oder den ersten Ballkontakt verbessere. Das umzusetzen, so denke ich, ist mir gelungen“, meint Binakaj, der vor allem – defensiv wie offensiv – laufstark ist. „Sonst arbeite ich daran, torgefährlicher zu werden. Das hat bisher doch eher gefehlt, weil ich manchmal zu verspielt war.“

In der ewigen SG-Torschützenliste reicht es mit 50 Treffern dennoch zu Rang vier. Die meisten davon schoss er zu Regionalliga-Zeiten. Spricht er davon, schweift sein Blick über den Kunstrasen unterhalb der Alm-Terrasse. Denn dort, wo heute trainiert wird, wurden bei seinen Anfängen bei der SG noch die Pflichtspiele auf Naturrasen ausgetragen. Die mechatronik-Arena gab es noch nicht – als Tribünen dienten stattdessen zwei Erdhügel. „Das ist mit heute gar nicht mehr zu vergleichen. Es ist alles neu. Damals war alles aus Holz und in den Kabinen gab’s Schimmel“, erinnert er sich. Heute sieht das im modernen Kabinentrakt natürlich ganz anders aus.

Dass er zu einem ambitionierten Oberligisten wechselt, das war dem kosovarischen Staatsbürger klar, als er von Sportdirektor Joannis Koukoutrigas aus Backnang geholt wurde. Eine solche Entwicklung des Vereins war für ihn anfangs aber nur bedingt abzusehen – die großen Ziele wurden erst mit dem Stadionumbau und den guten Platzierungen in der Regionalliga formuliert. „In meinem ersten Jahr hier war unser Ziel auch nicht der Aufstieg. Das ergab sich erst, als wir alles gewonnen haben“, blickt Binakaj auf seine Premieren-Saison im SG-Trikot zurück. Mit einem Vorsprung von neun Punkten wurde das Team in der Spielzeit 2008/09 Meister und stieg in die Regionalliga auf. „Wir sind dann vom Hotel Sonnenhof aus mit Fans in einem Zügle nach Backnang gefahren. Und dort in den Bars haben wir Nachschub zum Trinken geholt.“

Seine Zeit bei der SG begann also gleich mit einem Höhepunkt. „Und der zweite war dann der Aufstieg in die Dritte Liga. An dem Tag wurden wir vor dem Hotel von für Aspacher Verhältnisse sehr vielen Fans empfangen. Manche hielten eine Fackel in der Hand. Dazu hat der Musikverein gespielt. Das war wirklich schön.“ 2014 war das, als sich der Verein in der Relegation gegen den VfL Wolfsburg II durchsetzte.

Unvergessen sind für „Ships“ Binakaj auch die beiden DFB-Pokalspiele in der Ausweich-Heimstätte in Heilbronn gegen den VfB Stuttgart und im heimischen Stadion gegen den FSV Frankfurt. „Beide Male haben wir sogar 1:0 geführt“, erinnert er sich. Zu einer Pokalsensation reichte es dennoch nicht. Auch die beiden Testspiele gegen Bayern München sind fest im Gedächtnis des SG-Dauerbrenners verankert. Vor allem die Partie im Januar, als Großaspach auf großer Bühne in der Allianz Arena nur 3:5 verlor und dafür viel Lob einstrich. „Dort drei Tore zu schießen, das ist ja schon sehr besonders.“ Eine Erinnerung, die Binakaj direkt ein breites Lächeln ins Gesicht zaubert. Und sein Gegenspieler? „Das war Franck Ribéry. Der ist auf dem Platz schon eine Waffe, das merkt man gleich.“

Gegen Spielerkaliber wie diese würde Binakaj – wie wohl jeder Fußballer – gerne häufiger spielen. Und so abwegig ist das in seinem Fall gar nicht. Denn seit zwei Jahren nimmt das Nationalteam des Kosovo am Spielbetrieb teil, zuvor hatte es über Jahre Testspiele bestritten. Der Traum, für diese Elf aufzulaufen, hat sich für den Aspacher bislang jedoch nicht erfüllt. „Es gab anfangs lose Gespräche. Eine wirkliche Anfrage aber kam nie. Das ist schade, ich hätte das gerne gemacht“, so der beidfüßige Spieler. Doch wer weiß? Vielleicht kommt ja doch noch ein Anruf. Dass sich dieser Wunsch erfüllen kann, zeigt sich bei Kushtrim Lushtaku, der zur gleichen Zeit wie Binakaj bei der TSG Backnang aktiv war und der immerhin auf einen Einsatz in der Nationalmannschaft kommt.

Und so gilt die Konzentration Binakajs weiterhin ganz der SG Sonnenhof. Acht Trainer hat er bei dem Verein erlebt. „Viel zu verdanken habe ich Thomas Letsch oder auch Alexander Zorniger, der zwischen all den gestandenen Spielern damals auch auf mich als 19-, 20-Jährigen gesetzt hat.“ Und an Rüdiger Rehm liegt es wohl, dass Binakaj noch für Aspach die Fußballschuhe schnürt. Als sich der Mittelfeldspieler während der Regionalliga-Zeit Gedanken über einen Wechsel zu einem anderen Regionalligisten gemacht habe, habe Rehm ihm klar gemacht, ihn unbedingt im Team haben zu wollen. Binakaj blieb und sollte dies nicht bereuen: Just im Sommer darauf stieg die SG in die Dritte Liga auf.

Dieser Verbleib liegt fünf Jahre zurück und inzwischen – im Herbst seiner Karriere – möchte Binakaj an einen Vereinswechsel gar nicht mehr denken. „Ich möchte so lange wie möglich für Sonnenhof spielen und auch danach dem Fußball erhalten bleiben. In welcher Form, das weiß ich aber noch nicht“, sagt er. Bis dahin bleibt dem 29-Jährigen ja auch noch etwas Zeit, und zunächst hat er neben dem Erfolg mit seinem Teams ja schließlich ein weiteres Ziel zu erreichen: „Martin Cimander möchte ich in der Bestenliste auf jeden Fall noch überholen“, sagt Binakaj lachend. 34 Pflichtspiele sind dafür notwendig. „Ich bin mir sicher, ich kriege das hin!“