Heute reparieren an den Tischen des Familienzentrums acht Freiwillige alles, was angebracht wird. Foto: geschichtenfotograf.de

Im Repaircafé des Elternforums wird Kaputtes zu neuem Leben erweckt. So wird geholfen und die Angst davor genommen, sich selbst an die Technik zu wagen.

Marbach - Der alte Quartzwecker hat schon bessere Zeiten gesehen. Er piepst nicht mehr, das weiße Plastik des Gehäuses und das Ziffernblatt sind auch schon etwas vergilbt. Ein neuer Wecker würde vermutlich nicht die Welt kosten. Und dennoch: Sein Besitzer hängt offensichtlich an ihm. Oder will zumindest keinen neuen kaufen. Er hat den Wecker zum Repaircafé gebracht, wo er jetzt auf dem Tisch vor Michael Zenko liegt. Der macht sich vorsichtig mit einem Messer an die Arbeit: „Hm, das Ziffernblatt müssen wir abkriegen“, brummt er. Die Operation gelingt, ohne dass dieses Schaden nimmt: die Federn und Zahnräder des Uhrwerks kommen zum Vorschein.

Normalerweise dienen die Räume in der Marktstraße 6 dem Elternforum als Familienzentrum, in dem etwa Qi-Gong-Kurse für Eltern oder Bastelnachmittage für Kinder stattfinden. In einem Regal stapeln sich Spielsachen, in einem anderen Infoflyer. Doch neben der Spielküche haben jetzt einige der Freiwilligen ihre Werkstatt aufgebaut. Wer etwas zur Reparatur abgibt, unterschreibt zunächst eine Verzichtserklärung – falls mal etwas kaputt gehen sollte. Denn das Herrichten der Sachen ist im Prinzip kostenlos, die allermeisten Besucher werfen allerdings einen Geldschein in das dicke Porzellanschwein, das auf dem Tisch steht. Heute sind es acht Helfer aus Marbach und der Umgebung, die sich um alles Mögliche kümmern: Christine Löbner-Stark richtet Kleidungsstücke wieder her, Wolfgang Gscheidle, den einer seiner Mitstreiter freundschaftlich „onser Oberg’scheidle“ nennt, beugt sich über einen Staubsaugermotor. Und Dieter Kawa, eigentlich Maschinenbauingenieur, kümmert sich um ein Holz-Eichhörnchen, das wieder auf seiner angestammten Buchstütze sitzen bleiben soll.

Sie alle reparieren ehrenamtlich – aber ganz sicher nicht dilettantisch. Heinz Werner Kramski etwa, der sich im Nebenraum um einen Laptop kümmert („Die Bios-Batterie war leer …“), ist hauptberuflich der IT-Leiter des Deutschen Literaturarchivs. Er macht aus Überzeugung beim Repaircafé mit. „Neulich war ein Herr mit seinem Laserdrucker da, der immer Papierstau angezeigt hat. Im Laden war ihm gesagt worden, er solle sich einen Neuen kaufen. Dabei war nur ein winziges Plastikteil herausgesprungen.“ Ein paar Handgriffe, dann ging der teure Drucker wieder. „Darum geht es hier doch: der Wegwerfkultur etwas entgegenzusetzen“, sagt Kramski.

Genau für solche Fälle haben Roland Bach und Jürgen Groß das Repaircafé vor einem Jahr ins Leben gerufen. Alle sechs Wochen findet es statt, die Räume des Elternforums sind jedes Mal voll. Groß begrüßt die Besucher persönlich am Eingang – viele sieht er nicht zum ersten Mal. Der Marbacher Martin Ramsauer etwa war schon einmal da, heute hat er ein Telefon mit kaputtem Display und ein Mini-Bügeleisen mitgebracht. Letzteres war nicht mehr zu retten – das Telefon funktioniert aber wieder. „Zumindest so, dass es das Wochenende über hält“, meint Ramsauer zufrieden. Das ist nicht der einzige Nutzen des Repaircafés: „Man lernt hier echt viel“, sagt Ramsauer. Denn wer etwas vorbeibringt, wird angehalten, mitzuhelfen oder zumindest zuzugucken. „Dadurch verlieren die Leute die Angst, mal etwas selbst auseinander zu nehmen“, erklärt der Mit-Initiator Jürgen Groß.

Zumindest bei den beiden Zwölfjährigen Fabian und Aramis ist die Faszination für Technik geweckt. Mit großen Augen schauen sie zu, wie Wolfgang Gscheidle einen Nähmaschinenmotor inspiziert. Der ist hinüber, die Besitzerin schenkt ihn den beiden Jungs: „Zum Auseinandernehmen.“

Kurz darauf dringt typisches Piepsen durch den Raum: Der alte Quartzwecker funktioniert wieder. Sein Besitzer steckt ihn zufrieden ein. Einmal mehr haben die Freiwilligen einem Gerät ein neues Leben geschenkt – und Müll verhindert. Wer weiß, vielleicht kommt der Herr ja beim nächsten Repaircafé am 16. April wieder.