Bettina Meeh führt heute mit dem „Drehpunkt“ eine eigene Drogerie. Foto: Werner Kuhnle

Die ehemalige Schlecker-Betriebsrätin Bettina Meeh ärgert sich nicht mehr – auch nicht über das Urteil.

Erdmannhausen - Das Urteil gegen Anton Schlecker und seine beiden Kinder wegen Insolvenzverschleppung ist auch in Erdmannhausen ein Thema. Im „Drehpunkt“, wie die ehemalige Schleckerfiliale schon lange heißt, wird – neben anderen Themen des Tages – auch darüber gesprochen. Seit genau fünf Jahren führt Bettina Meeh die Drogerie, die neben Kosmetika auch andere Dinge des täglichen Bedarfs im Sortiment hat. Dieser Tage wurde das Jubiläum gefeiert. „Damals standen wir vor dem Nichts“, erinnert sich die ehemalige Schleckerbetriebsrätin. Man habe gehofft und im Nachhinein festgestellt, dass man „nur angelogen“ wurde. „Da sind viele Tränen geflossen.“

Aber Bettina Meeh ist nicht der Typ, der den Kopf in den Sand steckt. Der Blick geht nach vorne, sie hat schnell einen Weg zum Weitermachen gesucht. Dass der Weg nach Erdmannhausen geführt hat, diese Entscheidung hat sie nicht bereut. Die Kunden kommen gerne, fast alle sind persönlich bekannt, und Zeit für ein Schwätzle ist immer.

Auch mit den Medien redet Bettina Meeh, oder eher umgekehrt: Viele Zeitungen, Radiosender und Fernsehstationen bemühen sich um ein Gespräch mit der aufrechten ehemaligen Schleckerfrau. An die 30 Interviews habe sie in den vergangenen fünf Jahren gegeben, auch jetzt hätten einige angerufen, um nach ihrer Meinung zum Schleckerprozess zu fragen: „Eigentlich habe ich nicht viel dazu zu sagen, das Kapitel ist für mich abgeschlossen.“

Nach einer Betriebsratsversammlung zur Zeit der Insolvenz sei man mit dem Bus zur Schlecker-Villa nach Ehingen gefahren und habe gestaunt, „was da so an Autos rumsteht“. Den „Patriarch“ habe sie aber nie persönlich kennengelernt, in 20 Jahren nicht. Ohne Abfindung und Auszahlung der Überstunden seien trotz aller Versprechen am Ende 25 000 Angestellte auf der Straße gestanden. „Das waren ja nicht nur die Verkäuferinnen, auch die Fahrer und Lagerarbeiter, die von einem Moment zum andern nichts mehr hatten.“ Für die ehemaligen Kollegen tue es ihr leid, so Bettina Meeh, da etliche immer noch nicht wieder in ein reguläres Arbeitsverhältnis gefunden haben. „Das finde ich schäbig, dass von denen keiner sein Geld gesehen hat.“

Insofern kann Bettina Meeh verstehen, dass sich viele über das milde Urteil gegen Anton Schlecker ärgern. Sie aber nicht: „Ich bin hier meine eigene Chefin, es macht Spaß, und ich unterhalte mich gerne über andere Dinge als über den Schlecker-Prozess.“ Zum Beispiel übers Wetter, das sich nicht zwischen Schneeregen und Sonnenschein entscheiden kann. Eines gibt die ehemalige Mitarbeiterin dann aber doch noch zu bedenken: „Jeder hat gewartet, dass er für seine Schandtaten bestraft wird. Ich frage mich schon, ob es nicht eine viel schlimmere Strafe ist, wenn die eigenen Kinder ins Gefängnis müssen. Da würde ich vor Scham im Boden versinken.“