An der Einrichtung und Ausstattung der Wäscherei ist seit Jahrzehnten nichts verändert worden. Foto: Michael Raubold Photographie

In der Wäscherei Kasjanowski in der Altstadt ist die Zeit stehengeblieben.

Marbach - Wer etwas Ruhe von dem geschäftigen Treiben des Alltags sucht und dabei ein Hauch von Nostalgie spüren möchte, ist in der Niklastorstraße 25 goldrichtig. Seit 53 Jahren drehen im Herzen der Marbacher Altstadt die Wäschetrommeln beständig, aber beinahe unbemerkt ihre Runden. Seit 45 Jahren im Auftrag der Familie Kasjanowski.

Auf auffällige Reklame in den Schaufenstern verzichtet Boris Kasjanowski ebenso bewusst wie auf andere Werbemittel. Längst hat sich der Unternehmer eine Stammkundschaft aufgebaut. Die meisten bringen ihre Wäsche selbst in die Marbacher Altstadt, viele werden von dem 56-Jährigen aber auch beliefert – Gaststätten, Hotels oder größere Unternehmen etwa.

Doch so nostalgisch die Wäscherei, was die Einrichtung angeht, auf den ersten Blick scheint, so modern sind die Öffnungszeiten. Außer samstags und mittwochnachmittags kann die Wäsche – hinter insgesamt 28 Warenbezeichnungen kann auf dem Lieferschein ein Haken gemacht werden – durchgehend jeden Tag von 8 bis 16 Uhr gebracht und geholt werden. Das ist seit 1972 so. „Der Samstag lohnt sich vom Umsatz her für uns nicht“, erklärt Boris Kasjanowski den im ersten Moment ungewohnten Ruhetag.

Mutter Elfriede geht dem Sohn jeden Dienstag und jeden Donnerstag zur Hand. Trotz ihrer 83 Jahre. „Solange ich noch helfen kann, mache ich das gerne. Warum auch nicht?“, sagt sie und lässt die Äuglein blitzen. Die Arbeit an der Heißmangel ist ihr in Fleisch und Blut übergegangen. Jeder Handgriff sitzt. Konzentriert und fast schon zärtlich streicht sie jedes Textilstück glatt bevor sie es in den mit Dampf betriebenen Walzbügler legt.

Im Jahr 2014 hat Sohn Boris, der wie Elfriede Kasjanowski mit seiner Familie in Kirchberg lebt, in einen neuen Heizkessel investiert. 200 Liter Wasser passen in die Heizschlange. Innerhalb von drei Minuten wird das Wasser so erhitzt, dass 180 Grad heißer Dampf entsteht. „Der schießt direkt in die Maschine ein“, erklärt der Textilprofi. „Das ist schneller und günstiger als mit Strom zu heizen.“

Tischdecke um Tischdecke und Bettbezug um Bettbezug machen Mutter und Vater an diesem Dienstagmorgen platt. Mama Elfriede fädelt ein, Sohn Boris zieht das Stoffstück auf der anderen Seite wieder heraus, oder legt es zusammen. Gerade die großen Textilstücke sind es, die die Kunden bevorzugt zu den Kasjanowskis geben. „Mit dieser Maschine sind fast alle Fasern bügelbar“, erzählt der 56-Jährige. Polyester muss nicht angefeuchtet werden, Baumwolle oder Leinen hingegen schon, ergänzt Elfriede Kasjanowski und greift zu einem kleinen Plastikfläschle mit Wasser.

Die Tür geht auf und eine Kundin bringt ein Kopfkissen und ein Federbett herein. Ob sie nur die zwei Teile hat, will Boris Kasjanowski wissen. Der Grund: In die große Maschine würde noch eine zweite Garnitur passen – und das käme dann günstiger. Immer mehr Kunden lassen ihre Federbetten bei Boris Kasjanowski waschen. „Das wird gut angenommen, weil es günstiger als eine Reinigung ist“, sagt der 56-Jährige.

Sieben Maschinen säumen den Raum im Erdgeschoss der Niklastorstraße 25. In eine von ihnen passen 20 Kilo, in die sechs anderen 7,6 Kilogramm Wäsche. „Früher war das hier ein Waschsalon“, erzählt Elfriede Kasjanowski. „Die Leute kamen, haben ihre Sachen in die Maschinen gepackt und sind nach einer Stunde wiedergekommen.“ Heute ist dies theoretisch immer noch möglich, wird aber nur noch von ein paar wenigen Singles gemacht.

Führt zu der Frage, wie denn die Kundenstruktur der kleinen Wäscherei in der Marbacher Altstadt aussieht? „Wo die Zeit fehlt, oder die Gesundheit oder das Geld für eine eigene Maschine sind wir Anlaufstelle“, sagt Bruno Kasjanowski. Und zwar längst nicht nur für Männer. „Es kommen auch viele Frauen zu uns.“

Wie kommt ein junger Mann dazu, in die Fußstapfen der Eltern zu treten und in deren Wäscherei mitzuarbeiten – und sie schließlich zu übernehmen? Bruno Kasjanowski hält kurz inne. Es habe sich irgendwie so ergeben, sagt er dann. Damals habe es noch den Lehrberuf Wäscher und Plättner gegeben. Der 56-Jährige, der sich selbst als Autodidakten bezeichnet, bekam sein Wissen und Können jedoch von den Eltern vermittelt. Manchmal, räumt er ein, sei man nicht so stolz auf seine Arbeit, „aber wir können von ihr leben und eigentlich macht sie mir auch Spaß“.

Als seine Eltern den Betrieb 1972 kauften waren noch sechs Leute beschäftigt. Vier Wäschereien gab es damals in der Schillerstadt. Inzwischen sind die Kasjanowskis die einzigen. Vom Hype um immer modernere Maschinen lässt sich der Kirchberger nicht anstecken. Auf dem Tisch neben der Heißmangel liegt eine Fachzeitschrift. Der 56-Jährige ist an der technologischen Weiterentwicklung der Branche interessiert und hält sich über sie auf dem Laufenden. Dennoch ist er davon überzeugt, dass gerade die alten Maschinen oft effizienter sind.

Nicht selten kommt es vor, dass Mutter und Sohn von den Kunden zu Hause gewaschene Tischdecken oder Bettwäsche zum Mangeln bekommen, und mit den Folgen der neuen Technik zu kämpfen haben. „Oft wird zu viel Waschpulver in die Maschine gegeben, die wiederum zu wenig Wasser zuführt“, erklärt Bruno Kasjanowski. Die Folge: Das Waschpulver zieht sich an den Rändern zusammen und tritt in Form von unschönen gelblichen Flecken in Erscheinung. Das einzige Manko der Maschinen älteren Semesters: Es wird immer schwieriger, die notwendigen Ersatzteile zu bekommen.

Immer wieder wird der Experte von seinen Kunden auch um Tipps in Sachen Fleckenentfernung gebeten. Der 56-Jährige schmunzelt – und verweist auf haushaltsübliche Mittel. Bei Rotwein rät er beispielsweise zu Salz, Mineralwasser oder Zitrone. „Zuerst ein bisschen mit Papier die Flüssigkeit aufsaugen und dann das Mittel der Wahl aufgetragen solange der Fleck noch nass ist.“ Das funktioniert – egal ob es der Profi oder der Laie macht. . .