Brigitte Eulenberger hat für jeden ihrer Kunden ein freundliches Wort übrig. Die meisten nennt sie beim Vornamen. Foto: Dominik Thewes

Beim Euli-Service in Marbach-Rielingshausen gibt es fast alles zu kaufen. Freundlichkeit und Herzlichkeit werden jedoch großzügig kostenlos verteilt.

Marbach-Rielingshausen - Der Euli-Service in Rielingshausen verzichtet gerne auf Kundschaft. Wer in dem Tante-Emma-Laden einkauft, ist nämlich weit mehr als das. Er ist ein Nachbar, ein Bekannter, ein Freund. Und zwar ganz gleich, ob er täglich hier einkauft oder zum ersten Mal. „Brauchst du Tabak?“, „Hallo Irmgard“, „Na, wo hat denn die kleine Lena heute ihre Puppe gelassen?“ Das geht im Minutentakt so weiter. Jeder erhält seine persönliche Ansprache.

Im Euli-Service prägt das „Du“ den Umgangston. Als der Laden von Franz Eulenberger am 4. Februar 1974 eröffnet wurde, hatte er Getränke und Süßigkeiten im Angebot. Unter der Regie von Sohn Wolfram Eulenberger und Schwiegertochter Brigitte ist das Sortiment immer umfangreicher geworden. Heute gibt es dort alles. Das meiste davon kann man käuflich erwerben. Der Humor und die Herzlichkeit aber werden großzügig an die Besucher verschenkt.

Als ihr letztes Jahr verstorbener Mann noch mit in dem Laden stand, waren Eulenbergers sogar bis 21 Uhr für diejenigen da, die spät noch Bedürfnisse hatten. Und ging der Sprudel ausgerechnet am Wochenende aus, ist ausnahmsweise bis nach Hause geliefert worden.

Den Pragmatismus hat sich Brigitte Eulenberger bewahrt, wenn der Laden inzwischen auch schon um 19 Uhr schließt. Grundlage für diese Entscheidung war eine Statistik, die ihr Sohn Walther vergangenen November für sie ausgewertet hatte. „Um diese Zeit lässt die Nachfrage nach“, erklärt sie. Den Grund dafür benennt sie auch. „Wer von Stuttgart oder Ludwigsburg von der Arbeit nach Hause fährt, kommt gleich an mehreren günstig gelegenen Vollsortimentern vorbei. Die Leute fahren da nicht mehr extra nach Rielingshausen, um bei mir einzukaufen“, hat die 70-Jährige beobachtet. Und das, obwohl so mancher Vollsortimenter sich in Sachen Angebotsvielfalt ein Beispiel an dem300 Quadratmeter großen Rund-um-Service nehmen kann, wo ein Lebkuchenherz schon mal inmitten von bunten, wohlduftenden Wunderbäumen steckt.

Doch die Konkurrenz ist nicht nur mehr geworden. Die großen Ketten liefern sich auch einen Preiskampf, bei dem sie nicht mithalten könne. Trotzdem denkt Brigitte Eulenberger aktuell nicht daran, ihren Laden aufzugeben. „Wir lassen Rielingshausen ja nicht hängen.“ Sie lächelt dabei, als wollte sie die Gerüchte, der Euli-Service könnte bald schließen, endgültig zerstreuen. Vergangenen Herbst haben diese im Ort die Runde gemacht. Doch noch überwiegt die Lust am Arbeiten. Mindestens zwei Jahre will Brigitte Eulenberger dranhängen, und wenn es die Gesundheit zulässt, womöglich noch ein paar mehr.

Ein halbes Leben schon versorgt Brigitte Eulenberger die Rielingshäuser nun mit allem Notwendigen für den Alltag. Das Zehnjährige, das 25-Jährige und jüngst das 40-Jährige – es hätte einiges zu feiern gegeben, „aber Jubiläen waren nie meine Sache“, erzählt Brigitte Eulenberger. Statt zu festen ist sie lieber für diejenigen da, die sie brauchen. Dazu gehören die Handwerker, die sich auf dem Weg zur Arbeit schnell ein Brötchen besorgen, ebenso wie die Kinder der Quellen-Grundschule, die sich an heißen Sommertagen mit Eis abkühlen. „Sie alle sind mir wichtig“, betont sie.

Darum liefert auch der Dienstagnachmittag in dieser Woche keinen Anlass, kürzerzutreten. Die Betriebe in der Umgebung feiern Fasching, im Euli-Service breitet sich lediglich eine Luftschlange auf dem Stehtisch aus, der zu dem kleinen Café gehört. „Klar hätte ich ein Plakat schreiben können, ‚heute geschlossen’, aber so etwas mache ich doch nicht.“

Stattdessen werden mit den Gästen die Themen des Tages besprochen. „Immer mehr junge Leute sterben“, sagt sie betroffen, während sie eine Boulevardzeitung abkassiert, die sich dazu entschieden hat, den Nachruf auf Roger Willemsen auf die Titelseite zu nehmen. Dann fällt ihr Blick auf eine Meldung über die Gehälter von Bänkern. „Was die verdienen, ist unverschämt. Warum erzählen die uns das immer noch?“, ärgert sie sich.

Doch kein Grund für Verdruss. Brigitte Eulenberger hat mit ihrer aufgeschlossenen, praktischen und direkten Art einen ganz anderen Reichtum anhäufen können. „Ich kann hinkommen, wo ich will, da ist immer jemand, bei dem ich übernachten kann“, erzählt sie über die unzähligen Kontakte, die über die Jahre im Euli-Service entstanden sind. Zweimal ist sie auf diese Art nach Kapstadt gereist. An einer der wenigen Wände, an denen keine Ware untergebracht ist, legen Fotografien ein Zeugnis dieser Reisen ab. Und wer im Euli-Service einen Kaffee bestellt, hält ziemlich sicher ein weiteres Souvenir in der Hand. Das Faible für Tassen aus den Starbucks-Filialen der Metropolen der Welt hat sich bei Familie und Kunden herumgesprochen. Von Sydney über Waikiki bis Köln sind Andenken vorhanden.

Erinnerungen werden im Euli-Service auch wach, wenn der Blick auf die alte Garage links neben dem Getränkemarkt fällt. Ein altes Kreidler-Schild macht darauf aufmerksam, dass Autofahrer bei Euli bis zum Jahr 2000 auch Tanken konnten. „Im Euli-Service bekommst du alles“, ist ein geflügeltes Wort in Rielingshausen. Nur dieses Blechemblem nicht. „Das wurde schon so oft angefragt, aber so leid es mit tut, das kann ich nicht hergeben“, sagt Brigitte Eulenberger.

Ihre Kinder hängen daran . . .