Joachim Enderich spielt gerne eine Partie Schach – diese Fläche des Kleeblatt-Heims bietet dazu die Möglichkeit. Foto: Oliver von Schaewen

Der 102-jährige Joachim Enderich ist der älteste Bürger Erdmannhausens und fühlt sich wohl im Kleeblatt-Heim, das heuer 20 Jahre alt wird.

Erdmannhausen - Wo es mir gut geht, da ist mein Vaterland. Diese Weisheit hat Joachim Enderich beherzigt. Der älteste Erdmannhäuser kann sie sogar auf lateinisch wiedergeben: „Ubi bene, ibi patria“. Tatsächlich kann sich der viel gereiste 102-Jährige über sein Umfeld im Kleeblatt-Heim alles andere als beklagen. In dem Seniorenheim erlebe er im Alltag viel Freundlichkeit. Außerdem schaue seine Tochter, die auch im Ort lebe, fast täglich nach ihm. „Wo man seine Freunde hat und es einem gut geht, erlebt man Heimat.“

Von vielen Freunden habe er sich leider schon verabschieden müssen – weshalb er zurückgezogener lebe als früher, erzählt Joachim Enderich. Dabei bedeute ihm die Freundschaft als Wert im Leben am meisten. Ins Betreute Wohnen des Kleeblatt-Heims zog er vor 13 Jahren mit seiner Frau Erna, als diese Hilfe brauchte. Seit sie, mit der er mehr als 70 Jahre lang verheiratet war und zwei Töchter großzog – sowie im Jahr 2011 die Gnadenhochzeit feierte – , vor einigen Jahren starb, wohnt er alleine. „Ich bekomme immer das Mittagessen gebracht“, erzählt der freundliche Mann. Er schätze am Heim, dass es Menschen gebe, mit denen er sich unterhalten könne. Mittwochs nehme er immer an der Gymnastik teil. „Ich mache da alles mit, das ist gut für die Gelenke“, sagt er. Eine CD mit dem Radetzkymarsch habe er den Betreuerinnen gebrannt, um ein bisschen Musik beizusteuern. „Ich mag nicht die moderne hektische Musik, die nur vom Takt lebt, ich brauche Melodien“, erklärt der Operetten-Liebhaber, der gerne den Gesang von Rudolf Schock hört.

Langweilig wird dem ehemaligen Ministerialdirektor, der in Mainz für die Wasser- und Abwasserwirtschaft verantwortlich war, nie. Mit einem Elektro-Scooter, einer Art dreirädrigem Motorroller, erkundet er die Umgebung. Außerdem widmet er sich seinen Memoiren, die er vor etwa 20 Jahren begonnen hat. „Damit meine Enkel und Urenkel wissen, was ich getan habe“, sagt der Mann, der 1914 in Riga geboren wurde, mit seinen Eltern während des Ersten Weltkriegs in Sibirien interniert wurde und dann später in Danzig studierte, um Bauingenieur zu werden. Im Zweiten Weltkrieg diente Enderich als Ausbilder in der Luftwaffe. „Ich hatte immer das Glück, in einem weichen Bett zu liegen“, sagt er und betont: „Es sollte nie wieder Krieg geben.“ Bitter war die Vertreibung aus Schlesien 1945, als das Haus beschlagnahmt wurde.

Eine gewisse Abenteuerlust pflegte der Pilot auch später noch. „Ich habe auf dem Mittelmeer Touren mit dem Segelboot unternommen und dabei oft eine unbändige Freiheit gespürt.“ In Spanien verbrachte er 20 Winter auf der Kanareninsel Teneriffa, dann zog das Paar nach der Pensionierung nach Affalterbach. „Eigentlich bin ich Kosmopolit“, sagt der älteste Bürger von Erdmannhausen, der nach seiner Pensionierung „einen klaren Schnitt“ zog, mit seiner Frau die Welt erkundete und sich seinen Interessen widmete. Dabei hielt er sich auch geistig fit, indem er komplexe Spiele wie Schach oder Bridge erforschte. Eine Erklärung für sein hohes Alter hat Joachim Enderich nicht. „Aber es müssen wohl die Gene sein“, vermutet er. Schließlich habe er nicht so gelebt, „wie es die Gesundheitsapostel vorschreiben“. Zu jedem Essen nehme er ein Gläschen Rotwein, früher habe er sogar geraucht und dafür selbst Tabak angebaut und fermentiert. Im Laufe seines Leben habe er gemerkt, dass es sich nicht lohne, sich über Dinge aufzuregen. „Ich weiß heute, vieles regelt sich von alleine.“