Zu Besuch bei Xingu vivo, der Widerstandsgruppe gegen das Staudammprojekt Belo Monte in Altamira: Wolfgang Manuel Simon, Daniela (Xingu Vivo), Gerd Rathgeb, Antonia Melo (Xingu Vivo) und Dieter Streicher (von links). Foto: privat

Wolfgang Manuel Simon hat mit der Hilfsorganisation Poema eine Reise ins Amazonasgebiet unternommen – und will jetzt von hier aus für die Projekte kämpfen.

Erdmannhausen - Nach vier Wochen in Brasilien ist Wolfgang Manuel Simon „schon hier, aber noch nicht ganz angekommen“, wie er sagt. „Die Eindrücke sind so gewaltig gewesen“, fügt er an. Einen Monat lang hat der Erdmannhäuser gemeinsam mit Gerd Rathgeb aus Stuttgart und Dieter Streicher aus Beilstein in den brasilianischen Bundesstaaten Para und Maranhao Projekte der Hilfsorganisation Poema besucht, mit den dortigen Partnern gesprochen und neue Vorhaben geplant. Sie haben einzigartige Natur bewundert – und ebenso viel von deren Zerstörung mitbekommen.

Der Lehrer Wolfgang Manuel Simon ist seit 25 Jahren bei Poema mit dabei. Ihn beeindruckte damals ein Vortrag des Poema-Gründers Willi Hoss über die Trinkwasser-Armut in Amazonien. „In einem der regenreichsten Gebiete der Welt gibt es Wassermangel“, betont Wolfgang Manuel Simon. Die Hilfsorganisation setzt sich unter anderem dafür ein, dass vor Ort Trinkwasseranlagen gebaut werden können. Dabei handelt es sich um einfachste Anlagen mit einem blauen Fass auf einer Plattform. In sie wird Grundwasser gepumpt, das mit Filtern gereinigt wird.

Vor einigen Jahren engagierte sich auch die Gemeinde Erdmannhausen für ein solches Projekt. Durch Spendengelder aus der Bevölkerung wurde damals das Dorf Nova America beim Bau einer solchen Anlage unterstützt. „Sie arbeitet seit etwa fünf Jahren zuverlässig und spendet vor allem den Schulkindern sauberes Trinkwasser“, weiß Simon. Bei seinem Besuch in Nova America hatte er von der Gemeinde zwei Kalender mit Ansichten von Erdmannhausen sowie zwei Fußbälle im Gepäck. Beides sorgte in dem brasilianischen Ort, in dem rund 200 Familien wohnen, für ein großes Hallo. Da Nova America vor gerade mal 25 Jahren gegründet wurde, schien es den Einwohnern schier unmöglich, dass Erdmannhausen im Jahr 2016 seinen 1200. Geburtstag begeht.

Die Poema-Reisegruppe besichtigte noch weitere Trinkwasseranlagen, wobei die Männer feststellen mussten, dass die Trockenheit, die im Amazonasgebiet derzeit herrscht, dramatisch ist. Seit fünf Monaten hat es nicht mehr geregnet. Simon: „Die allererste Frage, die uns in jedem Dorf gestellt wurde war: Bringt ihr Regen?“

Die Abholzung in dem riesigen Gebiet im Norden Brasiliens bringe laut Wolfgang Manuel Simon regionale Auswirkungen des Klimawandels mit sich. Im Grund habe man sich dort „selbst das Wasser abgegraben“. Verantwortlich dafür sind unter anderem riesige Flächen an Regenwald, die für den Sojaanbau oder für die Rinderzucht abgeholzt wurden. Beispiel Santarem. Die 270 000-Einwohner-Stadt liegt zwischen Manaus und Belém, an der Mündung des Rio Tapajós in den Amazonas. Dort liegt ein bedeutender Exporthafen für Soja. „Weil wir das in Europa kaum mehr produzieren, sind wir süchtig nach Futtermitteln“, bringt es Simon auf den Punkt. „Für mich ist Santarem quasi der Einstich unserer Junkie-Nadel – und der führt direkt nach Europa.“ Die andere Nadel in diesem Gebiet sei der Abbau von Eisenerz, Aluminium und Bauxit.

Hinzu kommen die Wasserkraftwerke, die an den Amazonas-Zuflüssen gebaut werden. Zum Beispiel nahe Altamira, dort entsteht gerade das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt: Belo Monte. „Ein Umweltverbrechen sondergleichen“, sagt Wolfgang Manuel Simon. „Die einmalige Schleife am Rio Xingu wird gekappt und geflutet – ein Prestige-Objekt der brasilianischen Regierung.“ Auch für den Rio Tapajos plant die brasilianische Regierung, Wasserkraftwerke zu bauen. „Das würde bedeuten, dass wieder Menschen vertrieben werden, allen voran die Indigenen der Munduruku“, so Simon.

An anderen Stellen sind die Menschen dabei, das Land wieder zu bepflanzen, unter anderem mit verschiedenen Baumarten wie dem Ipe-Baum (siehe Foto). „Diese Familien pflanzen Zukunft“, sagt Wolfgang Manuel Simon. „Und sie gilt es, zu unterstützen, ebenso wie die Kaapor-Indianer, die die Gruppe schon am Anfang ihrer Reise besucht hat – und all die anderen. Simon schwebt deshalb vor, dass der Landkreis Ludwigsburg eine Brücke zu dem geschundenen Regenwald in Nordbrasilien baut. In Erdmannhausen macht er einen ersten Schritt: Am Donnerstag, 21.Januar, wird er im Rathaus-Sitzungssaal um 19 Uhr über seine Reise in einem Bildervortrag berichten. Weitere Veranstaltungen sind geplant.