In dem Großbottwarer Plattenladen gibt es einige Kostbarkeiten zu entdecken. Foto: Michael Raubold Photographie

In Großbottwar hat sich der 42-jährige Pascal Mascré seinen Wunsch erfüllt: einen eigenen Plattenladen.

Großbottwar - Wie viele seiner Generation war der heute 42-jährige Pascal Mascré in seiner Jugend begeisterter Plattenleger. Mit dem Unterschied, dass er dem schwarzen Vinyl treu geblieben ist, das die meisten in den 1980er Jahren gegen die silbrige CD getauscht haben. Während die Compact Disc in Zeiten von Streaming und MP3 schon wieder out ist, setzt der Großbottwarer immer noch gern die Nadel in die Rille: Pascal Mascré betreibt den einzigen Plattenladen im Bottwartal.

Die Begeisterung für die „Analoge Klangkultur“ teilt der Personaler im Hauptberuf mit einigen Fans der in Vinyl gepressten Musik. Aus dem Hobby ist ein kleines Gewerbe geworden. „Ich verkaufe fast ausschließlich neue Schallplatten“, so Mascré. Damit will sich der Großbottwarer von Flohmärkten und Musikbörsen abheben, die er zum Privatvergnügen durchaus gern besucht. Schließlich ist die persönliche Sammlung von Pascal Mascré weitaus umfangreicher als das Angebot im Laden, wo sich in den Kisten rund 200 Platten stapeln. Das Angebot ist nicht riesig, aber erlesen: „The Atlantic Years“ von John Coltrane aus dem Jahr 2016 in Mono kostet in der Komplettausgabe nicht weniger als 160 Euro, es gibt Art Pop von Kate Bush, das aktuelle Studioalbum „Oxygene 3“ von Jean Michael Jarre, und Neuerscheinungen von Adele bis Deep Purple.

Bunte Cover mit neuem Innenleben sind die Würze in der audiophilen Szene. Neuauflagen in verbesserter Klangqualität lassen Klassiker wieder zu neuem Leben auferstehen. Alben wie „Red“ von King Crimson aus dem Jahr 1974 in der „superheavy-weight“ Ausgabe auf der 200 Gramm schweren Vinylplatte versprechen besonderen Hörgenuss. Oder das vom originalen Master-Tape neu aufgenommene Debut-Album von Rickie Lee Jones mit dem Klassiker „Chuck E’s in Love“ von 1979. „Die gibt es sogar in einer 45er-Ausführung, was eine deutlich bessere Klangqualität mit sich bringt“, erklärt Mascré. „Die Art der Plattenpressung hat sich im Prinzip nicht verändert. Aber die Qualität ist bei den Neuauflagen trotzdem deutlich besser.“

Auch die Hardrock-Band Iron Maiden hat so manchen Klassiker wieder neu aufgelegt. „Ich hab ein Faible für gewisse Musikrichtungen von Jazz bis Heavy Metal, aber keine spezielle Affinität zu bestimmten Gruppen. Bei mir gibt es fast alles – außer Techno und Volksmusik!“

So klingen sanfte Töne von der Norwegerin Kari Bremnes ebenso durch den Laden wie „Porcupine Tree“ des Progressive-Rockers Steven Wilson, die es in der blauen Ausführung als Limited Edition nur 500 Mal in Deutschland zu kaufen gibt.

Spannend findet der Rillen-Forscher manche Besonderheiten seiner Schätze. „Da hört man sich die vier Seiten einer Doppel-LP an und stellt fest, dass auf der D-Seite wohl das Material ausgegangen sein muss.“ Von Snarky Puppy gibt es gar eine Doppel-LP, auf der die vierte Seite gar nicht bespielt ist. „Dafür ist da ein besonders schönes Muster aufgepresst.“ Wobei es eher die Ausnahme ist, dass Mascré eine Scheibe auflegt, die er eigentlich noch verkaufen will. „Die meisten wissen genau, was sie wollen und die wollen die Platte originalverpackt. Was ich hier höre, das sind die Sachen aus meiner Privatsammlung, die verkaufe ich nicht.“ Dennoch informiert sich der Verkäufer über Neuerscheinungen wie Modern Metal von Sikth oder Anathema. „Sikth ist zum Laufen ideal, Anathema ist ein bisschen ruhiger.“

Gerade läuft „Pineapple Thief“, ebenfalls eine britische Rockband. Das Sofa lädt dazu ein, mal eine komplette A- oder B-Seite in Ruhe durchzuhören. „Das ist was anderes als die Songs im Internet, die man nur durchklickt.“ Schon das Auflegen der schwarzen Scheibe ist ein Ritual. „Ich befreie die Platte aus der Hülle. Dann bin ich gespannt, wie ausführlich ist das Booklet, ist das Cover bedruckt und wie ist es innen gestaltet?“ Liebevoll legt Mascré die runde Scheibe auf den Rega P3 und nimmt den Staub aus den Rillen sanft mit einer 14-reihigen Kohlefaserbürste auf. Das Nadelsetzen hat der Plattendoktor im Gefühl, er trifft die Stelle genau, wo der erste Song beginnt. Nach der haptischen Vorbehandlung kommt der Genuss. „Sich zurücklehnen und ganz auf den Künstler einlassen“, ist für Mascré das Wesen der audiophilen Klangkultur. Gerne auch mit Freunden: Für seine Frau Dagmar legt er gerne Carole King auf, die „You’ve got a friend“ singt. „Das ist einfach ein anderes Gefühl als eine CD“, schwärmt die Musikliebhaberin. Die Sammelleidenschaft ihres Mannes teilt sie gerne. „Ich freue mich mit ihm, dass er mit dem Plattenladen seinen Jugendtraum umgesetzt hat. Das hat einen langen Atem erfordert.“

Bastian, ein guter Freund seit der Schulzeit schaut herein. „Ich hatte immer zu wenig Platten“, schmunzelt der Musikfan. „Das ist interessant und gigantisch, was Pascal hier aufgezogen hat. Schallplatten sind kultig, das Knistern ist einfach etwas Besonderes.“ Weitere Freunde schauen vorbei, von der Band, in der Pascal Mascré seit einigen Monaten als Schlagzeuger mitspielt, Freunde der Familie, Kunden. Es wird langsam eng in der kleinen Einliegerwohnung, in der der Plattenladen mehr schlecht als recht untergekommen ist. Bald wird es jedoch mehr Platz geben: Der Umzug in den „Musiktraum“ in der Gartenstraße steht an. Dann werden – immer samstagmorgens von 8 bis 12 Uhr – hoffentlich noch mehr Fans der analogen Klangkultur in dem kleinen, aber feinen Plattenladen im Bottwartal vorbeischauen.