Rund 600 Steinkäuzre hat der Tierschützer im Jahr 2016 landkreisweit beringt. Foto:  

Herbert Keil gilt als der Steinkauz-Experte. Seit 25 Jahren setzt er sich für den Artenschutz ein.

Steinheim - Ein schwül-dämpfiges Lüftchen weht an diesem Samstagnachmittag über die Streuobstwiese unweit der Steinheimer Hägnachhöfe. Wenige hundert Meter entfernt brauen sich über dem Marbacher Galgen zusehends ein paar Gewitterwolken zusammen, als Herbert Keil seine Leiter an den alten Apfelbaum mit der knorrigen Rinde lehnt und sich mit sicheren Schritten in drei Meter Höhe wagt.

Der 71-jährige Tierschützer tut, was er seit nunmehr fast 25 Jahren regelmäßig tut. Mit geübten Handgriffen öffnet er die braune Niströhre, die auf einem dicken, fast waagrecht vom Stamm wachsenden Ast befestigt ist. Ruhig aber bestimmt schiebt er erst seine Hand, dann fast den ganzen Arm in die Röhre und zieht ihn kurz darauf langsam wieder heraus.

Nur ganz kurz kann man in seiner großen Hand ein kleines Federknäuel erahnen, dann ist es auch schon in einem kleinen Stoffbeutel verschwunden und Herbert Keil steigt die Leiter leichtfüßig wieder herab. Erst als er wieder sicheren Boden unter den Füßen hat, öffnet er den Beutel und holt ihn heraus – den kleinen Steinkauz mit den riesigen Augen.

Eigentlich ist damit alles wie immer. Bis auf die plötzlich einsetzenden mehrstimmigen „Ohs und Ahs“, die Herbert Keils Handeln begleiten. Was der Oberriexinger nämlich sonst in aller Stille auf Streuobstwiesen im ganzen Landkreis Ludwigsburg durchführt – die Brutplatzkontrolle, sowie die Kennzeichnung der Steinkauz-Jungen zur Bestandserhebung und Kartierung der Vorkommen – wird an diesem Tag von rund 50 neugierigen Augenpaaren beobachtet und mit zahlreichen Ausrufen wie „Ach, ist der aber süß“, oder „Uiii, wie winzig“, kommentiert.

Rund 50 Interessierte – darunter viele Kinder – sind der Einladung der Steinheimer Arbeitsgemeinschaft Streuobstwiesen (ASS), die Herbert Keil und die Forschungsgemeinschaft zur Erhaltung einheimischer Eulen (FOGE) auch finanziell unterstützt, gefolgt. Um einmal aus nächster Nähe ein Tier zu sehen, das man sonst eher selten zu Gesicht bekommt und um mehr über den Zwerg unter den heimischen Eulen zu erfahren. „Der Steinkauz bevorzugt alte Baumhöhlen auf offenen und ebenen Landschaften mit lockerem Baumbestand und niedriger Vegetation. Anders allerdings als viele seiner Artgenossen jagt er zu 80 Prozent zu Fuß – der kleine Fresssack rennt Insekten und Mäusen, eigentlich allem was er kriegen kann, hinterher“, erklärt Herbert Keil.

Und genau darin liegt die Hauptursache des seit Jahrzehnten zu beobachtenden Rückgangs der Steinkauzbestände in Mitteleuropa. „Sind die Wiesen zu hoch, kommt der Steinkauz nicht an Futter“, bringt es der Steinkauz-Experte auf den Punkt. Wo Streuobstwiesen verschwinden, muss der Steinkauz weichen.

Wie wichtig daher die unermüdliche Arbeit von Herbert Keil ist, belegen die Zahlen: Nur acht Paare wurden vor rund dreißig Jahren im Kreis Ludwigsburg erfasst. Im Jahr 2016 hat der Tierschützer rund 600 Steinkäuze beringt. Und genau das tut er dann auch an diesem Tag mit der rund zwanzig Zentimeter messenden und knapp 140 Gramm schweren Eule mit der flachen Stirn, den schwefelgelben Augen und dem kurzen Schwanz und seinen beiden Geschwistern. Mit der Schieblehre werden zunächst Schnabel, Flügellänge, Fuß und Schwanzlänge gemessen, dann darf der Kauz auf die Waage und wird am Ende beringt. „So wie der auf dem Kreuz liegt, könnte man ihm glatt noch die Windeln wechseln“, meint ein Zuschauer. Und ganz Unrecht hat er damit nicht. Denn: Mit einem Alter von etwa drei Wochen werden die Vögel noch vollständig von ihren Eltern versorgt, bis sie in ein paar Tagen selbst flugfähig sein werden und sich im Umkreis von circa fünfzig Kilometern ein eigenes Plätzchen – möglicherweise in einer der 700 künstlichen Nisthöhlen im Kreis Ludwigsburg – suchen.

Dass die drei kleinen Käuze nach der Beringung von Kinderhand zu Kinderhand wandern und auch von vielen Erwachsenen liebevoll gestreichelt werden, stört die Tiere und deren Eltern übrigens nicht. „Das ist nur bei Wild problematisch“, so Keil, dessen leidenschaftlicher Einsatz für den Artenschutz ganz viel Hoffnung auf den Erhalt des Steinkauz‘ macht.